POS-HOTS Insight: Marketing in Zeiten des Coronavirus / Teil 1

Überraschung: An jedem siebten Ei …

… sind Bio-Hennen beteiligt! In der Tat, betrachtet man sich das Einkaufsvolumen für Eier, kommen ca. 15% davon von Bio-Erzeugern. Dies ist eines der Ergebnisse einer aktuellen GfK-Studie. Ein Weiteres ist die Steigerung der Konsumhäufigkeit von Bio-Produkten um 8 Prozent gegenüber Vorjahr. Da halten wir kurz inne und fragen uns: Bio? Was ist das eigentlich? Finden wir also nach kurzer Recherche auf der Website vom Lebensmittelverband eine sehr eindeutige Erläuterung, welche Kriterien Bio- Produkte erfüllen müssen, um das entsprechende Siegel der EU tragen zu dürfen. Lesen dort also, dass bei biologischer Erzeugung  u. a. keine chemisch-synthetischen Düngemittel verwendet,  keine genetisch veränderten Organismen und keine künstlich hergestellten Geschmacksverstärker eingesetzt werden dürfen.

Frage ich mich nach Lektüre der kleinen Abhandlung: künstliche Pestizide und Zusatzstoffe, gentechnische Veränderungen … DAS ist also die konventionelle – sprich normale – Erzeugung? Und Bio ist … naja, eben „nicht normal“? So wie „bio“ definiert ist, scheint das doch eher die Art der Erzeugung pflanzlicher und tierischer Lebensmittel zu sein, wie das über Jahrtausende Normalität war. Und – wie eingangs skizziert – entscheiden zusehend mehr Shopper auf den Verkaufsflächen in genau diesem Sinne.

Natürlich darf man sich bei auf Volumen getrimmter Erzeugung mit einem gewissen ökonomischen Preisdruck keine Illusionen machen, das was im Supermarkt als „bio“ verkauft wird, ist – um sprachlich im Bild zu bleiben – auch nicht das „Gelbe vom Ei“. Natürlich geht es Bio-Hennen nicht unbedingt hervorragend, denn auch sie teilen sich häufig Stall und Legeplatz mit tausenden anderen Artgenossinnen. Und natürlich gelten im Detail nationale Auslegungen der EU-Richtlinien für die ökologische Erzeugung. Der nächste Schritt wäre also, die Vorgaben für Bio-Lebensmittel noch klarer, strikter und einheitlicher vorzugeben und zu kontrollieren. Dennoch: der Verbraucher-Trend geht in eine richtige Richtung.

Diese Entwicklung hin zu guten Lebensmitteln, zu biologisch erzeugten, regionalen Produkten wird durch die aktuelle Krisensituation verstärkt. Die Menschen erkennen, es geht auch ohne wöchentlichen Auto-Ausflug zum 200 Kilometer entfernten Event. Hinterfragen momentan stärker, ob es im Winter unbedingt Erdbeeren aus Afrika sein müssen. Und erkennen: auch der Thailand-Trip zu Ostern oder die Karibik-Kreuzfahrt gehören nicht unbedingt zu den systemrelevanten Grundbedürfnissen der Bevölkerung. Man lebt achtsamer, ernährt sich bewusster und  besinnt sich – momentan zwar zwangsweise, aber auch mit einer gewissen Entspanntheit – auf die einfachen Dinge, zu denen auch „einfach“ erzeugte Lebensmittel aus der Region gehören.

Was bedeutet dieser Trend für die Markenartikel-Industrie?

Kommen wir vor diesem Hintergrund zur Relevanz fürs Marketing. Wie können Marken in dieser Gemengelage ihren Beitrag leisten? Wie schaffen Sie es als FMCG-Anbieter, Ihre Produkte so authentisch zu positionieren, damit sie der inneren Haltung der Shopper entsprechen?

Grundsätzlich werden – in dieser Krisenzeit noch stärker als bereits zuvor – starke Marken profitieren. Sie sorgen für einen emotionalen Anker und können mit einer klaren Haltung bei den Verbrauchern punkten. Natürlich muss diese Haltung aus dem Markenkern kommen und darf keinesfalls aufgesetzt wirken, die Kunden entlarven solches Verhalten und damit würde sich die Marke mehr schaden als nützen.

