New@POS: nu+ Produkte als Alternative?

Einer der großen Vorteile jugendlichen Alters ist das Recht auf ungestümen, uneingeschränkten und radikalen Idealismus. Oder – um es anders zu formulieren – das leicht zynische Zitat früherer Kapitalisten frei interpretiert: „Wer mit 20 nicht Gün wählt, hat kein Herz, wer mit 50 noch Grün wählt, hat kein Hirn“. Gilt heute erfreulicher Weise nicht mehr, heute durchdringt grünes Denken nahezu alle Altersklassen und Parteien, die Akteure in politischen Spitzenpositionen sind sich der prekären globalen ökologischen Lage grundsätzlich bewusst. Tun aber freilich viel zu wenig, um dem drohenden Kollaps des Ökosystems entgegen zu wirken, so die Macher der neuen nu+ Schokolade.

Nu‘ noch schnell die Welt retten – aber hallo!

Die drei Gründer der the nu company GmbH positionieren ihr Unternehmen als grünes Start Up, das in Sachen Einkauf, Produktion, Material und Zutaten nachhaltiger sein möchte, als es die etablierten Player, insbesondere die Großkonzerne, sind. Auf den Punkt gebracht mit der Unternehmensmission:

“Wir wollen, dass jedes Piepen an der Kasse zu einem Signal für eine gesündere und grünere Welt wird.”

Dieser Ansatz zieht sich sehr offensiv durch die Inhalte der Website und findet sich nun – parallel zur breiter werdenden Listung im LEH – auch pointiert und provokativ in der Kommunikation nach außen wieder. Wird plakativ angezeigt in Inseraten und auf Großflächen; hier das aktuelle Motiv:

Hallo-wach-Anzeige für Politik und Industrie
Quelle: Lebensmittel Zeitung

Mit diesem Motiv und den konfrontativen Aussagen lehnen sich die ehemaligen Ingenieur-Studenten weit aus dem Fenster ihres offensichtlich ökologisch sauberen Hauses. Diese Haltung will aufrütteln, will Reaktionen hervorrufen. Sie bedingt allerdings auch, dass die Basis stimmt. Dass das Sortiment, die Zutaten und die komplette Produktionskette generell besser sind als alles, was die „bösen“ Konzerne anbieten.

Lassen Sie uns deshalb einen Blick auf die Zutaten- und Nährwerttabelle eines nu+Produkts werfen und die Auflistung mit dem Profil eines vergleichbaren Erzeugnisses aus der Markenartikelindustrie vergleichen. Hier die Zutaten und Nährwerte des nu+cao Riegels:

16 g Zucker und 24 g Kohlenhydrate.
Kohlenhydrate werden vom Körper umgewandelt in … richtig, Zucker!
Quelle: Unternehmenswebsite

Und nun die entsprechenden Werte eines Yes-Riegels der Firma Nestlé mit Nüssen und Schokolade:

Gleich: Verpackung aus Papier
Anders: weniger Fett, Kohlenhydrate und Zucker als im nu+cao-Riegel
Quelle: Unternehmenswebsite

Wir erkennen, im Prinzip sind die Werte vergleichbar. Der nu+Riegel enthält tendenziell mehr Zucker, Fett und Kohlenhydrate als das Yes-Produkt. Der Zucker ist allerdings nicht zugesetzt, sondern stammt aus der  Kokosblüte. Dazu erfahren wir auf der Website:

„Zucker ist nicht gleich Zucker. Unsere Riegel enthalten nicht nur 65% weniger Zucker als vergleichbare Produkte. Wir ersetzen industriellen Zucker mit Kokosblütenzucker.“

Quelle: nu+company Website

Der unbedarfte Besucher der Internetseite erfährt an gleicher Stelle allerdings nicht, warum Kokosblütenzucker gesundheitlich unbedenklicher sein sollte als herkömmlicher Zucker. Auch bei der Verpackung dürfte den Shoppern nicht so leicht klar werden, warum die Papierverpackung der nu+Erzeugnisse den Umhüllungen der Yes-Riegel aus dem gleichen Material überlegen sein sollte.

Fazit:
Aus Sicht des Marketing-Experten hat die nu company ihre Hausaufgaben gemacht: Scharfe Positionierung, klare Haltung mit transparenter und authentischer Kommunikation, ganzheitlich nachhaltiger Ansatz und daraus abgeleitet ein Sortiment an entsprechend stimmigen Produkten. Die offene Firmenkultur und eine offensive Kampagne, die die Firmenmission nachvollziehbar transportiert runden das Bild nach außen ab. Ob es den Leipzigern gelingen wird, sich längerfristig am POS zu etablieren, wenn nach Nestlé weitere große Player in Sachen Nachhaltigkeit gleichziehen sollten, bleibt abzuwarten. Mit ihrer spitzen Positionierung hat die Company das Zeug dazu. Voraussetzung ist, dass der eingeschlagene Kurs als „Weltverbesserer“ konsequent beibehalten und langfristig glaubwürdig kommuniziert werden kann.