Mechanik-Montag: grenzenlose Begeisterung für ‚Limited Editions‘?

„Nur für kurze Zeit“, „eng begrenzte Verfügbarkeit“, „unsere Sorte der Saison“ oder „streng limitierte Auflage“ – mit solchen und ähnlichen Auslobungen versuchen Anbieter von Waren und Dienstleistungen Begehrlichkeiten bei den potenziellen Abnehmern zu schaffen. Wir als Marketing-Profis wissen, die Popularität dieser scheinbar oder tatsächlich verknappten Angebote, basiert auf folgenden psychologischen Grundlagen:

1. der Verlustangst – die Verknappung führt zur Befürchtung, etwas zu verpassen. Diese Reaktanz will beseitigt werden und schafft dadurch Begehrlichkeit, die für Impulskäufe sorgt.

2. der subjektiv höher eingeschätzten Wertigkeit – je schwieriger etwas erreichbar ist, desto wertvoller erscheint es. Gut für das begrenzte Angebot, das deshalb attraktiver wirkt als das Standard-Sortiment.

3. Erwartung der Kunden nach Abwechslung – eine Sonder-Edition mit besonderen Eigenschaften entspricht dem Wunsch nach Neuem ideal.

Im FMCG-Bereich verstehen wir unter Sonderpackungen und Limited Editions die Umgestaltung bestehender Verpackungen oder die Neuentwicklung einer temporären Verpackung für bestehende Artikel bis hin zu komplett neuen Produkten. Wir differenzieren die beiden unterschiedlichen Ausprägungen dieser Mechanik wie folgt:

– Editionen mit einer außergewöhnlichen Gestaltung der Verpackung (der Inhalt bleibt mit der Standardware identisch)

– Editionen mit neuem besonderem Inhalt / Geschmack / Rezept usw.

Inhaltlich tragen diese beiden Varianten ein breites Themenspektrum von der periodisch wiederkehrenden Geschmacksvariante („Unsere Sommer-Sorte“) über anlassbezogene Editions (z. B. zur Fußball-WM oder Weihnachten), bis zur Nutzung von Merchandise-Partnerschaften oder Promotion-Kampagnen für die Produktkonzeption.

Dazu einige Beispiele:

Sonderpackung als Limited Edition:
Jules-Mumm-Flasche in Disco-Gestaltung mit Leuchteffekt
Quelle: ProBar®
Fa MEN als Fußball-Edition mit Standard-Duschgel
Quelle: ProBar®
Die etablierten Neapolitaner Schnitten von Manner
in der Retro-Dose als Limited Edition.
Quelle: ProBar®
Special Edition als limitierte Auflage
Baileys „ApplePie“
Quelle: ProBar®
Street Food Edition von Crunchips mit Geschmack
„Pulled Pork Burger“
Quelle: ProBar®
Limited Edition als Multibuy-Angebot
Quelle: ProBar®
Urlaubs-Edition mit passendem Gewinnspiel von Ritter Sport.
Quelle: ProBar®
In limitierter Auflage:
die Fußball-Edition mit gratis Tattoo von Tchibo.
Quelle: ProBar®
Temporäres Angebot von Haribo zu Halloween:
Dark Mix als Limited Edition
Quelle: ProBar®
Zum Oktoberfest (zuhause) liefert Paulaner passendes
Equipment in limitierter Auflage.
Quelle: ProBar®
Für Fans und Sammler gut geeignet:
limited Champions League Edition von Pepsi
Quelle: ProBar®
Beliebter Anlass für Sonder-Editionen:
Jubiläum, wie hier bei Wasa …
… oder Merci.
Quelle: ProBar®

Chancen und Risiken von limitierten Angeboten

Wie bereits erwähnt, haben begrenzte Auflagen das Zeug dazu, besondere Begehrlichkeit und damit einen Kaufimpuls auszulösen. Daneben besitzen sie das Potenzial, die Absender-Marke zusätzlich mit positiven Attributen aufzuladen und Verwender intensiver emotional mit der Brand zu verbinden. Sie führen im besten Fall also zu
– starken (Impuls getriebenen) Abverkäufen am POS
– positiver Marktanteilsentwicklung
– emotionalem Marken-Mehrwert

Betrachten wir uns die Risiken dieser Mechanik, finden wir auch einige Punkte, mit denen die Veranstalter kalkulieren sollten:
1. Fehleinschätzung der Absatzmenge
Zu wenig Produktionsvolumen kann – trotz klar formulierter Begrenzung des Angebots – problematisch werden und einen medialen „Shitstorm“ verursachen. Ein Überangebot sorgt für betriebswirtschaftliche Ineffizienz und für fehlende Kaufanreize, die ja eigentlich durch die Verknappung erreicht werden sollten.
2. Gewöhnungseffekt
Werden limitierte Auflagen zu häufig angeboten, kann bei den Kunden ein Gewöhnungseffekt oder eine Überforderung entstehen. Die Sonderedition verliert dadurch den Reiz des Besonderen.