Konkrete Ansätze

Was könnten Marken also tun, um den Trend zum bewussten Konsum, der durch die Corona-Krise noch befeuert wird, zu nutzen? Hier eine kleine Auswahl aus vielen denkbaren Ansätzen, welche Aspekte Brands in der Kommunikation fokussieren könnten:
– die Marken-Historie (z. B. „Markenqualität seit x Jahren“)
– die Marken-Qualität (z. B. mit Siegeln, Verbraucher-Votings usw.)
– eine nachhaltige Erzeugung (z. B. „Gentechnik freie Lebensmittel“, Verwendung ausschließlich regionaler Zutaten)
– den Verzicht auf kritische Inhaltsstoffe (z. B. „frei von“-Auslobungen, Verzicht auf Import-Zutaten usw.)
– die Herkunft (z. B. „Zutaten nur aus xy-Region“)
– eine Haltung, basierend auf der Brand Equity
Etc.
Natürlich funktioniert auch eine Kombination aus den o. g. Ansätzen.

Für globale Marken, zu deren großen Vorteilen ja gerade Ubiquität und weltweit grundsätzlich identische Merkmale gehören, bedeutet dieser, durch die Krise verstärkte Trend, einen markenstrategischen Spagat. Hier sind die Marketing- und Trademarketing-Manager gefragt, die vom Shopper erwünschte Nähe kommunikativ herzustellen. Natürlich haben es hierbei jeweils einheimische Marken leichter, nationale, regionale oder gar lokale Bezüge in Kampagnen herzustellen. Aber auch für die Global Players bieten sich Chancen.

Hier zwei Beispiele globaler Marken und deren Kommunikation unabhängig von und während der Corona-Krise:

Globale Marke – Klingen aus Berlin

Gillette ist weltweit eine der größten Marken von Procter & Gamble aus Cincinnati, USA. Um im für Gillette bedeutenden deutschen Markt mehr regionale Nähe zu kommunizieren, hat der Rasur-Spezialist eine „Made-in-Berlin“ Kampagne entwickelt und dafür sogar ein Logo kreiert:

Aus Berlin in die Welt … Klingen für Gillette

Auch auf der Marken-Website wird dieses Thema prominent gespielt und die 80-jährige Historie der Marke in der Bundeshauptstadt erläutert.

Für das POS-Marketing bot und bietet diese Kampagne eine gute konzeptionelle „Einflugschneise“, um den Shoppern damit weitere Argumente zu liefern, die ihnen über die Kaufbarriere helfen.

Wohltaten statt Werbung

Einer der weltweit größten Werbetreibenden ist The Coca-Cola Company aus Atlanta, USA. In Zeiten der Corona Krise geht es beim Getränkeriesen allerdings nicht um Kampagnen, bei denen gemeinsame Erlebnisse, Freude im Freundeskreis, Musik, Sport oder die bekannte fröhliche, bunte Erfrischungswelt im Fokus stehen. Coke fährt momentan gar keine Kampagnen mehr im Sinne von Produktwerbung, sondern fokussiert sich auf Hilfsmaßnahmen und deren Kommunikation.

Geldspenden für den Nothilfefonds sowie 14.000 Getränkekisten gratis für das DRK
Quelle: Coke-Website

Auch hier der ganz explizite Bezug zur Hilfe in Deutschland für den Wohlfahrtsverband DRK (das „Deutsche Rote Kreuz“), um Authentizität und Nähe zu vermitteln. Der Verzicht auf klassische Kommunikationskampagnen für die Coke-Sortimente wird in diesem Rahmen offensiv kommuniziert und erhöht die Glaubwürdigkeit dieser Cause-related-Maßnahmen.

Diese beiden Beispiele sollen zeigen, dass es auch für global geführte Marken Möglichkeiten gibt, den individuellen nationalen Anforderungen mit geeigneten Kampagnen zu begegnen. Für Ihre Maßnahmen während und nach der Krise wünsche ich Ihnen viel Erfolg.