Kassenzone 2.0 – jenseits der Quengelware

Eltern mit Kindern im Vorschulalter kennen die Situation aus eigener Erfahrung, alle anderen vom Zuschauen: Bangen Herzens nähern sich Erziehungsberechtigte mit ihren Sprösslingen der Kassenzone, wo der Nachwuchs vom goldigen Einkaufsbegleiter zum – je nach Temperament und Tagesform – tyrannischen Diktator, bettelnden Bittsteller oder schmeichelnden Charmeur mutiert, um bei Vater oder Mutter manipulativ einen Kaufimpuls auszulösen. Einen Impuls für Schokoladen- oder Zuckerwaren, versteht sich. Handel und Süßwarenindustrie wissen um die hohe Umsatz- und Ertragsbedeutung der wenigen Quadratmeter vor dem Check-out und bespielen diesen Bereich hochprofessionell mit ausgefeilten Sortimentsstrategien und Platzierungskonzepten. Unterschiedliche Tests und Studien zeigen, dass die Kassenzone in der Tat ein für Schoko-, Zucker- und Snackartikel sehr wesentlicher Präsenzbereich ist. In Märkten ohne typische „Quengelware“ an der Kasse oder an Self-Checkout-Kassen reduzieren sich die entsprechenden Süßwaren- und Snackabsätze im zweistelligen Bereich (zwischen 15 und 70 Prozent) – und dies nachhaltig!

Im Zuge der immer stärkeren Sensibilisierung der Kunden für gesunde Ernährung gibt es, dessen ungeachtet, jedoch immer wieder Versuche, die Kassenzone zum Ort frei von den typischen Impulsartikeln aus Zucker, Fett und Kohlenhydraten zu machen. Entweder radikal in Form eines Komplettverzichts im Check-out-Bereich oder in der Variante, einzelne Kassenplätze entsprechend umzurüsten und damit kleine Entspannungsoasen für Sweets-Junkies und leidgeplagte Erziehungsberechtigte zu schaffen.

Finde ich während meiner Urlaubstage im schönen Allgäu genau solch eine Kasse im V-Markt am Lechsee. Statt Mars-Riegel, Kinder Überraschung und Wrigley-Sortimenten werden dort Nüsse und Non-Food angeboten. Freilich, ein paar Fruchtgummi- und Lutschpastillen-Packungen sind auf den unteren Regalböden untergebracht, in Augenhöhe jedoch buhlen ein Seeberger Sortiment nebst Pflanzendünger, Klebestiften, Feuerzeugen etc. um die Gunst der Impulskäufer.

Kassenzone im V-Markt: (fast) ohne typische Qungelware

Damit sind die Allgäuer LEH-Mittelständler ganz auf der Linie großer Wettbewerber, wie u. a. Kaufland, der seit Jahren schon Kassen gestaltet, die frei von Quengelware sind. Dort findet sich neben Non-Food auch eine kleine Auswahl von Zeitungen/Zeitschriften.

Interessant fand ich hier die Bestückung mit gesunden Snackalternativen. Also mit Nussmischungen statt Schokoriegeln, Pralinen oder Keksen. Denn: aus aktuellen Befragungen wissen wir, dass dies von den Shoppern nicht unbedingt erwartet wird.

Wo sollten gesunde Snacks stehen? Genau, im Snackregal.
Eine zusätzliche Platzierung im Impulsbereich kann aber sicher nicht schaden!

Ganz sicher benötigt der Paradigmenwechsel von der Präsenz typischer Quengelware an der Kasse hin zu gesunden Snack-Alternativen, Non-Food oder Zeitschriften einen langen Atem. Wenn der Handel gewillt ist, seinen Beitrag zu gesünderer Ernährung der Kunden zu leisten, muss er von Herstellerseite entsprechend unterstützt werden. Heißt: eine hohe Professionalität in der Beratung seitens der relevanten Anbieter in Bezug auf diesen Flächenbereich ist gefragt. Hier haben Ferrero, Mars & Co. seit Jahrzehnten mit unzähligen CRM- und Shoppermarketing-Konzepten daran gearbeitet, die Vermarktungseffizienz bis auf Quadratzentimeter-Ebene zu optimieren. Schlüssige Platzierungskonzepte auf Basis gemeinsamer Tests werden also benötigt. Das kostet und bedeutet zunächst ein Invest in diesen Bereich. Denn: bei allem Idealismus, die Flächenrentabilität der süßen kleinen Impuls-Geber für den spontanen Abverkauf an der Kasse ist nicht ohne weiteres auszugleichen.