Kampagne der Woche: Wenn vergleichende Werbung der Weis(s)heit letzter Schluss ist.

Lidl tat es vor knapp fünf Jahren. Aldi machte es zuvor schon in Großbritannien. Die Rede ist von vergleichender Werbung. Nein, hier ist nicht der Kommunikationskampf zwischen horizontalen Wettbewerbern gemeint, der mal augenzwinkernd-neckend, mal mit harten Bandagen geführt wird, wie wir es z. B. von McDonalds und Burger King kennen. Hier und heute geht es ums Gegenüberstellen von Artikeln innerhalb des händlereigenen Sortiments.

Zur Erinnerung erhalten Sie einen visuellen Eindruck von der Lidl-Kampagne

„DU HAST DIE WAHL“

aus dem (Wahl-)Jahr 2016:

Marke versus Handelsmarke und der Kunde hat die Wahl …
… zwischen etablierten Brands und „No Names“.

Nun also lässt Aldi seine Eigenmarken gegen die mittlerweile reichlich gelisteten Markenartikel aus seinem Portfolio in einer neuen Kampagne mit- und gegeneinander auf- und antreten.

Motto: „Entdecke den KEINEN UNTERSCHIED!“

Jeder, der die Verfilmung von Tolkiens „Herr-der-Ringe“-Saga sah, dürfte sich beim Anblick vom Protagonisten des fantasievollen Spots unmittelbar an Saruman den Weißen erinnert fühlen. Allen, die das Fantasy-Epos nicht kennen, sei gesagt, dass es sich bei der Figur um einen mächtigen Magier handelt, der im Verlauf der Geschichte durch das Streben nach Macht zur dunklen Seite konvertiert. Sein Name kommt wohl aus dem Angelsächsischen und steht für „List“ oder „Geschicklichkeit“. Geschickt verbinden auch die Aldi-Werber Weiß und Weisheit in dem begleitenden Satz „Wenn Du weißt, was Du willst und Du das pure Weiß der Weisheit willst…“. Dazu schreitet der gänzlich in Weiß gekleidete Darsteller neben seinem gespiegelten Abbild und je zwei weißen Afghanischen Windhunden begleitet von chilligen Klängen über einen Holzsteg, der von Leinen mit blütenweißen Wäschestücken gesäumt wird. Ein Bild sagt auch in diesem Fall mehr als viele Worte:

‚Sauberhaftes‘ Weiß im Seitenvergleich:
neue Aldi-Kampagne mit Spezialeffekten
und vergleichender Werbung.

Der Spot endet mit einem side-by-side-Vergleich vom Aldi-Waschmittel Tandil (30 Waschladungen für 3,69 €) und dem Markenpendant Persil (27 Waschladungen à 7,69 €). Die Botschaft ist eindeutig: „Alle Argumente sprechen für den Kauf der Aldi Eigenmarke, liebe Kunden! Sie bietet Ihnen ein identisches Waschergebnis und mehr Waschladungen zu weniger als dem halben Preis der Industriemarke.“ Fehlt abschließend nur noch der (media-)marktschreierische Hinweis à la: „Ich bin doch nicht blöd“, doch das würde nicht zur tiefsinnigen poetischen Tonalität des Werbefilms passen.

Abspann des Aldi-Films:
Entdecke den k(l)einen Unterschied?
Wunderbares Waschergebnis zu sehr unterschiedlichen Kosten.

Der Discount-Primus geht mit dieser Kampagne einen Schritt weiter als sein Hauptwettbewerber vor fünf Jahren. Wo die Lidl-Werber die Shopper zur Wahl zwischen Marke und Handelsmarke einluden, suggeriert der Werbeinhalt der Aldi-Agentur „Zum Goldenen Hirschen“ eine identische Produktleistung mit KEINEM UNTERSCHIED zwischen Markenprodukt und der Aldi-Marke, abgesehen vom Preis. Nun wissen wir, wissen die Kunden nicht, ob es bei einer objektiven (gemessenen) Bewertung der Waschleistung Unterschiede gibt. Können also nicht einschätzen, ob die PERSIL UNIVERSAL MEGAPERLS genau das gleiche Ergebnis erzielen wie TANDIL ULTRA PLUS. Vermuten dürfen wir allerdings, dass die Henkel Manager und -Entwickler sicherlich „not amused“ darüber sind, leistungsmäßig aufs identische Level der Handelsmarke gehoben zu werden.

Und die Shopper?

Die scheinen sich von der stetigen Werbepräsenz der Händler und ihren Handelsmarken mehr und mehr beeindrucken zu lassen. Folgen der Intention der Retailer-Kampagnen und erkennen tatsächlich immer weniger Qualitätsunterschiede zwischen Marken und Handelsmarken, wie Studienergebnisse zeigen:

Eindeutige Tendenz in den letzten zehn Jahren:
Fast zwei Drittel der Shopper haben bereits keinen Unterschied entdeckt.
Quelle: POS-Marketing-Reports 2012, 2016 und 2021

Was können Markenartiklern nun tun? Die Discounter-Listung rückgängig machen? Aus der Not eine Tugend interpretieren und sich – freilich etwas gequält lächelnd –über die zusätzliche Werbepräsenz freuen? Immer nach dem Motto „Hauptsache Branding“?

In der Tat scheint es vor allem die folgenden Ansätze zu sein, die den Industriemarken auch langfristig das Überleben sichern können:

  • Stetiges Invest in die Stärkung des Markenkerns („Brand Building“) – Beantwortet die Frage der Shopper: „Wofür steht diese Marke?“ Die Antworten sollte die Marke an allen relevanten Kontaktpunkten geben können, auch und gerade bei der Live-Begegnung mit ihren Shoppern am POS!
  • Kontinuierliche Entwicklung relevanter(!) Innovationen bei Rezeptur, Anwendung, Funktionalität, Design usw. – Beantwortet die Frage der Shopper: „Was bietet mir die Marke, das mir die Handelsmarke nicht offerieren kann?“.

Einige Markenartikler setzen seit einiger Zeit immer stärker auf eine direkte Vermarktung an die Endkunden … dazu mehr in den kommenden Tagen.

Hier der Link zum Aldi-Spot