Affenstark und flink gebracht: Welches Liefermodell nutzen die meisten Deutschen?

Wohnen oder arbeiten Sie in einem Ballungsgebiet? Falls Sie das tun, ist es Ihnen sicher aufgefallen: Das Stadtbild hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Präzise formuliert: Die Farbpalette des innerstädtischen Verkehrs wurde um einige Facetten reicher, denn eine wachsende Zahl an Zustelldiensten unterschiedlicher Couleur liefert Lebensmittel bis zur Haustür der Kunden. Insbesondere das Corona-Jahr beschleunigte diese Entwicklung noch.

Neben den bereits etablierten Playern wie z. B. Rewe Online, myTime (Bünting), Edeka Bringmeister oder den Online-Shops von Amazon, dm und Rossmann, sowie den alten „Lieferhasen“ Bofrost und Eismann versuchen sich nun weitere Anbieter mit wettbewerbsüberlegenen USP neu am Markt zu positionieren. So bietet das niederländische Liefer-Startup Picnic in seinem derzeit abgedeckten Zustellgebiet (NRW) „BESTE PRODUKTE, GÜNSTIGSTE PREISE, GRATIS GELIEFERT“. Bei genauerem Hinsehen erkennt man schnell, die Gratislieferung in den aktuell 17 Standorten greift erst ab einem Bestellwert von 35,- €. Wann das hochbewertete Startup aus Amsterdam seinen Service auch jenseits der nordrheinwestfälischen Landesgrenzen anbieten wird, scheint derzeit noch offen zu sein. Allerdings kooperiert Picnic mit Edeka und eine weitere Expansion ist bald zu erwarten, glaubt man aktuellen Presseberichten.

Gratis-Lebensmittel-Lieferung gibt es bei
Picnic … im Liefergebiet NRW.
Bringmeister bringt ebenfalls ohne Lieferkosten …
… den ersten Kauf per App.
Auch ohne Versandkosten, aber mit Code:
Das Angebot auf der myTime-Startseite.
Amazon leidet unter der Cyber-Attacke
auf den Pickup-Partner tegut.
Nicht ganz leicht ist die Rechnung bei SuperMarkt 24:
Versandkostenfreie Lieferung ab 99 € aber unter 30 kg Bestellwert.

Die Berliner „Gorillas“ und der mittlerweile in mehreren Städten präsente „Flink“-Lieferdienst versprechen ihren Kunden eine Übergabe der bestellten Lebensmittel nach rekordverdächtigen 10 Minuten. Sie erhoffen sich mit dieser sportlichen Ansage nicht nur einen zeitlichen Vorsprung gegenüber den Wettbewerbern. Konkurrent „Knuspr“ bringt Lebensmittel zwar nicht so zügig (innerhalb 3 Stunden), dafür aber wird frisches Obst und Gemüse aus der Region offeriert.

Sorgt für kräftige Zusteller-Waden:
Gorillas Zeitlimit von 10 Minuten
für Ware picken und zum Kunden strampeln.
Der Name ist Programm:
Ultraschneller Service auch von Flink.
Kurz vor dem Start in München und Umgebung:
die Tschechische Rohlik-Tochter Knuspr.

Auch beim Blick über die Alpen erkennen wir, in Österreich und der Schweiz sind ähnliche Modelle am Start. Neue, ambitionierte Botenbetriebe fordern die Branchenriesen heraus. Besonderheit in Austria: Die Österreichische Post macht gemeinsame Sache mit dem Lieferdienst UNIMARKT.

Präsent in der gesamten Schweiz:
der Online-Supermarkt vom LEH-Riesen COOP.
Tankstellen-Shop Online:
Nur in Stadt Zürich binnen 60 Minuten geliefert.
Analog Gorillas und Flink liefert STASH
in ausgewählten Gebieten ultraschnell.
Kurz vor dem Aus: AMIGOS von Migros,
der Lieferservice für Corona-Risikogruppen.
Schnell geliefert wird in Wien von Alfies:
Jeden Tag von morgens bis nachts in einer Stunde.
Billa ruft in Österreich beim Online-Shopping
die gleichen Preise auf wie im Outlet.
Online-Präsenz vom Marktführer in Österreich:
Interspar als E-Commerce Kanal.
Unimarkt liefert gemeinsam mit der Österreichischen Post AG
– auch am Samstag!

 Fragen wir uns also als Branchenkenner und -beobachter: Warum soll das Geschäftsmodell der Lebensmittelzustellung heute funktionieren, nachdem es seit über 20 Jahren nicht gelungen ist, es profitabel zu betreiben; Beispiel Otto:

Hoffnungsfroh: Angekündigte Expansion
ins „gesamte Bundesgebiet“ von Otto im Jahr 2000 …
… und der Rückzieher kaum drei Jahre später.

Hier müssen wir differenzieren, zwischen den „Pure Playern“, die alleine vom Liefergeschäft leben, und den Multichannel-Anbietern, welche ihre stationären Märkte als „Brot-und-Butter-Geschäft“ nutzen können, um das weniger rentable Zustellbusiness nötigenfalls quer zu subventionieren.

Für die unabhängigen Online-Supermärkte stellt insbesondere der Kostenblock „Einkauf“ eine große Herausforderung dar, liegt das Beschaffungsvolumen der etablierten LEH-Schwergewichte Rewe, Edeka & Co doch um ein Vielfaches höher als das von Stand-alone-Lieferdiensten. Die Procurement-Konditionen der Etablierten sind demzufolge erheblich besser. Um hier gleichzuziehen, muss den Zustellservices eine rasche Expansion gelingen. Nur so erhalten sie die kritische Masse an Abnahmemengen, um Einkaufsvorteile erzielen und damit rentabel wirtschaften zu können.

Weitere Faktoren könnten dazu beitragen, Lieferdienste heute profitabler zu machen:

  • Automatisierung von Logistikprozessen mit KI Unterstützung
  • Effizienzerhöhung der Zustellrouten und -abwicklung mit Hilfe digitaler Anwendungen
  • Fokussierung auf dicht besiedelte, urbane Gebiete mit hoher Lieferfrequenz
  • Konzentration auf ein enges, hochrelevantes Sortiment für bestimmte Kaufanlässe (Shopping Missions)

Derzeit ein ganz besonders relevanter Faktor: Geld! Es ist momentan sehr viel Kapital im Markt und Investoren engagieren sich bereitwillig mit hohen Anschub-Finanzierungen bei neuen Geschäftsmodellen!!

Dass es in diese Richtung gehen könnte, zeigen die Ultraschnell-Services wie Gorillas und Flink, die komplett über eine Smartphone-App nutzbar sind und reichlich Kapital aus Investorenquellen eingesammelt haben.

Im Markt für Lieferdienste ist momentan also viel Bewegung und wir verfolgen gespannt, welche Angebote bei den Shoppern reüssieren werden. Experten gehen im Moment davon aus, dass sich neben den LEH-Multichannel-Betreibern maximal 1-2 der neu gestarteten Lieferdienste nachhaltig etablieren werden können. Bereits in nächster Zeit dürfte die Bereitschaft zur Online-Bestellung angesichts einer entspannteren Corona-Lage nachlassen. Die Menschen freuen sich auf Live-Erlebnisse und dazu gehört auch das Einkaufen mit allen Sinnen im stationären LEH.

Und wie sehen es die Shopper? Welches Online-Bestellmodell für Lebensmittel haben sie im Corona-Jahr denn nun am häufigsten genutzt?

Hier die Antwort: keins.