Duell oder Duett? Brennpunkt Jahresgesprächsunterlage

Präsentationsdramaturgie gut vorbereiten –
Tipps & Trends

Alle Jahre wieder … kommt der Key Accounter zum Händler, um im Rahmen der Jahresgesprächsrunde Konzepte, Kampagnen und Konditionen zu besprechen. So ganz langsam -und unabhängig von der Corona-Krise- startet die Markenartikel-Industrie die Vorbereitungen für die Gespräche 2020. Ob diese in bewährter Form als persönlicher Dialog oder per Video-Meeting stattfinden werden, ist zur Zeit ebenso wenig absehbar wie die Frage danach, wie stark sich das Verhältnis zwischen Industrie und Handel durch die wirtschaftlich herausfordernde Zeit verändert haben wird. Gehen wir also vom Status quo aus. Fragen wir also -die derzeitigen Rahmenbedingungen hinten an stellend-, mit welcher Vorgehensweise die Geschäftspartner zu produktiven Lösungen und für beide Seiten gewinnbringenden Vereinbarungen kommen?

Zementiertes Rollenspiel

Die Rollenverteilung zwischen KAM und Einkauf ist klar: Die Industrieseite versucht, ihre „Ps“ (Products, Prices und Pomotions) möglichst vorteilhaft für alle relevanten Distributionsstellen („Places“) des Handelspartners anzubieten. Dies auf der Basis von Mafo-Daten, Trendreports und Unternehmenszahlen. Der Vertriebsmanager stellt Produktneuheiten vor, kündigt Promotion- und Werbekampagnen an und unterbreitet im Idealfall Vorschläge für gemeinsame Projekte mit dem Retailer. Dieser wiederum – ein Einkäufer oder ein Einkaufsgremium – bringt vorrangig das Interesse an verbesserten Einkaufsbedingungen mit und gibt somit den Druck aus dem von Aktionspreisen geprägten Einzelhandel direkt an das Gegenüber weiter. Nicht selten sorgt er damit für Ernüchterung auf Industrieseite, wenn die oft aufwändig aufbereiteten Marktforschungsergebnisse, die Produktinnovationen und die kreativen Promotion- und Werbekampagnen auf den schick aufbereiteten Powerpoint-Charts des Marketings (zunächst) kaum beachtet werden.

Minenfeld Preiserhöhung

Erfahrene Vertriebsmanager kennen diesen Ablauf und bereiten sich entsprechend darauf vor. Sei es durch die vorab vereinbarte Aufteilung des Gesprächs bzw. der Gespräche in einen Konditionen-Teil und einen konzeptionellen Part. Preiserhöhungen der Industrie bergen traditionell und naturgemäß den größten Sprengstoff in den generell nicht minenarmen Verhandlungen. Oberstes Gebot für die Industrieseite ist es, den Händler mit einer sehr stichhaltigen und nachvollziehbaren Argumentation von der Erfordernis steigender Abgabepreise zu überzeugen. Damit besteht zumindest die Aussicht auf eine konstruktive Diskussion, in deren Rahmen dann Zugeständnisse von beiden Seiten erforderlich sind. An dieser Stelle spielt neben dem Verhandlungsgeschick der Partner die Gesprächsdramaturgie eine wesentliche Rolle. Eine gut vorbereitete Unterlage hilft dem Key Accounter (und auch seinem Konterpart auf Handelsseite) dabei, zu guten Ergebnissen zu gelangen.

KRITERIEN EINER GUTEN JAHRESGESPRÄCHSUNTERLAGE (JGU)
Als Essenz aus langjähriger Praxiserfahrung und dem Dialog mit Händlern lassen sich die wichtigsten Attribute einer erfolgsversprechenden JGU in folgende
Checkliste fassen:

  1. Kurz
    Frei nach dem Churchill-Zitat soll die JGU die relevanten Themen erschöpfen, nicht den Einkäufer.
    Also: wesentliche Punkte herausarbeiten; alles an Zusatzinfos weglassen.
  2. Überzeugend
    Informationen, die dem Händler keinen Mehrwert bringen, sind im Gespräch nicht relevant. Also: immer die Guideline beachten; kein Powerpoint-Chart ohne klare Botschaft!
  3. Spannend
    Sicher, der Einkäufer hat klare Konditionenvorstellungen. Aber auch in seinem Kopf befindet sich ein Gehirn, das eine schlüssig präsentierte Geschichte lieber mag als trockene Daten und Fakten. Also: besser eine JGU mit dem „roten Faden“ einer interessanten Story als trockene Zahlenfriedhöfe und endlose Info-Charts!
  4. Emotional
    Studien beweisen: Auch Profis lassen sich durch Emotionen besser aktivieren als mit purer Information. Deshalb: Entertainment bieten! Natürlich immer auf der Basis stichhaltiger Fakten. Dies mit der gekonnten Einbindung von Bewegtbild, überraschenden Animationen oder Verlinkungen, die die präsentierten Informationen untermauern und aufwerten.
  5. Individuell
    Warum pushen alle Händler plötzlich Start-Ups und ihre Eigenmarken? Unter anderem, um sich vom Wettbewerb mit frischen Ideen und eigenen Produkten abzugrenzen. Also: exklusive Inhalte bei Vermarktungsideen mitbringen, die dem Handel die Möglichkeit bieten, sich versus Wettbewerb zu profilieren. Natürlich immer unter Berücksichtigung der Strategie seiner Händlermarke – damit entsteht eine Win-Win-Situation.

Generell sollte das Jahresgespräch nur den Ankerpunkt einer vitalen Lieferanten-/ Kundenbeziehung bilden. Die Voraussetzung dafür ist ein permanenter, ganzjähriger Dialog zwischen den Partnern, der es im Idealfall erlaubt, dass das Jahresgespräch vom Duell um Konditionen zum Duett einer gemeinsamen Geschäftsentwicklung wird.