Anspruchsvoll: Raumgestaltung auf kleinen Flächen.

Die Anzeigen der Woche.

Die Corona-Beschränkungen führen zur – oft nicht ganz freiwilligen – Rückbesinnung aufs eigene Heim. In diesem Zusammenhang lernten wir den treffenden Begriff „CorCooning“ kennen. Das bringt mich bei der Lektüre der Fachpresse heute früh zur Frage des Tages:

Was haben Wohnhäuser und Werbeanzeigen gemeinsam?

Nun, bei beiden kommt es darauf an, den vorhandenen Raum gekonnt zu nutzen. So wie ein stilsicher eingerichtetes Heim einladend auf Besucher wirkt, so kann ein gut gestaltetes Inserat die Betrachter überzeugen. Dabei ist es für den harmonischen Gesamteindruck jeweils unerheblich, wie viel Fläche zur Verfügung steht. Ob „Tiny House“ oder 200 qm-Villa – die jeweilige Gestaltung sollte den räumlichen Rahmenbedingungen folgen. Sicher kennen Sie das Phänomen: Je mehr Stauraum zur Verfügung steht, desto größer die Verlockung, das üppig vorhandene Terrain großzügig zu füllen (das berühmt-berüchtigte „Keller-/Speicher-/Garagen-Paradoxon“). Drastisch formuliert; je größer der Raum, desto höher auch das Risiko der Überfrachtung. Begrenzte Abmessungen zwingen zur Beschränkung auf das Notwendigste. Der „Worst Case“ tritt dann ein, wenn kleine Flächen mit zu vielen verschiedenen Elementen überfrachtet werden.

Lassen Sie uns vor diesem Hintergrund die Anzeigen der Woche betrachten, die jeweils mit relativ wenig Raum auskommen müssen, entnommen aus der Food-Fachpresse; genauer: dem Länderreport Spanien aus der aktuellen Lebensmittel Zeitung vom 20.11.2020.

Beginnen wir mit zwei Beispielen dafür, wie auf einer halben oder drittel Seite Marken, Produkte und Botschaften signalstark, klar erkennbar, und schnell verständlich kommuniziert werden:

Halbe Seite, (fast) voll genutzt:
Klare Gestaltung, prägnante Produktabbildungen und ein Siegel.
Frage: Wo ist der USP?
Quelle: Lebensmittel Zeitung
Marke und Produkte klar identifizierbar;
der Text ist auf relevanten Inhalt beschränkt.
Wirksames Drittelformat von Campofrio.
Quelle: Lebensmittel Zeitung

Sicher, auch diese Inserate könnten noch optimiert werden. Eine Botschaft dazu, warum die betrachtenden Handelsmanager die Albali-Weine listen sollten, wäre hilfreich. Das Siegel alleine ist dafür nicht ausreichend. Die Campofrio-Anzeige wäre nicht weniger überzeugend, hätte der Gestalter jeweils nur eine Produktpackung abgebildet. Dennoch: in Sachen Klarheit und der Erkennbarkeit von Markensymbolen sind diese beiden Kleinformate durchaus gelungen.

Denken Sie nun an die eingangs erwähnte Eigenschaft harmonisch wirkender Räume beim Betrachten der nächsten beiden Motive. Was fällt Ihnen auf? Richtig, die Flächen wirken überladen, unruhig und dadurch nicht einladend. Schauen wir auf die Details finden wir

  • Viele ähnlich große, konkurrierende Gestaltungselemente
  • Zahlreiche unterschiedliche Abbildungen
  • Eine große Farbenvielfalt
  • Mehrere Typo-Varianten bei der Schriftauswahl
  • Bei der Anzeige von Mühlhäuser: keine klar erkennbare Botschaft
  • Bei der Anzeige von Osborne: Schreibschrift in VERSALIEN
Halbe Seite, ganz voll und
ohne erkennbare Kommunikations-Hierarchie.
Quelle: Lebensmittel Zeitung
Die Grundgestaltung passt fürs Drittelformat.
Problematisch: Schreibschrift in Großbuchstaben.
Quelle: Lebensmittel Zeitung

In beiden Fällen würde eine gestalterische Aufräumaktion helfen, die Wirksamkeit der Motive zu erhöhen. Bei Osborne wäre der Aufwand überschaubar, bereits eine Kürzung der Texte und die Verwendung einer besser lesbaren Schrift könnte dafür ausreichen. Der Mühlhäuser-Annonce hingegen würde eine grafische und inhaltliche Komplettrenovierung gut tun.

Abschließend auch heute wieder der obligatorische Verweis darauf, dass die Bewertung von zufällig ausgewählten Anzeigenmotiven alleine dem Ziel dient, Hinweise darauf zu geben, wie B2B-Kommunikation funktioniert – oder eben auch nicht. Basis für diese Einordnungen sind zahlreiche Werbewirkungs-Studien und die als Konsens erachteten, allgemein gültigen Regeln für effektive Gestaltung. Nur zu gut weiß ich als Praktiker von den Zwängen und (scheinbar) unabänderlichen Rahmenbedingungen bei der Entwicklung von Kommunikationserzeugnissen.