POS-HOTS aktuell: Saisonale Markendehnung mit Risiken

Ein grundlegendes Attribut starker Marken ist – neben Basiskriterien wie u. a. Ubiquität (breite Distribution), hervorragende Qualität, angemessener Preis und einer hohen Kundenrelevanz aufgrund funktionalem und/oder emotionalem Nutzen – ihre Einzigartigkeit. Diese Uniqueness kann sich in ganz unterschiedlicher Weise zeigen, beispielsweise durch optische oder akustische Kennzeichen: die Audi-Ringe in Verbindung mit dem „Herzklopfen-Jingle“ oder das „Telekom-T“ samt der bekannten Klingelmelodie. Machen wir ein kleines Ratespiel; an welche Marken denken Sie z. B. bei der Vorstellung an …

… einen stilisierten angebissenen Apfel?

… das Ploppen eines Bügelverschlusses?

… dünne Schokotäfelchen mit Minzcreme-Füllung in kleinen schwarzen Tütchen?

Sehr wahrscheinlich erschienen Ihnen im Geiste das Apple-Logo, die Flensburger Bierflaschen und eine After-Eight-Packung. Auch ich bin mit diesem Mind Set unterwegs, genauer gesagt, war ich unterwegs gestern beim Rewe Händler in unserer schönen Landeshauptstadt. Finde dort eine Saisonplatzierung der Marke After Eight, die mich zum heutigen Beitrag brachte. Findet sich auf der ¼-Chep Palette der Schokowaren mit feiner englischer Note doch ein Sortiment an typischen Weihnachtsartikeln, allen voran After Eight Schoko-Nikolaus-Figuren. Da bleibe ich hängen und frage mich: trägt die Marke das noch? Sicher, die Weihnachtsmänner, -kugeln und -anhänger bieten den markentypischen Geschmacks-Mix aus Schokolade und Minze und sie sind – optisch sehr ansprechend – im Brand Design gestaltet. Was fehlt, ist aber die über Jahrzehnte gelernte, einzigartige Verpackungs- und Darreichungsform der After-Eight-Täfelchen. Also ein Merkmal, das die Marke – neben der Geschmackskombination – einzigartig macht.

Hohle Figuren statt gefüllter Täfelchen:
Markendehnung à la After Eight.

Bleiben wir beim Frankfurter Food-Giganten, finden wir eine weitere Marke, die Nestlé nun als festliches Leckerli anbietet: die KitKat Weihnachtsfiguren. Auch hier frage ich mich, schafft die Marke die Dehnung vom typischen Riegelformat mit dem ikonischen „Have a break-Knacken“ zum visuell austauschbaren Saisonartikel? Tragen alleine der Markenname, die visuelle Kennung und die typische Produktkonsistenz diese Segmenterweiterung oder wird dieser markentechnische Ausflug mit einem Verlust an Glaubwürdigkeit bezahlt, weil ein ganz wichtiger markentypischer Aspekt – das audio-visuelle Brechen des Riegels – fehlt?

Merry break mas:
Knusper-Figuren statt brechender Riegel
Quelle: Rundschau für den Lebensmittelhandel (Oktober 2020)

Auch andere Marken erliegen der Verführung des potenziellen saisonalen Zusatzgeschäfts mittels Markendehnung. Leider ohne Bild, dafür mit Beschreibung finden wir auf der Toblerone Website ebenfalls einen Weihnachtsmann. Auch hier stellt sich die Frage, ob sich die Brand einen Gefallen damit tut, die einzigartige Dreieck-Form als Produktfeature zugunsten der weihnachtlichen Zusatzumsätze wegfallen zu lassen.

Ohne Bild und die drei Ecken?
Toblerone Weihnachtsmann, versteckt auf der Website.

Einen Spagat in der Disziplin Markenführung finden wir auch beim Waldenbuchner Vorzeigeunternehmen Ritter Sport. „Quadratisch. Praktisch. Gut.“, diesen Slogan kennen Generationen von kleinen und großen Schoko-Genießern. Trifft allerdings nicht aufs gesamte Sortiment zu; mit der Ritter Sport Rum-Variante verlässt das Unternehmen die ansonsten stringente Linie der Schokolade im rechteckigen Format. In Sachen Saisonware sind die Schwaben allerdings sehr konsequent; alle Produkte zum Fest bleiben im eckigen Quadrate-Design. Kompliment!

Tanzt alkoholisiert aus der (Quadrate-)Reihe:
Ritter Sport Rum
Quelle: Unternehmens-Website
So wird aus Markendehnung eine runde Sache:
eckige Schoko-Saisonartikel zum Fest.
Quelle: Unternehmens-Website
Saisonware, die aus der Markenmitte kommt:
Winter-Tafeln von Ritter Sport
Quelle: Unternehmens-Website

Fazit
Die Dehnung des Sortiments in neue Segmente ist verlockend, bedeutet jedoch eine Gradwanderung bei der Markenführung. Ob die jeweilige Brand stabil genug ist, diese Spannung auszuhalten, muss das jeweilige Management sorgfältig abwägen. Die Gefahr der Überdehnung ist groß und damit auch das Risiko, beliebiger und austauschbarer zu werden. Die Folge: Verunsicherung der Kunden, wofür die Marke eigentlich steht. Damit ginge ein Stück Einzigartigkeit verloren und die Brand würde geschwächt. Keine ideale Voraussetzung, um im Wettbewerb – insbesondere mit den immer stärker werdenden Handelsmarken – auf Dauer zu bestehen.