Deutscher Handelskongress Teil 2: Die Kraft der Haltung.

The Power of Purpose – Verantwortung übernehmen. Zukunft gestalten.“ Diesen Titel gab sich der erste rein digitale Deutsche Handelskongress 2020. In ihrem Grußwort per Videobotschaft zum diesmal virtuellen Stelldichein von Fach- und Führungskräften aus Handels-, Industrie- und Dienstleistungsbranche appellierte Frau Dr. Merkel dann auch direkt an die Verantwortung der Einzelhändler in Corona-Zeiten und verteilte dabei reichlich Lob. Der Handel setze nicht nur die vorgegebenen Hygiene- und Verhaltensregeln sehr gut um, er sei auch in Sachen Ausbildung und Nachwuchsförderung in einer ganz besonders verantwortungsvollen Position. Zudem nähme der stationäre Einzelhandel, so die Kanzlerin weiter, für die Innenstädte eine herausragende Rolle ein. Mit dem Kompliment, dass der HDE (Handelsverband Deutschland) ein willkommener und gefragter Partner der Politik sei, verabschiedete sich die Regierungschefin und gab den Ball an dessen Hauptgeschäftsführer, Stefan Genth, weiter. Im Berliner Studio lobte Genth die Initiativen der Regierung zur Unterstützung des Einzelhandels grundsätzlich. Im Dialog mit Dunja Hayali – Moderatorin der Veranstaltung – legte er allerdings auch den Finger in die finanzielle Wunde vieler Händler, bei denen aufgrund fehlender Passgenauigkeit der Regierungsmaßnahmen zu wenig oder kein Geld ankomme. Das komplizierte lang andauernd Zuteilungsverfahren sei daran schuld, hier solle die Politik noch nachbessern. Ins gleiche Horn stieß Josef Sanktjohanser, Präsident des HDE und ehemaliges Rewe Vorstandsmitglied: Es könne nicht sein, dass die Politik „riesen Pakete“ schnüre und nichts davon bei den Händlern ankomme. Zwar gäbe es auch Corona-Gewinner im Handel, insbesondere den LEH, allerdings seien viele Fachhandelsgeschäfte in einer prekären Situation. Mit einer Grafik untermauerte Stefan Genth diese These; die monatlichen Befragungen des HDE zeigten ganz genau, welche Handelsbranchen stark verlieren:

Nachhaltigkeit identifizierten die beiden HDE Topmanager als einen der ganz großen Trends in Politik, Industrie und Handel. Allerdings, so Genth, müsse dieses Thema „raus aus der Nische“ und auch für die Shopper relevant werden. Hier sei ein Schulterschluss aus Politik und Handel erforderlich, um Nachhaltigkeit tatsächlich zum nachhaltigen Thema zu machen. Auf die Frage der Moderatorin, ob die Mehrwertsteuer-Senkung über den 31.12.2020 hinaus bestehen bleibe, gaben sich Genth und Sanktjohanser skeptisch, zudem sei der Anschub-Effekt für mehr Geschäft gerade im Lebensmittel-Einzelhandel sehr überschaubar.

Ebenso skeptisch zur positiven Wirkung der Mehrwertsteuer-Senkung gab sich Prof. Lars P. Feld, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Mitglied der Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. In seinem Impulsbeitrag skizzierte er die „wirtschaftlichen Folgen des Corona-Schocks“ und zeigte per Studienergebnis auf, dass die Umsatzsteuersenkung überwiegend zum Vorziehen von (größeren) Anschaffungen führt(e) und damit keinen spürbaren konjunkturellen Effekt hat(te). Besser sei eine Absenkung direkt spürbarer Belastungen, wie z. B. der Stromsteuer. Das Konjunkturpaket der Regierung, so die Schätzung des Ökonomen, dürfte die Wirtschaftsleistung um ca. 0,7 bis 1,3 Prozent erhöhen. Da mit einer Aufhebung der Corona-Beschränkungen während des gesamten Winters nicht zu rechnen sei, gehe er, so Feld, davon aus, dass auch 2021 kein wirtschaftlich gutes Jahr werde.

In lockerer Folge werden wir uns in den kommenden Wochen damit beschäftigen, welche Lehren wir für unsere Vermarktungsaufgaben aus den Beiträgen von u. a. Aldi, Rossmann, Mondelez, Google, Fressnapf oder Douglas ziehen können.