Es ist nicht alles Gold, was glänzt – der Windbeutel des Jahres!

Heute aus aktuellem Anlass ein kurzer Impulsbeitrag zum „Goldenen Windbeutel“. Diese zweifelhafte Auszeichnung wird von der Initiative foodwatch – die Essensretter alljährlich an Lebensmittelhersteller verliehen. Basis für den Gewinn dieses Awards ist ein Online-Voting von Verbrauchern, die für eines von mehreren vorgegebenen Produkten abstimmen können. Die ohne eigenes, aktives Zutun ausgewählten Food-Sünder, werden von den selbsternannten Verbraucherschützern auf ihrer Website zur Wahl gestellt. Gemeinsam ist den Preisträgern, dass sich erwartungsgemäß kaum einer über diese Auszeichnung freut; die produktspezifischen Gründe für das Anprangern sind derweil unterschiedlich. Laut foodwatch soll mit der Initiative gegen den „Etikettenschwindel“ der Markenartikelindustrie protestiert werden. „Die Etiketten sollen ehrlich werden“, schreibt die Organisation auf ihrer Internetseite dazu. Betrachtet man sich die Shortlists mit den Kandidaten der vergangenen Jahre, fällt auf: Besonders im Fokus stehen (zu stark) zuckerhaltige Produkte für Kinder, als Fitmacher positionierte Erzeugnisse mit (über-) reichlich Kalorien oder Artikel mit (pseudo-) wissenschaftlichen Auslobungen als Beitrag zur gesunden Ernährung.

Der Preis, den keiner haben möchte:
Der Goldene Windbeutel als Award für Etikettenschwindel.
Quelle: foodwatch

Dieses Jahr hat es nun die Firma Hochland mit ihrem „Grünländer Käse“ getroffen, gestern hat foodwatch die entsprechende Pressemitteilung veröffentlicht. Sauer aufgestoßen ist den Teilnehmern der Wahl weder der Geschmack des Käses, noch dessen Inhaltsstoffe, zumindest nicht direkt. Indirekt schon, denn die Milch für den Käse „mit der grünen Seele“ stammt von „Freilaufkühen“, gut zu lesen auf der Frontseite der Produktpackung. Alleine diesem Begriff hat Hochland die Preisträgerschaft zu verdanken. Denn: laut einer repräsentativen foodwatch-Befragung verbinden mehr als drei Viertel der Verbraucher damit das Bild von frei auf einer Wiese umherlaufenden vierbeinigen Milchlieferanten. Das Vieh der Hochland-Vertragsbauern freilich wird im Stall gehalten und kann DORT frei umherlaufen. Das steht auch genau so auf der Rückseite der Grünländer-Käseschalen. Die Täuschung besteht also in der unterschiedlichen Interpretation des Begriffs „Freilaufkühe“. Besteht im Missverhältnis zwischen der Erwartung frei auf saftigen Wiesen umhertrabender Milchkühe und der harten Realität von Tieren, die sich im Stall auf wenigen Metern die Hufe vertreten.

Der Stein des Anstoßes auf der grün beseelten Weide:
Label auf der Packungsfront mit
„Milch von Freilaufkühen“.
Suggeriert Kühe auf der Weide, nicht im Stall:
die Packungsanmutung von Grünländer Käse.

Nun wollten die Offiziellen von foodwatch den goldenen Windbeutel an Hochland übergeben, das Unternehmen hat jedoch – wie auch einige andere Firmen in den Jahren zuvor – die Schotten dicht gemacht. Weigerte sich also, mit den Abgesandten von foodwatch zu reden und den Award in Empfang zu nehmen. Das entsprechende Video dazu ist seit gestern online.

Da stellen wir Marketing-Profis uns die Frage: Worum geht es wirklich und wie ist die Aktion von foodwatch inklusive abstimmenden Verbrauchern unter Vermarktungsaspekten einzuordnen?

Nun, zunächst haben beide Gruppen eine kostenlose Marktforschungsleistung für Hochland erbracht. Haben eindeutig – und repräsentativ! – analysiert, dass die Auslobung „Freilaufkühe“ auf der Packung problematisch ist. Justierten damit also die feinen Antennen fürs Konsumentenempfinden beim Allgäuer Molkereibetrieb neu. Hier besteht fürs Grünländer-Brandmanagement ganz eindeutig Handlungsbedarf.

Zudem hat foodwatch dem Unternehmen eine kommunikative Aufgabe gestellt und das Hochland-Management mit der Award-Verleihung herausgefordert.  Bedauerlicherweise scheint die Führungsriege dieser besonderen Challenge nicht gewachsen gewesen zu sein. Sich „tot zu stellen“, Kritik auszusitzen und jede Kommunikation zu verweigern, das funktioniert in Zeiten omnipräsenter sozialer Medien nicht mehr. Zumindest nicht kurz- bis mittelfristig. Langfristig müssen, das zeigt die Erfahrung, die Markenmacher nicht mit nachhaltigen Absatzeinbußen rechnen. Dennoch: bereits jetzt hat das Youtube-Video des Preisverleihungsversuchs der „Essensretter“ knapp 47.000 Aufrufe und wird von den Zuschauern mit kritischen Statements zu Hochland kommentiert:

Vielen dank für Eure Aufklärungsarbeit – Grünländer Käse von Hochland hat den Windbeutel verdient!!! Hochland Werbung ist dreist!!!

Bei mir gibt es jedenfalls NICHTS mehr von diesem Hersteller!!!!!

Hochland ist für mich auf dem Tiefpunkt. Werde künftig einen Bogen um deren Produkte machen. Und feige sind sie auch noch

Besonders problematisch ist das in Zeiten zunehmend kritischer und aufgeklärter Verbraucher. Auf diesem Bein wurden die Käsemacher tatsächlich falsch erwischt und sahen sich nicht in der Lage, die Situation professionell zu lösen. Mit einer offenen Diskussion, mit der Akzeptanz des Verbrauchervotums, mit einem Signal zur Bereitschaft, einen kommunikativen Fehler zuzugeben und zu handeln, wären der Markenartikler aus Heimenkirch medial deutlich besser gefahren. Getreu des Mottos der Medien: „Only bad news are good news“ in der fürs Marketing abgewandelten Variante: „Nutze Kritik als Chance, dich zu verbessern und rede darüber, wie du das machst!“