CHARITY – Soziales Feigenblatt oder Abverkaufshilfe?

Einordnung einer polarisierenden Promotion-Mechanik

Unbestritten, Gutes tun, kann nicht schlecht sein. Vor diesem Hintergrund könnte man vermuten, dass Promotion-Mechaniken, die diesen Gedanken aufgreifen, besonders populär sind. Denn die Idee ist bestechend: „Kaufe Marke XY und sie tut etwas für einen guten Zweck – und damit auch Du!“ Doch der Blick in die Statistik zeigt, diese Vermutung ist nicht haltbar: Weniger als 1 Prozent aller Promotions im deutschen Lebensmittelhandel im Jahr 2019 waren solche Charity- oder Cause-Related-Marketing-(CrM) Initiativen. Insgesamt nur 40 mal kamen Markenartikler und Handel zur Entscheidung, diese Mechanik einzusetzen. Warum ist das so?

Ambivalentes Verhältnis der Shopper

Für den zurückhaltenden Umgang mit dem Angebot, jeden Produktkauf mit einer Spende für einen wohltätigen Zweck zu belohnen, gibt es –gerade in Deutschland – mehrere Gründe. Zunächst war die Kopplung von Spenden und Produktkauf in der deutschen Rechtsprechung sehr lange als wettbewerbswidrig eingestuft worden, bevor diese Praxis 2005 geändert und dieses Gesetz per Referenzurteil aufgehoben wurde.

Diese Promotion-Mechanik hat also auch im Jahr 2020 noch keine lange Tradition bei uns. Zudem birgt der Vermarktungsansatz auch inhaltliche Risiken. Verdeutlichen können wir uns das an Fragen wie: Warum sollten die Verbraucher Bier trinken um den Regenwald zu retten oder um die Renovierung von Bolzplätzen zu unterstützen? Wo ist die Verbindung zwischen dem Konsum von Schokolade und Schulmaterialen für afrikanische Kinder? Ein daraus resultierendes Problem ist die Skepsis der deutschen Verbraucher gegenüber Cause-Related Marketing.

Auf der anderen Seite äußern sich viele Verbraucher positiv in Bezug auf soziales Engagement von Unternehmen und Marken. Mehr als 8 von 10 Kunden würden bei grundsätzlicher Vergleichbarkeit von Produkten eher das Angebot wählen, das beim Kauf einen guten Zweck fördert. Dies ein Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2008. Allerdings hatten, auch dies ein Ergebnis der Erhebung, in der Vergangenheit tatsächlich nur knapp 20 Prozent der Befragten wegen einer solchen Promotion ein Produkt gekauft. Ob aus praktischer Gleichgültigkeit heraus oder schlicht wegen fehlender Angebote, wurde in der Untersuchung nicht erörtert. Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeits- und Haltungsdebatte rund um Marken und Unternehmen könnte man vermuten, dass sich die Situation in der heutigen Zeit etwas differenzierter darstellt, dass also Anbieter mit einer klaren Haltung und einem daraus resultierendem sozialen Engagement, dieses gewinnbringend für die Vermarktung nutzen können.

Kein Abverkaufs-Booster per se

Hinsichtlich ihrer Kaufentscheidungs-Relevanz waren Charity-Promotions bisher eher im unteren Mittelfeld im Vergleich der Promotion-Mechaniken zu finden. Von insgesamt 20 abgefragten POS-Marketing-Tools lagen sie auf Platz 14. Zwar vor Gewinnspielen, aber deutlich hinter den Hardselling-Mechaniken wie Aktionspreisen, Sondergrößen, Zugaben, Coupons usw. 

Charity-Promotions beeinflussen das Einkaufsverhalten
von gut einem Drittel der Shopper – Tendenz steigend!
Tabellen-Auszug: POS-Marketing-Report 2018

Fazit

Neben vielen sehr häufig verwendeten Mechaniken bergen Charity-Initiativen noch viel Potenzial für Markenartikler und Handel. Dabei scheinen kurzfristige, sehr promotionale Ansätze hinsichtlich Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und Durchdringung in Richtung Shopper anspruchsvoller zu sein, als die Einbindung langfristiger haltungsbasierter Engagements in die Vermarktungsstrategie (und daraus abgeleitet dann auch als Promotion-Werkzeug). Beispiele für aktuelle CRM-/Charity-Promotions folgen in einem der kommenden Beiträge.