Passendes Beispiel dafür ist Ritter Sport. Mit der Einhorn Schokolade wurde vor wenigen Jahren ein Nachfrage-Hype ausgelöst, den auch die rasch erweiterten Produktionskapazitäten nicht befriedigen konnten. Das Unternehmen sah sich ob des Ansturms leer ausgegangener und frustrierter Kunden genötigt, eine Landingpage aufzusetzen, um im Dialog mit den Kunden zu moderieren.

Sorgte für Unmut bei den Kunden:
Ritter Sport Einhorn Schokolade.
Quelle: Unternehmenswebsite


Gegenbeispiel: Die „CIRCUS HALLIGALLI-Schokolade“ war nach Auskunft des Schokoladen-Spezialisten aus Waldenbuch anscheinend kein Absatzbringer, obwohl sie vom populären TV-Format inspiriert wurde.

Wenig „Halligalli“ um diese Sonder Edition von Ritter Sport
Quelle: Unternehmenswebsite


Auch hat Ritter entschieden, sich künftig auf zwei limited Editions pro Jahr zu beschränken, anstatt – wie bisher – drei Runden mit speziellen Sorten zu fahren; Stichwort: Überangebot! Lassen wir zu diesem Thema den CEO der Alfred Ritter GmbH & Co. KG zu Wort kommen: 

… wir lagen auch schon daneben. Etwa mit der HalliGalli-Schokolade, einer Tafel für dir ehemalige Sendung von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf. Doch an keiner Limited Edition verdienen wir etwas – auch nicht an der Einhorn-Tafel. Dafür sind die Stückzahlen von um die 150.000 Tafeln viel zu gering. An einem Tag verlassen insgesamt drei Millionen Tafeln unser Werk.

Interview Wirtschafts Woche mit Andreas Ronken, CEO Alfred Ritter GmbH & Co. KG.

POS-Umsetzung – Limitierung der Auflage, nicht der Aufmerksamkeit

Besonders wichtig für die Umsetzung auf der Verkaufsfläche (oder im Web) ist eine starke Präsenz des zeitlich begrenzten Angebots, um die ersehnten Impulskäufe auszulösen. Ideal sind im stationären Handel dafür prominente Sonderaufsteller mit guter Signalwirkung. Um die Wahrnehmung in der digitalen Welt zu optimieren, muss auf die effektive Nutzung von eigenen und sozialen Medien geachtet werden. Ein Hype lässt sich – s. die Ritter Sport Beispiele – nicht planen, er wird durch die professionelle Nutzung analoger und digitaler medialer Berührungspunkte mit relevanten Verwendern allerdings wahrscheinlicher. Blicken wir abschließend noch auf die Statistik der Promotion-Mechaniken 2020:

Knapp hinter den Top-10 der populärsten Mechaniken in diesem Jahr:
Sondereditionen und -verpackungen im Ranking.
Quelle: ProBar®

Wir erkennen, Limited Editions werden zwar etwas häufiger umgesetzt als Sammelaktionen und fast ebenso oft wie Code-Gewinnspiele, liegen jedoch mit knapp 3% Anteil in diesem (sehr besonderen) Promotion-Jahr deutlich hinter den führenden Hard-Selling-Mechaniken wie Multibuy, Zugaben & Co.

Möglicher Hinderungsgrund für die Nutzung dieser Mechanik könnte, neben den o. g. Risiken, auch ein Blick der Marketingmanager aufs Budget sein. Immerhin sind für die Realisierung von Sondereditionen Veränderungen bei Verpackung und ggfs. Inhalten erforderlich, die die effizienten Produktionsabläufe des Standardsortiments verlangsamen.
Weitere Kosten entstehen für u. a.:
– Entwicklung Kreatividee
– Gestaltung
– Mediale Umsetzung