Fragen ans POS-Marketing 2023 – Teil 5: Welche Chancen haben autonome Märkte?


Die Idee ist bestechend: Einkaufen wann man will – völlig unabhängig von Öffnungszeiten. Morgens um 6 noch schnell das neue Deo für die Urlaubsreise besorgen oder am Sonntagabend die fehlende frische Zutat fürs zu kochende Menü shoppen – diese Herausforderungen meistern alle problemlos, in deren Nähe sich ein autonomer Lebensmittelmarkt befindet.

Handelsunternehmen in Deutschland scheinen zusehends auf die kassenlosen Stores mit Selbstversorgerpotenzial zu setzen. Vorreiter für diese Entwicklung sind Tegut mit seinen mittlerweile rund 30 „teo“-Shops sowie Rewe mit einigen Pick & Go-Märkten und der sogenannten Nahkauf Box. Netto testet das Pick & Go-Prinzip mit einer Pilotfiliale in München, Kaes mit dem V-Mini-Markt in Kaufbeuren und die Bahn verzichtet(e) in einigen ihrer „Service Stores“ zumindest zeitweise auf Personal, um einen 24/7 Einkauf zu ermöglichen.

Ein Storecheck im fränkischen Pettstadt sorgt für das praktische Erleben des Konzepts. Bringt uns die Funktionsweise des autonomen Geschäfts sowie seine Vor- und Nachteile für Shopper näher. An einem sonnigen Sommermorgen um 6 Uhr ist der Parkplatz im Gewerbegebiet verwaist, Kundenfrequenz gleich null – ideale Voraussetzungen also für ungestörtes Einkaufen.

Gebrandete Beachflags am Straßenrand weisen vergleichsweise dezent aufs Mini-Outlet hin. Am Eingang angekommen lernen Kunden per bebilderter Beschreibung den Ablauf ihres bevorstehenden Short-Shopping-Trips kennen. Zutritt wird per Bank- oder Kreditkarten-Scan gewährt und der Hinweis auf lückenlose Videoüberwachung sowie Vertragsstrafen für Diebstahl soll Langfinger abschrecken. Zudem erfahren Besucher des Märktchens, woher die Box ihren einprägsamen Namen hat: Einer der beiden betreibenden Kaufleute heißt mit Vornamen „Josef“.

Barrierefreier Zutritt, Blumen-Deko
und mitten im Gewerbegebiet:
„Josefs Box“ in Pettstadt
Die Box ist immer offen für alle,
die EC- oder Kreditkarte parat haben.
Ein Willkommen von den Betreibern
Thomas und Josef

Das Innere der Box besteht aus zwei, je ca. 5-6 Metern langen Gängen zwischen vier Regalfluchten, Stirnregal plus Gondelkopf sowie Impulsbereich am Checkout-Automaten. An einer der Wände beinhalten Kühlmöbel Getränke und Frischware. Das Sortiment wurde von den Kaufleuten aus Marken und Eigenmarken mit einer – für die überschaubare Fläche – beeindruckenden Breite zusammengestellt. Alkoholische Getränke freilich fehlen – Jugendschutz-Kontrollen können im autonomen Store nicht durchgeführt werden.

Gewohntes Bild hinter dem Eingang:
frisches Obst & Gemüse
Die „Drogerieabteilung“ an der Stirnseite
der Nahkauf-Box
Im zweiten Gang befinden sich
Getränke- und Kühlregale
Am Gondelkopf lockt das Impulsangebot
mit salzigen Snacks
Die Kassenzone: Kaugummi und Batterien
neben dem Checkout-Automaten

Der Zahlvorgang geht einfach und schnell: Ware scannen, Karte einlesen und Bon entnehmen – fertig.

Fazit:
Die Nahkauf Box bietet ein relevantes Warensortiment und der Einkauf funktioniert schnell und reibungslos. Doch welche Einstellung haben Shopper zu diesem Geschäftsmodell und wie beurteilen Experten das Format?

Mehrheit der Shopper mit Affinität zu autonomen Stores

Die Hälfte der LEH-Kunden könnte sich vorstellen, in autonomen Stores einzukaufen, jeder Vierte wünscht sich das 24/7-Angebot sogar. Damit gibt es eine relevante Bereitschaft fürs Einkaufen rund um die Uhr.   

Drei von vier LEH-Shoppern sind
autonomen Stores gegenüber positiv eingestellt.
Quelle: POS-Marketing-Report 2023

Doch lohnen sich personallose Outlets für Händler und besteht überall Potenzial für dieses innovative Ladenkonzept? Bei Handels- und Industrie-Experten herrscht keine Einigkeit in dieser Frage. So treibt Tegut die Expansion seines teo-Konzepts voran und platziert die Mini-Märkte durchaus auch in Ballungsgebieten. Spricht man mit Edeka-Kaufleuten, vernimmt man Skepsis diesem Ansatz gegenüber. Was und warum sollten Shopper in maßgeblichen Mengen im autonomen Store kaufen – so das Contra-Argument – wenn im urbanen Umfeld zahlreiche Lebensmittelgeschäfte von 7 bis 22 Uhr geöffnet sind? Chancen sehen Retail-Experten für automatisierte Läden und Lebensmittel-Automaten eher in ländlichen Gebieten, wo sich aufgrund der geringen Kundenfrequenz ein Nahversorgermarkt mit Personal nicht rechnet.

Verfolgen wir also gespannt, ob sich das Angebot zum Einkauf in autonomen Outlets durchsetzt oder ob dieses Geschäftsmodell maximal zur punktuellen Ergänzung des bestehenden Universums an Lebensmittelmärkten taugt.