Einige der großen Themen, mit den denen wir uns im Marketing aktuell beschäftigen sind – neben der allgegenwärtigen Digitalisierung – u. a. Kundenzentriertheit, Persona-Modelle und Customer Journeys. Nicht voneinander losgelöst freilich, sondern ineinander verwoben und interdependent.
Die Wochenendlektüre der einschlägigen Marketingfachpresse bot allerlei Erhellendes zu diesem Themenspektrum. Marktforscher verglichen die Customer Journey in ihren Fachbeiträgen wahlweise mit einer Fahrt auf der Achterbahn oder einem Marsch durch den (Touchpoint-)Dschungel.
In all den interessanten Beiträgen ließ mich ein Satz innehalten:
„Auch früher hat ‚der Verbraucher‘ nicht ‚einfach‘ ein Auto oder eine Waschmaschine gekauft.“
Hingeschrieben von Esther Hestermann, Client Service Director der Marktforschungsfirma „EarsandEyes“. Gemeint als Konter auf die Äußerung des WiWo-Kolumnisten Thomas Koch, den sie wie folgt zitiert:
„Früher sahen Verbraucher etwas und kauften es. Heute begeben sie sich dabei auf eine mysteriöse Reise, die es sündhaft teuer zu erforschen gilt“.
Diesen leicht ironisch gefärbten Satz kann man als Marktforscherin natürlich so nicht stehen lassen. Konterkariert diese Haltung doch das ureigene Geschäftsmodell. Verständlich und nachvollziehbar. Auch ich begebe mich mit meinen Kunden analysierend auf die Spuren verwobener Konsumentenreisen von Bedarf bis Kauf. Und in der Tat ist es für die Strukturierung eines Entscheidungs- und Kaufprozesses äußerst hilfreich, die einzelnen Kundenkontaktpunkte und ihre Relevanz für die Kaufentscheidung zu untersuchen. Ein nützliches Werkzeug dafür ist eine marktforschungsgestützte Customer-Touchpoint-Analyse (CuTop). Sie gibt Aufschluss darüber, ob bzw. wie der Vermarktungs-Mix justiert werden muss, um das Marketingbudget effizienter einzusetzen.
Dennoch wurde ich stutzig, hat mich der Satz von Frau Hestermann doch herausgefordert. Denn zwei voneinander unabhängige Ereignisse der jüngsten Vergangenheit aus meinem unmittelbaren persönlichen Umfeld relativierten sowohl die These der Marktforscherin als auch entsprechende gängige Marketing-Prämissen über Kaufprozesse.
Fall 1 rekrutiert sich direkt aus meinem eigenen Haushalt. Hatte doch unser Wäschetrockner nach langen Jahren zuverlässiger Arbeitserfüllung seinen Dienst quittiert. Rücksichtsvollerweise tat er dies inmitten einer stabilen Schönwetterperiode, sodass sich ein Zeitfenster für Freilufttrocknen und einen fundierten Nachbesetzungsprozess der vakanten Position im Wäschekeller öffnete. Der komplette Ablauf der „Kundenreise“ bestand nun darin, dass meine Frau kurzerhand das Nachfolgemodell unseres defekten Trockners beim Elektrofachmarkt ihres Vertrauens bestellte. Online. Auf der Website des Marktes und „einfach so“. Kein Studium von Testberichten, kein Austausch mit Freunden, keine Konsultation von digitalen Vergleichsportalen oder analogen Fachberatern. Aber halt, bestellte sie wirklich nur „einfach so“ oder trug nicht viel eher die Marke des Vertrauens (eine der Top-5 Marken der „Weißen Ware“) durch jahrelange Zuverlässigkeit dazu bei, die Customer Journey auf ein Minimum zu verkürzen?
Schauen wir uns Fall 2 an. Einer meiner Freunde stand vor der Entscheidung, sich einen neuen (Gebraucht-)Wagen zu kaufen. Seine „Customer Journey“ bestand im Besuch seiner bisherigen Werkstatt des Vertrauens, die zusätzlich Gebrauchtwagen anbietet. Der Händler empfahl ihm ein für seine Zwecke geeignetes Fahrzeug, welches er nach optischem Augenschein und Probefahrt kurzerhand kaufte. „Einfach so“. Auch hier finden wir also eine sehr kurze, zielgerichtete Reise von Bedarf bis Kauf vor. Das Grundvertrauen in den Absatzmittler und der Glaube an die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Marke gaben hier den Ausschlag.
Fazit:
Die Analyse der Customer Journey unterschiedlicher Shopper-Typen und deren Einkaufsmissionen ist eine wesentliche Aufgabe, um alle relevanten Kundenkontaktpunkte von Bedarf bis Kauf (Nachkauf) effektiv zu bespielen. Darüber sollte allerdings die Basisarbeit im Marketing, das Aufbauen von Kundenvertrauen, nicht vernachlässigt werden. Die Kontaktpunkte entlang der Customer Journey effektiv zu bedienen, ist ein relevanter Erfolgsfaktor. Das Vertrauen in die Marke jedoch kann dafür sorgen, dass die Reise von Bedarf bis Kauf nicht nur sehr effektiv, sondern auch effizient kurz ist.
Das Fazit der beiden Praxisbeispiele aus dem Bereich der technischen Gebrauchsgüter lässt sich übrigens auf die FMCG-Branche übertragen, auch wenn dort – Stichwort Impulskauf – andere Mechanismen greifen. Schafft es eine Brand, mit permanent hervorragender Markenarbeit die Basis für ein stabiles Kundenvertrauen zu errichten, trägt dieses Fundament zum nachhaltigen Absatzerfolg bei.
Gestützt wird diese These durch eine Studie der Berater von PwC, wonach die Hauptgründe für den Kauf von Markenprodukten in den guten und langjährigen Erfahrungen mit der Marke liegen (bis 68%).
https://www.pwc.de/de/handel-und-konsumguter/pwc-studie-markenvertrauen.pdf