Kommunikation für Sommerdrinks – die Anzeigen der Woche (1/2)

Heute nutzen wir wieder einige Anzeigen aus der Fachpresse als Anschauungsmaterial, um professionelle B2B-Motive von Laienarbeit unterscheiden zu können. Dafür legen wir Regeln zugrunde, die sich in zahlreichen Untersuchungen, Studien und der Praxis von Top-Agenturen und ihren Auftraggebern als Leitlinien für effektive Kommunikation bewährt haben.

Eine markante Dose und zwei Claims („Verleiht Flüüügel“ und „Belebt Geist und Körper“) – das galt für Red Bull mehr als 15 Jahre. Von der ursprünglichen Monosorten-Konzeption hat sich die Brand mittlerweile gelöst. Neben der zuckerfreien Variante des Urprodukts bietet der Energydrink-Primus mittlerweile auch Bio-Erfrischungsgetränke unter dem Markendach „Organics by Red Bull“ an. Dazu kommen saisonal wechselnde Geschmacksrichtungen und für die „Summer Edition Kaktusfrucht“ finden wir nun eine Annonce im Aprilheft der LZ direkt.

Wir beginnen mit dieser Anzeige, weil sie ein gelungenes Beispiel dafür ist, wie wirkungsvolle Handelskommunikation funktioniert. Im Hinterkopf behalten wir die sieben Bewertungskriterien

  • 1. Zuordnung / Kontext
  • 2. Struktur / Aufbau
  • 3. Verständlichkeit / Klartext
  • 4. Ästhetik / Ausstrahlung
  • 5. Prägnanz / Kürze
  • 6. Aktivierung / Call-to-Action
  • 7. Relevanz / Fakten
Die Red Bull Sommer-Edition,
annonciert im Aprilheft der LZ direkt.

Schon auf den ersten Blick erfassen wir, um welche Marke es hier geht – die ikonische Dose und das Markenlogo sind sofort erkennbar. Der Aufbau: emotionale Inszenierung der Produktsorte inklusive Überschrift, darunter drei Textblöcke mit erklärenden Piktogrammen und abschließend noch zusätzliche Fakten. Diese Struktur ist dankbar und entspannend für den Betrachter, sie entspricht dem Betrachtungsverlauf im sogenannten „Z-Muster“ (von oben links nach unten rechts). Kommen wir zum Inhalt. Hier finden wir eine hohe Transparenz in der Botschaft und einen durchgängig klaren, unmissverständlichen Text, der ohne Verklausulierungen auskommt. Kleine Abstriche machen wir beim Punkt Ästhetik, ein Kandidat für die Art Directors Club-Festival ist das Motiv sicher nicht, was aber zugunsten der Klarheit beabsichtigt sein dürfte. In der Disziplin „Prägnanz / Kürze“ schneidet das Inserat gerade noch mit „gut“ ab. Die längeren Fließtexte in den grauen Kästen sind eher für fleißige Leser geeignet. Die Aufforderung, der „Call-to-Action“ an die Handelspartner kommt zusätzlich zur Headline mit dem Hinweis „Nur für kurze Zeit“ im runden Störerfeld an der Dose oben rechts aus. Insider allerdings wissen, dass dies – wie auch das in limitierter Auflage angebotene Produkt selbst – als Aktivierungsanreiz für die Retailer mehr als ausreichend ist, um einen Orderreiz auszulösen. Fakten schließlich, die weitere gute Gründe für eine Bestellung liefern, finden wir reichlich. Wer noch nach weiteren Argumenten sucht, mögliche kognitiven Dissonanzen zu beseitigen, der wird in den Textblöcken fündig.

Fazit: Wir finden eine Gestaltung die weder unruhig, noch überladen oder unklar wirkt. Dagegen folgt sie einer leicht nachvollziehbaren Kommunikationshierarchie, führt den Betrachter schnell zu den wichtigen Fakten und kann dadurch überzeugen. Grünes Licht also für dieses Inserat, ein gutes Exempel für effektive Handelskommunikation!

Betrachten wir uns ein anderes Beispiel einer 1/1-Annonce für ein Erfrischungsgetränk. Das Motiv vom Lohnabfüller Rauch für seinen Eistee kommt zwar deutlich emotionaler daher als das seines großen Auftraggebers Red Bull. Allerdings erkennen wir mit geschultem Auge, dass ihm wesentliche Elemente fehlen und einige Anforderungen nur ungenügend erfüllt werden.

