Die neue Normalität am POS: Preiskrieg 2.0 – die Steuersenkung als taktisches Kampfmittel

Zwei Tage vor der gesetzlich gültigen Absenkung der Mehrwertsteuersätze auf 16 bzw. 5 Prozent sind wir schon mitten drin im Preiskrieg am POS. Wie sagte es der deutsche Vertriebsmanager eines weltweit führenden Food-Unternehmens so treffend: „Während des Lockdown waren der Handel und wir mit der Warenversorgung beschäftigt. Nur einen Monat später war der Normalzustand im Verhältnis Händler / Hersteller wieder hergestellt.“ Bedeutet: das alte Feilschen um Prozente, das Ringen um bessere Konditionen und der Diskurs um ein faires Verhältnis zwischen Werbekosten und deren Zuschüsse wurden unverändert wieder aufgenommen. Nun hat der Gesetzgeber mit der temporären Senkung der Mehrwertsteuersätze zusätzliche „Munition“ für die Preiskämpfe verteilt.

Für die zuletzt leicht gebeutelten Discounter ein dankbares Thema, das – insbesondere im Hard Discount – von Aldi und Lidl umgehend mit forschen Ansagen besetzt wurde. Aldi versicherte seinen Kunden unmittelbar nach der Verabschiedung der gesetzlichen Änderung, die Absenkung der Steuersätze an sie weiter zu geben. Lidl konterte diese Ansage in rasch vorauseilendem Überbieten und senkte die Preise bereits am 22.06. Ein wettbewerbstaktischer Leckerbissen seitens der Regierung, der im Wettlauf mit den Vollsortimentern – allen voran den Inhaber geführten Supermärkten – von den Discountbetreibern dankbar als Profilierungsinstrument genutzt wird. Damit sind wir beim Thema der Vermarktung, also der Verarbeitung der Preissenkung in Form von entsprechenden Kampagnen.

Werfen wir vor diesem Hintergrund einen Blick auf die kommunikative Umsetzung dieser Hard Selling Maßnahme und schauen, wie die führenden Händler diese in Richtung Shopper am heutigen Montag transportieren.

Rabatt auf „Deinen Einkauf“ oder auf „alles“?

 Beginnen wir beim Vertriebskanal, in dem Preise – grundsätzlich und Geschäftsmodell bedingt – zum wichtigsten Werkzeug in der Vermarktungs-Toolbox gehören, dem Discount. Aldi besetzt das Thema prominent mit einem eigens dafür entwickelten Signet, das in allen relevanten Kommunikationskanälen eingesetzt wird. Wortspielerisch und kumpelhaft erfahren die Shopper beim selbsternannten Preis-Primus: „STEUER KANNSTE DIR SPAR‘N“ in Verbindung mit einem 3% Rabatt „auf Deinen Einkauf“, der an der Kasse verrechnet wird. Dies freilich mit Sternchentext, der als Kleingedrucktes erläutert, welche Artikel von der Preisreduzierung ausgenommen sind (s. unten). Zusätzlich versäumt es der ehemals so reserviert und unprätentiös agierende Discounter nicht, das übergeordnete Kampagnenmotto („Aldi Preis Preis Baby“) und das für ihn günstige Shoppervotum im Kundenmonitor anzubringen:

***Der Rabatt wird in der Zeit vom 27.6.2020 bis zum 31.12.2020 gewährt. Er wird in allen ALDI SÜD Filialen in Deutschland sowie bei den von ALDI vermittelten Dienstleistungen ALDI Life (Games), ALDI Foto an der Kasse abgezogen; bei den bei „ALDI liefert“ (online) sowie bei den bei von ALDI vermittelten Dienstleistungen ALDI Blumen und ALDI TALK (nur Hardwareshop) angegebenen Preisen ist er bereits abgezogen. Rabatt nicht kombinierbar mit Filialeröffnungs- und Grenzöffnungs-Coupons. Vom Rabatt ausgenommen sind Tabakwaren, der Buchpreisbindung unterliegende Waren (z. B. Bücher, Zeitungen und Zeitschriften), Pfand, Gutscheine, Guthaben- und Gutscheinkarten, Cashback, Getränke aus Heißgetränkeautomaten sowie die von ALDI vermittelten Dienstleistungen ALDI life (eBooks und Musik), ALDI Reisen, ALDI Tickets, ALDI Grünstrom und ALDI TALK (ausgenommen wiederum ALDI TALK Hardwareshop).

Ähnlich die Kommunikation beim Rivalen Lidl, der – wie oben erwähnt – bereits seit einer Woche die Preise gesenkt hat. Dort hat man getextet: „Ab sofort Mehrwertsteuer gesenkt auf alles“. Wobei „alles“ auch hier nicht stimmt, da ebenfalls Tabakwaren, Zeitschriften & Co. davon ausgenommen sind. Die artikelgenaue Umsetzung der Preissenkung resultiert in „krummen“ Preisen, wie im aktuellen Wochenprospekt gut zu erkennen ist:

Alternativ zum „Aldi Preis“ gibt es auch „Dein Lidl Preis“!
Weder rund noch „psychologisch“: die Lidl-Preise

Unterschiedliche Strategien im Drogeriemarktsektor

Blicken wir auf den großen Drogisten-Zweikampf zwischen Rossmann und dm und deren Kommunikationsstrategien bei der Umsetzung der Mehrwertsteuersenkung. Anders als im Discount, wo dieses Thema von beiden großen Wettbewerbern inhaltlich ähnlich und mit vergleichbarer Vehemenz besetzt wird, finden wir hier erhebliche Unterschiede in der Interpretation der Preisvorteile.

Auf der Rossmann Website begrüßt die Besucher der Hinweis auf eine 3%ige Preisreduktion – analog zu Lidl – „auf alles“ (ebenfalls mit Sternchentext). Danach haben die Burgwedeler eine komplette Sub-Site eingerichtet, in der nicht nur der Rabatt, sondern der komplette Themenkomplex zur Mehrwertsteuersenkung transparent erläutert wird. Inklusive „Mehrwertsteuerrechner“ und FAQ-Bereich mit allen Antworten auf relevante Fragen. Im Sinne transparenter Shopper-Kommunikation gibt es dafür das Prädikat: „Vorbildlich“!

Gänzlich anders nähert sich dm diesem Thema. Vom Dauerniedrigpreis-Pionier erhalten wir einen dezenten Hinweis darauf, dass es so etwas wie eine Mehrwertsteuersenkung gibt, erst nach einigem Suchen im Newsroom auf der Website. Im sachlich-redaktionellen Stil erfährt der Leser, dass auch dm die Steuersenkung – per pauschalem Abzug an der Kasse – weitergeben wird. Das passt zwar zum typischen Kommunikationsstil von dm, könnte die durch mediale Präsenz des Themas sensibilisierten und danach suchenden Kunden jedoch verunsichern. Eine etwas aufmerksamkeitsstärkere Information wäre hier sicher hilfreich.

Mit dem Blick ins Vollsortiment setzen wir das Thema morgen fort.

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