„Die Online-Pure-Players machen unseren lokalen Einzelhandel kaputt. Wegen den Amazons dieser Welt rutschen der kleine Buchladen in der Seitenstraße, das Modegeschäft mitten in der Fußgängerzone und der Elektrofachhändler in dritter Generation in die Insolvenz. Auch ehemalige Giganten des stationären Multi-Sortimentshandels, die Kauf- und Warenhäuser, die über Jahrzehnte die Innenstädte prägten, werden zusehends an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt“. So das Narrativ, nicht nur im Volksmund, sondern auch die Klage zahlreicher Politiker auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene.
Natürlich wissen Sie als Marketingprofi, dass es so einfach nicht ist. Schließlich kämpft der Onlinehandel mit den identischen Rahmenbedingungen um Kunden. Abgesehen freilich vom Vorteil der 24/7-Öffnungszeiten, die nicht nur den Handelsverbänden ein Dorn im Auge sind. In der Tat ist schwer zu vermitteln, warum ein Kunde am Sonntagmorgen beim Kaffee im Online-Store stöbern, nicht aber auf der Verkaufsfläche shoppen kann. Hieße also – nach „quid-pro-quo“ – der stationäre Händler dürfte rund um die Uhr und auch am Sonntag öffnen oder der Onlineshop müsste seine Öffnungszeiten entsprechend der Flächengeschäfte anpassen. Doch darum soll es hier und heute nicht gehen. Auch nicht darum, dass die eingangs genannten „kleinen Geschäfte“ ja eigentlich genügend Zeit hatten, sich den verändernden Shopper-Gewohnheiten anzupassen und selbst entsprechende Online-Angebote auf die Beine zu stellen – nicht zuletzt mit Amazon gemeinsam.
Nein, heute möchte ich Ihnen einen Gedankenanstoß geben, warum es gerade jetzt nicht unbedingt vorteilhaft sein muss, sich komplett in den Kokon des lokalen oder regionalen Wirtschaftens zurückzuziehen. Auch wenn es allerorten Apelle gibt, sich als Anbieter verstärkt auf regionale Angebote bei Lebensmitteln, Gebrauchsgütern oder Dienstleistungen zu konzentrieren. Der Anstoß dazu kommt von einem Kollegen aus Österreich, der dies in seinem Blog sehr gut und treffend beschrieben hat.
Es scheint momentan so, als würde die Corona-Krise eine Rückbesinnung auf die Prä-Globalisierungsära befeuern. Durch den weltumspannenden Personen- und Gütertransport wurde das Virus in Windeseile rund um den Globus verbreitet. Sicher, das hätte man gern vermieden. Dennoch kann Devise jetzt nicht sein, das Rad der Zeit zurückzudrehen und sich nur auf den Heimatmarkt zu konzentrieren. Die deutsche Wirtschaft, insbesondere der Mittelstand, lebt von der Globalisierung – und dies quer durch fast alle Branchen. Diesen bedeutenden Wirtschaftsfaktor zurückzufahren, wäre töricht. Dass die Shopper saisonal, regional und damit bewusster einkaufen, steht dazu nicht im Widerspruch.
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