Bei diesem Inserat stellen wir nicht alles in Frage,
einiges fehlt hier aber schon.
Rauch Eistee in der LZ vom 09.04.2021

Die Anzeige eröffnet mit der Überschrift „STELL ALLES IN FRAGE. ABER NICHT SEINEN GESCHMACK.“ Headline und Bildmotiv wurden unverändert von der Verbraucherkampagne übernommen. Diese äußerst bequeme Form der Adaption finden wir in der Fachpresse gelegentlich, jedoch birgt sie zwei entscheidende Risiken. Erstens: Der Tonalitätstransfer gelingt nicht immer einwandfrei. In unserem Beispiel mag die die Überschrift für jugendliche Kunden vermutlich frisch, frech und passend klingen, als Anrede für die Zielgruppe der Handelsmanager wirkt sie ihrem ankumpelnden Stil allerdings deplatziert. Zweitens und viel wesentlicher noch ist die Gefahr, dass die Händler mit der Botschaft inhaltlich nichts anfangen können. Es fehlt in der gesamten oberen Anzeigenhälfte, ja nahezu im kompletten Motiv das, was die Red Bull-Anzeige auszeichnet: einen unmittelbaren Kontext herzustellen und mittels Klartext zu kommunizieren.

Die eigentliche Intention des Inserats, nämlich das neue Packungsdesign der Rauch Eistees vorzustellen, wird erst nach Lektüre des Kleingedruckten im unteren Anzeigenfünftel klar. Nur darauf bezieht sich auch der blaugedruckte Hinweis im gelben Störerkreis „AB APRIL!“. Trotz der emotionalen Ausstrahlung dieser Anzeige muss also damit gerechnet werden, dass einem signifikanten Anteil der Adressaten das Rauch-Motiv mit der flotten Formulierung zwar auffällt, nach kurzer Betrachtung jedoch weiter geblättert wird, ohne dass die Botschaft hängen bleibt.
Fazit: Grundsätzlich ist es legitim und wichtig, ein Kampagnenmotiv durchgängig zu nutzen. Für eine effektive Handelskommunikation sollte es jedoch so adaptiert werden, dass die Kern-Botschaft schnell, klar und unmissverständlich platziert wird.

Einem akuten Anfall von VERSALITIS fiel offenkundig der Gestalter der 1/1 Anzeige für Puerto Mate Eistee anheim. Die lesenden Händler werden von der Marke im Vertrieb der Columbus Drinks GmbH in der aktuellen Ausgabe der Getränke Zeitung mit der folgenden Überschrift angedutzt:
„ER IST WIE DER CRUSH, DEN DU NIE ABGEGRIEGT HAST: NATÜRLICH, ANREGEND, VEGAN.“

Haben wir Puertomaten auf den Augen?
Der Claim ist zumindest nicht selbsterklärend.
Puerto Mate in der Getränke Zeitung vom 15.04.2021

Hier muss es sich um einen Insider-Gag handeln, Ihr unbedarfter Autor bekennt sich an dieser Stelle als Banause. Ich verstehe diesen Satz nicht (sachdienliche Hinweise dazu sind willkommen). Konsequenterweise ist auch der gesamte Fließtext in GROSSBUCHSTABEN geschrieben, daneben sind – gut erkennbar – die Produkte abgebildet. Punkten kann die Anzeige also in Sachen Kontext – die Brand ist sofort erkennbar – , Ästhetik und Aufbau. Was vermissen wir hier? Natürlich, den Klartext (die Kernbotschaft), die Prägnanz, den „Call-to-Action und die handels(!)relevanten Fakten. Es sei die vorsichtige Vermutung gestattet, dass dieses Motiv nicht von einer Agentur mit einschlägiger POS-Marketing- und Handels-Expertise stammt.

Etwas ratlos macht uns die Anzeige der Privatbrauerei Schimpfle. Pointiert könnte man sagen, die „Bazis“ aus Bayern wagten einen orientierenden Blick in Richtung westliches Nachbarbundesland und haben mit ihrem Motiv die berühmt-berüchtigte Seitenbacher-Funkkampagne textlich zu Ende gedacht. Aber sehen Sie selbst:

Die Lausbuben aus Bayern schreiben
87 mal „Bazi“ als Anzeigenfond.
Gefinden in der GZ vom 15.04.2021

In dieser Annonce bleiben (bewusst?) alle Schemata und Raster für Anzeigengestaltung unberücksichtigt. Ziel und Kernbotschaft sind eindeutig die Bekanntmachung des Sortennamens. Das dürfte mit dem Rapport des Cola-Mix Namens zweifelsfrei gelingen – Prost!