Handelsmarken und Handlungsempfehlungen

Kategorie-Bedeutung von Handelsmarken

Haushaltseinwickler? Für Branchenfremde: gemeint sind damit nicht die kräftigen Herren, welche am Vortag Ihres Umzugs die Möbel transportschonend verpacken. Es handelt sich um die Definition der Marktforschung für die Artikelgruppe der Müllbeutel, Frischhaltefolien & Co. Dieses für jeden Haushaltsführenden nützliche Sortiment ist deswegen bemerkenswert, weil drei Viertel des Umsatzvolumens damit von Eigenmarken der Händler und nicht mit klassischen Markenartikeln gemacht wird. Diese Zahl nennen uns die Marktforscher von Nielsen und zeigen im kompletten Reporting für das vergangene Jahr, das sich die Anteile der Private Labels pro Kategorie im LEH höchst unterschiedlich verteilen. Hier einige Eckwerte, die sich für ein kleines Marketing-Quiz eignen:

  • Babynahrung und Bier:  knapp unter bzw. über 9 Prozent Handelsmarkenanteil
  • Haarpflege:  über 11 Prozent
  • Waschmittel:  genau 20 Prozent
  • Süßwaren:  fast 28 Prozent
  • AfG und Fitnessprodukte:  32 Prozent, mehr als Spirituosen (30 Prozent) und Tabakwaren, die liegen bei nur 31 Prozent
  • Speiseeis, Wein, Sekt:  nahezu 40 Prozent, Feinkost ganz leicht drüber (40,2)
  • Tierfutter und Tiefkühlkost:  ca. jeweils 50 Prozent, ebenso die „weiße Linie“ im MoPro-Regal
  • Wurstwaren im SB-Regal:  über 61 Prozent
  • Papierhygiene:  knapp 70 Prozent und danach folgen mit 75 Prozent die Haushaltseinwickler.

Das sieht für die Marken in einige Kategorien noch nach einem komfortablen Übergewicht aus, während der Umsatzanteil in manch anderer Warengruppe bereits so gering ist, dass sich der Wettbewerb auf einige wenige Brands reduziert hat. Warum schreibe ich hier von „noch“ und „bereits“, denn eine Tendenz geht aus den oben genannten Nielsen Zahlen gar nicht hervor?

In der Tat schrumpft der Umsatzanteil der Food-Handelsmarken im Jahresvergleich 2018/2019 insgesamt sogar von 41,6 auf 40,6 Prozent. Für diesen Rückgang ausschlaggebend waren jedoch die Discounter, in denen 5 Prozent (Achtung: nicht 5 Prozentpunkte) weniger mit Eigengewächsen erwirtschaftet wurde. Freilich auf einem sehr hohen Gesamtniveau von immer noch 64,8 Prozent, trotz mittlerweile zahlreicher gelisteter Marken, insbesondere bei Aldi.

Bei den Vollsortimentern legten Private Labels um 3,1 Prozent zu und gewannen dort stärker als klassische Markenartikel. Dies passt zum Bild, das die Marktforscher von Ipsos zeichnen.

Einstellungen zu Handelsmarken

Im aktuellen „Handelsmarkenmonitor 2020“ von Ipsos wurden auf Basis von 1000 Online-Interviews kürzlich zum 6. Mal die die Einstellungen von Kunden gegenüber Handelsmarken skizziert. Hier einige wesentliche Erkenntnisse daraus auf einen Blick:

  • 96% der Deutschen kaufen Handelsmarken
  • 66% schätzen Handels- und Herstellermarken als gleichermaßen vertrauenswürdig ein
  • 70% achten auch bei Handelsmarken auf Sonderangebote und Preisnachlässe
  • 46% stimmen der Aussage zu, dass unter Handelsmarken immer mehr Artikel mit hochwertigem Außenauftritt geführt werden
  • 41% können die Handelsmarken, die sie regelmäßig kaufen, mit Namen benennen
  • 32% findet den Namen von Handelsmarken nicht wichtig und austauschbar
  • 20% erachten den Namen auf der Handelsmarke als kaufentscheidend

Zusammengefasst: Handelsmarken werden von den Shoppern überwiegend als qualitativ gleichwertiges, preislich vorteilhaftes Angebot regelmäßig gekauft, ohne dass anscheinend eine starke Bindung zum einzelnen Produkt besteht. Noch weiter reduziert könnten wir die Ergebnisse auf den Punkt bringen:

Mit Handelsmarken als Wettbewerber sollte sich die Markenartikelindustrie unbedingt intensiv auseinandersetzen.

In der Tat, die Zeiten, in denen die „White Labels“ und „No Names“ ausschließlich als qualitativ weniger wertige Preiseinstiegs-Alternative angeboten wurden, sind längst passé. Wie stark die Mehrwertmarken des Handels allerdings mittlerweile bei der Vermarktung auf Augenhöhe mit den FMCG-Brands spielen, wird durch aktuelle Statements der Handelsentscheider transparent:

Meinung der Marktmanager zu Marken und Handelsmarken:
Für Mitte-Marken bleibt es eng, entspanntere Tendenz beim Preiseinstieg
und bedenkliche Entwicklung für die Premium-Marken der Hersteller!
Quelle: POS-Marketing-Report 2020

