Der Weg in den dunklen Werbemarkt – erst Tabak und danach?

Am Donnerstag vergangener Woche wurde per Bundestagsbeschluss die Werbung für das Rauchen in Deutschland weiter eingeschränkt. Demnach ist Kinowerbung für Tabakprodukte in Filmvorführungen mit Altersfreigaben unter 18 Jahren ab 2021 verboten. Auf Außenflächen, also 18/1-Plakaten, City-Light-Poster etc. wird Kommunikation für Zigaretten & Co. ab 2022 ebenfalls nicht mehr erlaubt sein.

Kommentiert wird die weitere Verschärfung der Werberegulierungen von der Politik, z. B. von Vertretern der Regierungsparteien. Hier als Beispiel ein Zitat von  Frau Connemann, Vize-Fraktionsvorsitzende der CDU (Quelle: dpa):

„Die Werbung richtet sich an jugendliche Nichtraucher. Und sie wirkt. Der Griff zur ersten Zigarette erfolgt im Schnitt mit 14,8 Jahren. Dabei sind Tabak und Nikotin einmalig in ihrer Gefährlichkeit und Suchtpotenz – auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch. Doch welcher Jugendliche weiß das und kann es wissen? Plakate zeigen keine Lungenkarzinome, sondern suggerieren Lebensgefühl. Es geht bei der Ausweitung der Werbebeschränkungen also um die Gesundheit junger Menschen. Diese ist unverhandelbar.“

Auf dem Weg zum „dark market“, dem also immer dunkler werdenden Geschäftsfeld für uns Vermarkter, werden die Möglichkeiten zur kommunikativen Unterstützung der Tabak-Brands immer geringer. Nun will ich mit dem heutigen Beitrag keine Wertung dieser Entwicklung vornehmen. Will einfach nur darauf hinweisen, dass wir uns nach der Beerdigung der Tabakwerbung auf Restriktionen in weiteren Warengruppen des LEH und Fachhandels einstellen sollten.

Neben Tabakerzeugnissen gibt es nämlich einige weitere „neuralgische“ Warengruppen, die – um Gitta Connemann von der Union nochmal zu zitieren – „gefährlich und suchtpotent auch beim bestimmungsgemäßen Gebrauch“ sind. Hier die Top-3 der größten Gefährdungsquellen:

1. Alkohol
Jeder, der sich auch nur ansatzweise mit Alkoholkonsum und seinen Auswirkungen auf die Gesundheit beschäftigt hat, wird nicht bestreiten, dass es sich dabei um eine effektive Droge handelt. Dass die sozialen und medizinischen Folgen von Alkoholsucht immens und die Behandlungskosten hoch sind, wissen wir ebenfalls. Falls Sie sich dazu auf den neuesten Stand bringen möchten, sei Ihnen diese Dokumentation zum Thema empfohlen.

2. Zucker
Ja, in der Tat, der süße Stoff, der offen in ganzen Kategorien so verschwenderisch genutzt wird und in anderen versteckt zum Einsatz kommt. Ganz offen begegnet uns Zucker bekanntermaßen in Schoko- und Zuckerwaren, süßen Brotaufstrichen oder Softdrinks. Für viele Shopper nicht ganz so offensichtlich, steht er auf der Ingredienzien-Liste von z. B. Würzsoßen, Fertiggerichten oder Konserven. Und, sagen Sie, in Maßen ist Zucker doch kein Problem, oder? Dies ist zumindest dann falsch, wenn wir einschlägigen Veröffentlichungen von Fachmedizinern glauben (also wie bei Tabak), die zeigen, dass Zuckerkonsum verantwortlich ist für eine Vielzahl von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Krebs usw. Zeigen auch, dass Zucker ein höheres Suchtpotenzial hat als „klassische“ Drogen, also Kokain oder Heroin.

3. Kohlenhydrate
Ok, hier müssen wir natürlich danach differenzieren, aus welchen Nahrungsquellen die Kohlenhydrate stammen. Dass „leere“ Kohlenhydrate aus Weißbrot, Brötchen oder süßen Backwaren schädlicher sind, als solche aus Obst oder Gemüse ist mittlerweile Konsens. Werden im Körper flugs in Zucker umgewandelt, s. oben. Dass aber auch weitere Kohlenhydrate-Lieferanten kritisch – weil Entzündungen fördernd – eingestuft werden können, belegt das Buch des Mediziners Wolfgang Lutz.

Die Frage für alle Beteiligten ist doch, wo verläuft die Grenze? Wo ist die Schwelle des ethisch Vertretbaren erreicht, wo überschritten? Was ist schlimmer, der durchs Rauchen verursachte Lungenschaden oder die durch Alkoholkonsum begünstigte Leberkrankheit? Ist eine Kampagne für stark zuckerhaltige Süßwaren, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, noch vertretbar?

Vor diese und ähnliche Fragen werden wir gestellt, die wir in entsprechenden Unternehmen arbeiten, die die o. g. Produkte herstellen oder für diese Unternehmen als Dienstleister tätig sind. Die Antwort kann uns keiner abnehmen, die müssen wir individuell finden. Individualität ist auch hier ein gutes Stichwort. Sicher geht es Ihnen ähnlich: ich kenne Raucher mit Mitte achtzig, die sich fröhlich ihre Zigarette nach dem Essen gönnen und dadurch keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigung spüren genau so, wie den an Lungenkrebs gestorbenen Endfünfziger. Die ihr Dessert genießende Seniorin im neunten Lebensjahrzehnt gibt es, ebenso wie den übergewichtigen Diabetes-Patienten mit Ende vierzig.

Wie wäre es also mit diesem Gedanken: jeder Verbraucher entscheidet für sich selbst, was er in welchem Ausmaß zu sich nehmen kann, ohne dass es schädliche gesundheitliche Folgen für den eigenen Körper hat. Gilt also für Tabak, gilt ebenso für weitere potenzielle „Krankmacher“ wie Alkohol, Zucker und Kohlenhydrate. Und wenn die Politik-Entscheider der Meinung sind, die Jugend sollte vor dem Einstieg in einen übermäßigen Konsum potenziell gefährlicher Substanzen durch entsprechende politische Vorgaben geschützt werden, müsste das konsequenter Weise nicht nur für Tabak, sondern eben auch u. a. für Zucker und Alkohol gelten! Ich bin weit davon entfernt, Raucher oder Tabaklobbyist zu sein, abe warum in dieser Frage mit zweierlei Maß gemessen wird, ist nicht nachvollziehbar. 

Über Ihre Meinung freut sich Ihr

gernot@ugw.de