Boris Becker, Franz Beckenbauer, Jan Ullrich – überragende Könner und strahlende Sieger in ihren jeweiligen Sportarten, in denen sie nahezu sämtliche Titel und Auszeichnungen gewannen. Damit perfekte Präsenter waren für die Werbeindustrie, die ihre Popularität – erreicht durch die Meisterschaft in einer einzigen Disziplin – ausgiebig für die Vermarktung nutzte. Nutzte für so unterschiedlicher Angebote wie Nahrungs- und Genussmittel, Telekommunikation, Automobil oder Logistik – neben Sportartikeln, versteht sich. Die Aura des Erfolgreichen ließ sich scheinbar auf jedes x-beliebige Produkt, auf jede denkbare Dienstleistung übertragen. Nach Bekanntwerden steuerlicher, finanzieller und privater Unregelmäßigkeiten verblasste bei den drei Vorzeige-Sportlern der helle Schein und konnte damit die Werber und ihre Kunden nicht mehr erwärmen.
Auf die ehemalige „Lichtgestalt“ des deutschen Fußballs fiel mit hartnäckigen Gerüchten um finanzielle Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe der WM 2006 ein Schatten. Danach wurde Franz Beckenbauer allmählich von Thomas Müller, einem anderen Bayern, als omnipräsente Werbeikone abgelöst. Der Kicker mit dem Lausbuben-Lächeln konnte vor Kurzem die stolze Anzahl von 11 Werbepartnerschaften (u. a. Gillette, Rewe, Weber Grill usw.) vorweisen. Die Zielsetzung der Unternehmen auch hier: Schaffung von positiven Abstrahleffekten des Testimonials aufs angebotene Sortiment.
Diesen Mechanismus nennen wir „Halo-Effekt“ – und in der Tat umgibt erfolgreiche Sportler, Schauspieler, Moderatoren und andere populäre Personen eine Art Heiligenschein, der das Zeug dazu hat, mit seiner Strahlkraft fast ausnahmslos jede Marke mit wärmendem Licht der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die inhaltliche Korrelation zwischen Promi und beworbener Brand wird dabei vernachlässigt, sie ist für eine effektive Empfehlung des Angebots nicht zwingend erforderlich.
Der Zusammenhang kam mir heute morgen in den Sinn, als ich über aktuelle Werbepartnerschaften im Segment Wein und angrenzenden Warengruppen las. Da finden wir im Moment so unterschiedliche Markenbotschafter wie Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Die Toten Hosen, Gerard Depardieu oder den Rapper Eko Fresh. Die Qualität dieser Kooperationen ist freilich sehr unterschiedlich. Leihen Gottschalk, Jauch, die Düsseldorfer Punkrocker und der Kölner Rapper einem Erzeugnis lediglich ihre berühmte Namen, versucht sich der französische Schauspieler an eigenen Produkten aus seinem Weingut in Frankreich.
Hier die aktuellen Produkte im Einzelnen:
Die Beispiele zeigen, Intensität und Qualität von Kooperationen zwischen Marken und Prominenten können sehr heterogen sein.
Folgende Varianten zur Nutzung des Helo-Effekts kennen wir:
1.Das Testimonial präsentiert eine Dienstleistung oder ein Produkt, die ansonsten unverändert angeboten werden.
Aktuelles Beispiel: FC-Bayern-Spieler für Procter & Gamble Produkte
2.Ein Erkennungsmerkmal – z. B. die Verpackung – wird analog der Promi-Partnerschaft abgeändert
Aktuelles Beispiel: Wodka Gorbatschow im „Eko Fresh-Design“
3.Promi kreiert eine eigenständige Sorte oder Sub-Marke.
Aktuelles Beispiel: Die „Spring-in-eine-Pfütze-Torte“ der österreichischen Influencer für Coppenrath und Wiese
4.Eine komplett neue Marke wird für die Partnerschaft mit dem Testimonial entwickelt
Aktuelle Beispiele: der Gottschalk Wein bei Lidl, der Jauch Wein bei Aldi
5.Der Promi selbst entwickelt eine neue Marke; das Testimonial „steht“ für die Marke inklusive einer inhaltlich glaubwürdigen Verbindung
Aktuelle Beispiele: Gerald Depardieu Wein aus eigenem Anbau oder das Modelabel Barefoot Living von Til Schweiger
Chancen und Risiken
Die Partnerschaft zwischen Marken und Prominenten birgt Chancen und Risiken – und zwar für BEIDE Seiten! In der Tat sollten nicht nur Marketing-Manager sorgfältig prüfen, ob das Attribute-Set des gewünschten Testimonials zur Brand passt, auch die prominente Persönlichkeit muss darauf achten, wie die beworbene Marke auf ihr Image wirkt. Das Schaubild zeigt die jeweiligen Chancen und Risiken:
Fazit:
Die Partnerschaft zwischen Marken und Prominenten sorgt im besten Fall für einen sich gegenseitig verstärkenden positiven Halo-Effekt. Allerdings sind beide Seiten gut damit beraten, den jeweiligen Partner vor der Kooperation sorgfältig zu prüfen. Die bilateralen Risiken sind nicht zu unterschätzen und führen im schlimmsten Fall zu dauerhaften Imageschäden, die den Markterfolg nachhaltig gefährden können.