Mechanik-Montag: Gewinnspiele … ganz einfach?

Populäres POS-Marketing-Werkzeug

Gewinnspiele sind beliebt, sie lagen im Jahr 2019 auf Platz 5 der am häufigsten genutzten Promotion-Werkzeuge im LEH. Gemeint ist hier die „klassische“ Variante des Preisausschreibens, ohne direkten Bezug zum Produktkauf, keine Code-Gewinnspiele also (diese folgen erst auf Platz 9 im Ranking)! Als Marketing-Experte und Leser dieses Blogs wissen Sie es, einfache Glücks-Gewinnspiele haben keinen hohen direkten Effekt auf den Abverkauf, auch die Code- und Instant-Win Varianten übrigens nicht. Und je weniger Gewinne verlost werden und je geringwertiger die ausgelobten Preise sind, desto weniger interessant wird die Aktion für potenzielle Teilnehmer. Warum wird diese POS-Marketing-Mechanik dann so oft eingesetzt?

Rangreihe der POS-Marketing-Mechaniken 2019
Gewinnspiele auf Platz 5
Quelle: ProBar®

Einfache Mechanik mit überschaubaren Kosten

Die Praxis zeigt, aus zwei Hauptgründen veranstalten Verantwortliche in den Marketingabteilungen einfache Gewinnspiele:
1. Geringe Komplexität
In der Tat, ein Glücks-Gewinnspiel ist recht simpel realisierbar. Ein Thema, das direkt aus dem Attribute-Set der Marke kommt, Gewinne, die zu diesem Thema – und ins Budget – passen, das Ganze kommuniziert auf Packung, Platzierung, den Handels- und Publikumsmedien, insbesondere im Web – und fertig. Braucht es nur noch eine rasch programmierte Landingpage mit Eingabeformular oder – ganz „Old School“ – ein Postfach für die Teilnahmekarten. Je nach Anzahl der Gewinne kann das Clearing im eigenen Unternehmen, via Agentur oder einen beauftragten Gewinnspiel-Dienstleister erfolgen, natürlich ebenfalls für „kleines Geld“.
2. Indirekter Uplift-Effekt
Vor dem Hintergrund der unter 1.) dargelegten Zusammenhänge, bietet sich das Gewinnspiel zwar nicht als Abverkaufs-Mechanik per se an, dient jedoch in vielen Fällen als Vehikel, um mit einem mehr oder weniger emotionalen Content als „Themen-Promotion“ in der Zweitplatzierung auf der Fläche und/oder im Anzeigenblatt der Händler zu landen. Das heißt, nicht die Mechanik bringt den Absatzeffekt, sondern die sich daraus ergebenden Promotion-Maßnahmen.

Wie auch grundsätzlich „einfache“ Gewinnspiele in mehreren Dimensionen variiert werden können, zeigt die aktuelle POS-Marketing-Aktion der Switzerland Cheese Marketing GmbH für die Marke „Swizzrocker“.

Thekenpromotion für Schweizer Käse:
B2B-Anzeige der Switzerland Cheese Marketing GmbH

Doppeldeutiger Marken-Claim

Aus der Vielzahl von Gewinnspielen sticht die Swizzrocker-Aktion deshalb hervor, weil sie gleich mehrere bemerkenswerte Eigenschaften aufweist. Hier die leicht überzeichnete Auflistung: Beginnen wir bei dem Marken-Claim. Dieser lautet: „Die Freiheit zu genießen“. Nicht etwa: „Die Freiheit, zu genießen“, also mit Trennung des Infinitivteils durch ein Komma. Als unbedarfter Leser dieser Line stellt sich also die Frage, was nun damit genau gemeint sein könnte. Denn: Auch wenn die Rechtschreibregeln bei dieser Variante ein Komma nicht zwingend vorschreiben, würde es helfen, die Aussage besser interpretieren zu können. Ohne Komma scheint davor etwas zu fehlen. Zum Beispiel: „Dieser Käse erlaubt es Dir, die Freiheit zu genießen“. Ok, das klingt nach einer Kampagne für Ex-Häftlinge und ist sicher so nicht gedacht, auch wenn der grau-weiße Look der Markenkommunikation dafür grundsätzlich nicht ungeeignet wäre. Nein, es geht darum, die Freiheit zu haben, sich ein Genusserlebnis zu gönnen bzw. eine „Auszeit vom Käse-Alltag“ zu nehmen (O-Ton B2B-Anzeige). Fazit: sprach-affine Shopper werden schon durch den Claim dazu gebracht, sich mit der Marke zu beschäftigen, erster Pluspunkt.

Ohne Komma-Trennung nicht 100% eindeutig:
„Die Freiheit zu genießen“.
Auszeit vom Käse-Alltag für Freiheit-Genießer
Quelle: Anzeige Swizzrocker

Ein Gewinnspiel, zwei Zielgruppen

Kommen wir zur Mechanik. Wie bereits erwähnt, adressiert die Aktion sowohl die Shopper als auch die Mitarbeiter im Markt, konkret: das Personal der Käsetheke. Für beide Zielgruppen gibt es jeweils ein Teilnahmeformular auf der Aktionswebsite und verschiedene Gewinne. Die Endkunden haben die Chance auf eines von fünf Multifunktionstools von Victorinox, für die Theke wird einer von 11 ganzen 4 kg-Laiben Swizzrocker Käse ausgelobt. Auf dem digitalen Teilnahmeformular ist die Hürde für die Verbraucher höher als fürs Thekenpersonal. Während den Marktmitarbeitern eine (nicht falsch beantwortbare) Ankreuzfrage gestellt wird, müssen alle anderen kreativ werden und sich einen Swizzrocker-Spruch ausdenken. Das – eingangs skizzierte – „einfache“ Gewinnspiel ohne Kauf-Kopplung ist also nur wirklich einfach im Sinne der Abwicklung für den Veranstalter.

Fazit:
Die Dualität der Gewinnspiel-Ansprache ist clever. Damit besteht die Chance, das Thekenpersonal als neuralgische Empfehler-Gruppe für den Käsekauf intensiver mit einzubeziehen und die Aufmerksamkeit für die Marke rund um die Theke kann dadurch erhöht werden. Weniger Erfolg versprechend im Sinne hoher Responsequoten ist die Aktivierung in Richtung B2C: Die Erfahrung zeigt, dass die Teilnahmequote mit steigenden Anforderungen an die Endkunden rapide abnimmt. Mehr als die Eingabe persönlicher Daten und evtl. das Ankreuzen einer(!) Multiple-Choice-Frage darf von Teilnehmern nicht erwartet werden. Schon gar nicht, wenn die Gewinnchance so niedrig und der Gewinnwert insgesamt so gering ist, wie bei der Swizzrocker-Promotion.