Ein Projekt, in dessen Rahmen ich im vergangenen Jahr für die Mehrwert-Marke eines führenden Handelsunternehmens beschäftigt war, bestätigte dies: mir begegneten eine Markenführungsriege aus Profis mit Markenartikel-Vita und die an klaren Vermarktungszielen ausgerichtete Entwicklung von Promotions mit einer großen Bandbreite an Mechaniken. Dies lässt auf eine zunehmende Professionalisierung in Brand Management und POS-Vermarktungsstrategie für die Private Labels schließen. Wie professionell einige Händler ihre Eigenmarken mittlerweile führen, wollen wir uns in einem der kommenden Beiträge genauer ansehen, hier schon einmal zwei Beispiele:

Groß aufgezogen: die Produktlinie „SEINZ“ von dm
Nah am Kunden, präsent in den Medien und am POS:
die Rewe-Regional Produkte

Möglichkeiten für die Marke

Zwar entwickelten sich die FMCG-Brands in den vergangenen 12 Monaten laut Nielsen insgesamt leicht positiv. Diese Entwicklung wurde allerdings stark begünstigt durch Listungen und Promotions im Hard Discount sowie einer hohen Aktionsquote in zahlreichen Kategorien. Mit Blick auf die erstarkenden Handelsmarken gilt es für die Markenartikelindustrie, dem drohenden Bedeutungsverlust entgegenzuwirken. Doch wie? Welches Rüstzeug benötigen Marken für den Kampf um Marktanteile mit den Erzeugnissen der Händler? Beobachtungen, Gespräche mit Unternehmern und Händlern sowie meine eigene Erfahrung der letzten 25 Jahre lassen den Schluss zu, dass es ein Zusammenspiel aus den folgenden 5 Faktoren ist:

  • Fokussierung des Markenzwecks und eine darauf basierende, saubere Positionierung (Produkt und Preis!)
  • Flexibilität und Agilität auf Basis der Nähe zu Kunden und deren Anforderungen und Bedürfnissen
  • Kontinuität bei Markenführung und Kommunikationsstrategie
  • Sichtbarkeit in den Medien und am POS
  • Glück!

Dieses Quintett im einzelnen zu untersuchen, würde den Rahmen unseres heutigen Beitrags sprengen, kurze erklärende Sätze müssen uns deshalb zunächst genügen. Zudem liegt unser Fokus eindeutig auf dem Aspekt „Sichtbarkeit am POS“, den wir im Rahmen dieses Blogs vollumfänglich behandeln.

Hier also in etwas ausführlicheren Stichworten:

Bei der Fokussierung des Markenzwecks und einer darauf basierenden, sauberen Positionierung gelingt es dem Marketing Manager den Grund für die Existenz der Marke mittels einer stimmigen Positionierung zu transportieren. Und damit zu erklären: „Warum gibt es diese Marke?“ Das „Why“ also so auf den Punkt zu bringen, damit die Marke neben einer starken Relevanz auch eine hohe Glaubwürdigkeit vermittelt und Vertrauen bei Shoppern/Konsumenten weckt.

Flexibilität und Agilität sind Attribute, mit denen sich global operierende Multibrand-Giganten auf lokalen Märkten oft schwer tun. Schwerer zumindest, als dies bei mittelständischen Unternehmen mit Marken in einem spezifischen Warengruppensegment der Fall ist. Oft können Kundenwünsche von kleineren, inhabergeführten Firmen im heimischen Markt schneller aufgegriffen und mit veränderten oder neuen Produktangeboten umgesetzt werden, als von den „Billion Dollar Brands“ mit reichlich Marketingbudget.

Kontinuität bedeutet einerseits nicht jährlich mit einer veränderten Markenpositionierung und einem unterschiedlich zusammengestellten Kommunikations-Mix aufzuwarten. Bedeutet aber auch, die Marke mit Innovationen permanent aktuell zu führen. Mit Innovation meine ich übrigens nicht die x-te Geschmacksvariante für Produkt xy oder noch hübscher gestaltete Verpackung. Sicher, auch das hilft. Hilft so lange, bis die Handelsmarke reagiert und das dauert nicht lange. Überlegen sie mal, warum gibt es keine „Kinder Überraschung“ (Überraschungs-Ei) einer Handelsmarke? Innovation! Heißt: auch in technische Entwicklungen investieren.

Damit einher geht die Sichtbarkeit in den Medien und am POS. Noch immer – und in Corona-Krisenzeiten besonders – ist für den klassischen Markenartikel eine TV-Kampagne für das Erreichen von Sell-in- und Sell-out-Zielen ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Ergänzend dazu sollten eine breite physische Distribution und die professionelle POS-Kommunikation dafür sorgen, dass die Leistung der mittels Werbedruck aufgebauten „PS“ am POS auch tatsächlich auf die Fläche gebracht wird.

Und Glück? Tatsächlich braucht es für die erfolgreiche Markenführung auch immer wieder das Glück (des Tüchtigen). Um nur ein paar wenige Beispiele aufzuzählen: Glück, dass kein Wettbewerber oder Händler eine knallharte Me-too-Strategie fährt. Glück, dass die Kommunikation „gefällt“, Glück, mit der Marke, dem Produkt, zur richtigen Zeit mit der passenden Kommunikation an den relevanten Orten zu sein (Red Bull lässt grüßen). Interessanter Weise stellt sich das Glück meist bei denen ein, die alle vorgenannten Kriterien mit Erfolg erfüllen.

Fazit:
Handelsmarken werden in zahlreichen Kategorien des LEH immer mehr zur echten Kaufalternative für die Shopper am POS. Die zunehmende Professionalisierung des Managements für die Eigenkreationen der Händler droht für viele Markenartikel zur Gefahr zu werden. Diese können mit einem Mix aus gelungener Positionierung und deren Umsetzung in kontinuierlicher Vermarktung und neuen relevanten Impulsen in einer Position der Stärke bestehen.