Kaum hat das neue Jahr begonnen, schon wissen wir: Auch in 2022 wird sich die langersehnte Normalisierung des Zusammenlebens durch ein Ende der Corona-Pandemie vorerst nicht einstellen. Einschneidende Veränderungen sind kaum in Sicht. Die Uhren werden nach dem Abschluss 2021 auch von der neu regierenden Ampel-Koalition nicht auf Null gestellt und ein dem Neuen innewohnender Zauber will nicht so recht wirken. Liegt an der Omikron Variante, die die Inzidenzen steigen und uns weiterhin in einem Schwebezustand der Unsicherheit verharren lässt. Betrifft unser aller Leben insgesamt und wirkt sich weiterhin massiv auf die Entwicklungen in Marketing und Vertrieb aus.
Doch welches sind nun die großen Einflussfaktoren, die wir als Vermarktungs-Profis kennen sollten? Welches sind die wichtigsten Trends, die unser Tun (und Lassen) beeinflussen werden?
Im Folgenden habe ich für Sie, liebe Leser, einige wesentliche Punkte zusammengestellt, die auf der Agenda von Trendforschern, Konjunktur-, Finanz- und Wirtschafts-Experten, Marktforschern und Branchenkennern stehen.
Grundsätzlich ist das Bild für 2022 weniger düster, als es manchem vor dem Hintergrund der aktuellen epidemischen Lage erscheinen mag. Tatsächlich prognostizieren die Forscher der GfK eine steigende Kaufkraft und das Ifo-Institut geht von einem signifikanten Wachstum des BIPs von 3,7 Prozent in den kommenden 12 Monaten aus. Neben einer höheren Wirtschaftsleistung werden steigende (Mindest-) Löhne, die Erhöhung von Renten und spürbare Steuerentlastungen als Haupt-Treiber dieser Entwicklung genannt.
Selbstverständlich werden die Corona-Auswirkungen die Marktteilnehmer weiterhin intensiv beschäftigen. Als Beispiele seien die Zurückhaltung beim Besuch des stationären Fachhandels, die stattdessen stärkere Nutzung digitaler Angebote, eine immer noch anhaltende Lieferkrise in zahlreichen Branchen sowie flächendeckend flexibles Arbeiten genannt. Gingen zu Beginn der Pandemie viele Arbeitgeber noch davon aus, das mobile Arbeiten sei eine temporäre Erscheinung, dürfte sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt haben, dass – insbesondere in unseren Zeiten des Arbeitskräftemangels – die Werktätigkeit im Home Office zum Hygienefaktor für die Beschäftigten geworden ist. Dieses Rad im Organisationsgetriebe wieder zurückzudrehen, dürfte den Firmen schwer fallen (auch wenn es anscheinend viele planen).
Fragen wir uns also, welche konkreten Folgen Corona unserer Branche noch bescheren wird:
- Wie gehen wir mit der fehlenden Sicherheit bei der Planung von Vermarktungs-Kampagnen um?
Insbesondere alle, die Großveranstaltungen wie Konzerte, Messen etc. als Vermarktungs-Events nutzen wollen, stellen sich die Frage, ab wann sie damit konkret planen können. Ebenso sehen sich Händler und Markenartikler gezwungen, bei der Vorbereitung und Einsatzplanung von personalgestützten Promotions im Handel, momentan „auf Sicht zu fahren“. Verkostungen z. B. sind derzeit auf den Verkaufsflächen kaum durchführbar. Zudem lässt sich die Bedeutung und die Eignung der Fußball-WM – üblicherweise das medial größte Sportereignis des Jahres – als Vermarktungs-Thema aktuell noch schwer einschätzen. Die Branche sondiert und ist unschlüssig, wie Medien und Öffentlichkeit das Turnier in Katar kurz vor Weihnachten aufgreifen, bewerten und nutzen werden. Im LEH stellt sich die konkrete Frage, ob und wie der Handel seine Flächenbelegung zwischen weihnachtlicher Saisonware und Promotion-Platzierungen zur WM aufteilt.
- Müssen Industrie und Handel auch in 2022 mit Lieferengpässen rechnen?
Bei vielen Rohwaren ist die Versorgungslage weiterhin angespannt. Die Liefersituation bei z. B. Glas, Papier oder Ausgangsstoffen für die Produktion von Kunststoffverpackungen ist weiterhin angespannt, die mangelnde Verfügbarkeit von Microchips im Bereich von Anlagen und technischen Gebrauchsgütern sorgt für Verzögerungen bei Produktion und Auslieferung. Lebensmittel- und Fachhandel reagieren mit unterschiedlichen Strategien auf die leidvollen Erfahrungen leerer Regale in Lockdown-Zeiten:
- Mehr-Lieferanten-Strategie, weniger Abhängigkeit von einzelnen (internationalen) Zulieferern
- Optimiertes KI-gestütztes Logistik-Management
- Vertraglich vereinbarte Zusicherungen für höhere Mindest-Lagerbestände bei den Lieferanten
- Stärkere Nutzung heimischer / regionaler Erzeuger
- Werden die Teuerung und damit steigende Preise für Konsumgüter zu einem verschärften Preiskampf im LEH führen?
Durch die Rohwarenknappheit ziehen die Erzeugerpreise an. Die Industrie versucht derzeit flächendeckend, höhere Abgabepreise in Richtung Handel durchzusetzen. Insbesondere Vollsortiment-Retailer wie Edeka und Rewe befürchten jedoch, ihre im Verlauf der Corona-Pandemie erstarkte Stellung gegenüber den Discountern wieder zu verlieren und beharren deshalb auf niedrigen Einkaufs- und Abgabepreisen. Es ist damit zu rechnen, dass es weiterhin harte Verhandlungen zwischen Markenartiklern und LEH-Betreibern sowie Preisschlachten zwischen Vollsortiment-Formaten und Discountern geben wird.
Außerdem fragen wir uns …:
- Wird der politische Rahmen für die Energiewende, den Klimaschutz und die Landwirtschaft neu gesteckt – und welche Auswirkungen hätte das auf die Preiskalkulationen von Herstellern und Händlern?
- Wie schnell setzt sich der Siegeszug von veganen Ersatzprodukten für tierische Erzeugnisse im LEH fort – und welche New-Food-Konzepte werden 2022 reüssieren?
- Wird es nach wirtschaftlichen Schäden durch Cyberangriffe in Milliardenhöhe eine gestiegene Sensibilität für die Schwachstellen der IT-Infrastruktur im Handel geben – oder investieren die Retailer weiterhin (oft unreflektiert) in neue IT/KI-Anwendungen?
- Mit welchen Vermarktungskonzepten werden Hersteller und Händler den hybriden Shopper begeistern – welche Anwendungen sind effektiv im Rahmen der Digitalisierung des POS und wo findet die Marke im eCommerce-Business statt?
- Wie müssen sich die Innenstädte und Ladenlokale verändern, wenn sich das Fachhandelsgeschäft ins Internet verlagert – welche Rolle und Funktion haben in diesem Rahmen Quartierskonzepte und die Mobilitätswende?
- Wird die durch steigende (Mindest-)Löhne und Renten erhöhte Kaufkraft für das erwartete Wirtschaftswachstum sorgen – und welche Branchen werden davon vorwiegend profitieren?
Antworten auf einige dieser Fragen finden Sie in Kürze in diesem Kompendium: