Handelskommunikation für Profis, Teil 3 / Bewertung aktueller Fachanzeigen

Letzte Woche ging es im zweiten Teil unserer kleinen Fortsetzungsreihe zum Thema Handelskommunikation um grundlegende Regeln für die Gestaltung von Salesfoldern und Fachanzeigen. Diese Gestaltungsrichtlinien sollen uns Orientierung geben, wenn wir uns heute einige aktuelle Beispiele betrachten, wie Marken ihre Botschaften zu Promotion-Kampagnen und Produkt-Neueinführungen per Anzeige in Richtung Handel transportieren. Vorausschickend noch der Hinweis, dass die Kommentierung der nachfolgenden – zufällig ausgewählten – Kreativerzeugnisse mit fachlicher Anerkennung und gebührendem Respekt den jeweils Verantwortlichen gegenüber erfolgt. Jede Kritik wird sachlich formuliert und basiert auf jahrzehntelanger Erfahrung sowie unabhängigen Testreihen und Feldstudien mit Händlern und Shoppern. Dem Autor sind zudem die Sachzwänge und in der Praxis oftmals nicht idealen Rahmenbedingungen (Timings, Entscheider-Strukturen usw.) bei der Entwicklung und Umsetzung von Handelskommunikation durchaus bewusst. 

Perfektes Timing für neue Produkte

Beginnen wir mit zwei aktuellen Motiven für Produkt-Launches und schauen auf die Anzeige von Froneri, die eine neue Sorte der Eismarke Nuii ankündigt.

Neu von Nuii: gesalzene Haselnüsse und Kaffee aus Tanzania

Wir erkennen sofort groß abgebildet das neue Produkt vor dem Hintergrund eines stimmungsvollen Landschaftsambientes und eine Zweiteilung der Anzeige in „Großes Bild, wenig Text“ oben und „Mehr Text und kleinere Bildelemente“ unten. Dazwischen als Bindeglied eine große Überschrift. Das ist gut gemacht und sorgt für Ruhe und Stabilität, was die Hürde für die Adressaten auf Handelsseite verkleinert, sich mit dieser Anzeige zu beschäftigen.

Inhaltlich wird der Launch mit einem entsprechenden „NEU“-Feld aufmerksamkeitsstark angekündigt und die Headline verbindet die Information zur Sortimentserweiterung gekonnt mit dem Hinweis auf die Geschmacksrichtung „Tanzanian Coffee“, ohne zu reißerisch oder verspielt zu sein. Über mehrfache Verwendung des Wortes „Erfolg“ in den Überschriften und dem „Bestseller“-Logo wird die gewünschte Relevanz der Marke für die Handelspartner transportiert. Da werden die – für die Händler durchaus relevanten – Belege für den Markenerfolg als vergleichsweise kleiner Text an den prägnanten Piktogrammen unten fast unter Wert geschlagen. Denn dort finden die Retail-Manager mehr als nur nett formulierte Werbesätzchen. Die Information zur Anzahl kaufender Haushalte oder die Ankündigung „massiver TV-Unterstützung“ können für die Order-Entscheidung durchaus eine Rolle spielen.

Ein wichtiger Faktor für die Bestellung ist allerdings auch der Launch-Zeitpunkt. Die entsprechende Angabe hierzu suchen wir in der Anzeige allerdings vergeblich, was verblüffend und unerklärlich ist. Wie wir aus zahlreichen Studien wissen, ist der Zeitpunkt für den Handel ein ganz entscheidender Faktor bei Aktionen und Neueinführungen der Industrie. Dass die ansonsten gut gemachte Anzeige dazu keinerlei Angaben enthält, vermindert ihre Effektivität beträchtlich.

Nehmen wir diesen Punkt als Überleitung zur Anzeige für den neuen Fruchtjoghurt von Ehrmann.

Hi Innovation!
Neuer Joghurt vom MoPro-Anbieter aus dem Allgäu

Auch hier zunächst der Blick auf die grundsätzliche Gestaltung des Motivs. Auch hier finden wir große Überschriften und eine sehr prominente Abbildung des neuen Produkts, das inklusive beschreibender Features ca. 40% der Anzeigenfläche einnimmt. Darunter noch zwei abschließende Zeilen und unten rechts das Logo. Das könnte ein grundsätzlich guter Aufbau sein. Und dennoch wirkt die Seite überfrachtet. Warum ist das so? Es gibt mehrere Gründe:

1. Zahlreiche Gestaltungselemente. Die kleinen rot-weißen „Hi“-Sprechblasen in der Haupt-Überschrift. Die vom Produkt entliehene Typo in der Headline oben und eine wieder andere Schrift unten und neben dem Becher. Ein „NEU“-Störer links, eine rotflächige Produktinfo rechts, zweifarbige Produktbeschreibungen am abgebildeten Becher, garniert mit dem dreifarbigen Markenlogo inklusive Markenclaim in Schreibschrift. Das alles sorgt für eine unruhige Gestaltung.
2. Zu viele unerhebliche bzw. nicht relevante Informationen. Die Sub-Headline „Aktiviere jetzt Deine Abwehrkräfte!“ ist sicherlich aus der Endkunden-Kommunikation entliehen, da nicht davon auszugehen ist, dass Ehrmann alle Händler duzt. Warum steht das in einer B2B-Anzeige? Unklar! Ebenso fraglich, warum die Aufzählung der Produktmerkmale – per Störer und schräg gesetztem Text am Produkt – so viel Raum einnimmt, die Argumentation für den Handel aber völlig fehlt. Eine klare Priorisierung der Botschaften wäre hilfreich.
3. Schrift in VERSALIEN. Immer wieder gern genommen, längere Überschriften oder Texte in GROSSBUCHSTABEN zu schreiben. Obwohl jeder Gestalter wissen sollte, dass dies ab einer gewissen Länge erheblich schwerer zu lesen ist, als Groß-/Kleinschreibung. Ein kleiner Test für Sie, liebe Leser. Welchen Satz können Sie besser und schneller lesen und verstehen:

DER ERSTE FRUCHTJOGHURT MIT DEM HIGH VITAMINKICK. ERHÄLTLICH IN DREI SORTIERUNGEN

Der erste Fruchtjoghurt mit dem High Vitaminkick. Erhältlich in drei Sortierungen.

Eben ;-))

Den betrachtenden Händlern wird also mit dieser Anzeige eine Menge abgefordert. Und, wie eingangs erwähnt, fehlt hier ebenfalls ein Hinweis auf das Launch-Datum. Immerhin, im Jahr 2020 soll sie kommen, die Vitamin-Innovation aus dem Hause Ehrmann.

Wie einfach die Platzierung von Botschaften sein kann, zeigt uns die Anzeige für head&shoulders in der April-Ausgabe vom „Rewe-Echo“. Vom Shampoo-Spezialisten gibt es eine Flasche, die zu 20% aus Gewässer- und Uferplastik hergestellt wird. Die Aufteilung der Anzeige für dieses nicht ganz einfach zu kommunizierende Thema ist klar: groß abgebildetes Produkt am Strand und wenig Text. Im Prinzip nur eine kurze Headline, oben der Hinweis ab wann das Produkt bei Rewe erhältlich ist und die Info, dass die Sonderedition nur kurze Zeit verfügbar sein wird. Als Abbinder unten sogar noch die Logistikdaten für direkte Orders. Das ist einfache, klare und effektive Handelskommunikation.

Einfach, klar verständlich:
Anzeige für Rezyklat-Flasche von head&shoulders

Promotion-Anzeigen: Veltins nutzt die Mega-Chance für gute Kommunikation

Einfach, klar und effektiv ist auch das Motiv von Veltins für die MEGA-CHANCE-Promotion. Die Überschrift erklärt sofort, um was es geht, nämlich um ein Instant-Win-Gewinnspiel, bei dem es Preise im Wert von über 7 Millionen Euro zu gewinnen gibt.

Gewinne, Gewinne, Gewinne:
die Veltins Mega Chance im Sommerhalbjahr 2020

Mini-Exkurs: Wie Sie als erfahrene Leser dieses Blogs mittlerweile wissen, können die Brauer aus dem Sauerland diese stolze Summe ausloben, weil die Gewinne nicht garantiert unter allen Teilnehmern verlost werden (Glücks-Gewinnspiel), sondern eine berechenbare Gewinnwahrscheinlichkeit angeboten wird. Es gewinnen also nur die entsprechenden Codes in den Kronkorken, die auch wirklich von den Teilnehmern eingelöst werden. Diese Mechanik kann, mit einem analog der Rahmenbedingungen errechneten Beitrag, versichert werden. Zurück zur Anzeige. Die Gewinne sind in den Kronkorken (Geldbeträge) und per Foto (Mercedes Automobile als On-Top-Gewinne) sofort erkennbar.

Optisch scheinen die Kronkorken durch die Größenrelationen auf den Betrachter zuzufliegen, die Veltins-Flasche steht prominent im Vordergrund. Alle weiteren Informationen zur Aktion sind via Bild und Text dem unteren Viertel der Anzeige zu entnehmen. Da die meisten relevanten Entscheider im Handel die Kampagne sicher noch aus dem Vorjahr kennen, sorgt die – im Vergleich zu 2019 nahezu unveränderte – Annonce für Wiedererkennbarkeit. Für Sie zum Vergleich, hier die beiden Motive in der Gegenüberstellung … entdecken Sie die Unterschiede?

Herausforderungen bei kleineren Anzeigenformaten

Reicht das Budget nicht für eine ganzseitige Anzeige, können schaltwillige Markenartikler alternative Formate buchen. Am einfachsten: eine halbe Seite im Querformat. Auf einer solchen finden wir die Kommunikation des Brotspezialisten Mestemacher für „Gourmet Pumpernickel“. Was passiert, wenn man versucht, auf einer halben Seite mehrere Botschaften unterzubringen, zeigt uns diese Anzeige sehr plastisch:

Mestemacher Gourmet Pumpernickel:
Viele Botschaften und Gestaltungselemente auf einer halben Anzeigenseite

Überschrieben mit „GOURMET PUMPERNICKEL“ beinhaltet die Annonce nicht nur das entsprechende Produkt (auf dem ebenfalls Bilder und Texte zu sehen sind) inklusive Verwendungshinweisen, sondern auch erklärende Textkästen mit diversen Auszeichnungen für die Marke und das Unternehmen sowie – prominent auf der linken Anzeigenseite – einen Hinweis darauf, dass Mestemacher „Förderer der Gleichbehandlung von Frau+Mann“ sei. Letzteres insbesondere ist zwar aller Ehren wert, die Anzeige wirkt jedoch nicht zuletzt dadurch sehr überladen und zu unruhig, um eilige Handelsentscheider beim Durchblättern zu packen.

Wie man sogar auf weniger als einer halben Zeitschriftenseite einfach, klar und schnell kommunizieren kann, zeigt Schamel für seinen „Bayrischen Meerrettich“ auf einer Drittelseite im Hochformat.

Scharf kalkuliert: Drittelseite im Hochformat von Schamel

Eine Meerrettich-Pflanze, die aus dem Glas zu kommen scheint, als Blickfang, überschrieben mit der klaren Handelsansprache „Natürlicher Wachstumstreiber für Ihr Meerrettichregal“, darüber das Logo und darunter einige „Hard Facts“. Fertig. Einziges Manko: Die Headline mit den etwas sperrigen Begriffen „WACHSTUMSTREIBER“ und „MEERRETTICHREGAL“ in VERSALIEN. Doch darüber, wie schwierig es ist, Gestaltern die ‚VERSALITIS‘ abzugewöhnen, schreibe ich vielleicht ein anderes Mal.

Fazit:
Stimmige und effektive Anzeigen für die B2B-Kommunikation zu entwickeln ist nicht trivial. Selbst wenn formal alle Faktoren beachtet werden, die erforderlich sind, um die Botschaft zu adressieren, besteht durch unzureichende Gestaltung die Gefahr, dass die Anzeige nicht die gewünschte Wirkung beim Handelsmanager erreicht. Deshalb ist es – auch für Profis, die sich täglich damit beschäftigen – essenziell, sich die Regeln für professionelle Handelskommunikation immer wieder bewusst zu machen und die kreativen Erzeugnisse entsprechend selbstkritisch zu prüfen.

Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg!