Markenführung am POS in Zeiten des „Trading-up“ im Einzelhandel

Markenverantwortliche stehen permanent vor der Herausforderung, ihre sorgsam positionierten und über Jahre, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte aufgebauten Brands dort stimmig zu präsentieren, wo sie selbst meist nur sehr eingeschränkten Einfluss auf die Umfeldfaktoren haben: auf den Verkaufsflächen der Einzelhändler. Mit die größten Anforderungen an die Markenführung in diesem Zusammenhang stellt der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und angrenzende Formate (Drogerie,-, Bau oder Elektronikfachmärkte). Dort findet der Shopper eine kaum überschaubare Vielfalt von Marken und Einzelartikeln in den unterschiedlichen Warengruppen und deren Verästelung in weiteren Unterwarengruppen. Traditionell verstand sich der Händler als Distributeur, dessen einzige Aufgabe darin bestand, die vom Hersteller gelieferten Waren an die Käufer in ausreichender Menge zu einem angemessenen Preis weiter zu geben. Durch eine sich stetig verschärfende Wettbewerbssituation – in kaum einem anderen Land gibt es eine so hohe Flächendichte wie in Deutschland – und die zunehmende Konzentration auf immer weniger, mächtiger werdende Handelsriesen, hat sich die Rolle des Händlers in den letzten 20-30 Jahren signifikant gewandelt.

Die hervorstechendste und für die Anbieterseite wesentlichste Veränderung besteht in der zunehmenden Professionalisierung des Händler- und Handelsmarken-Marketings. Noch in den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unvorstellbar, gibt es heute keine nationale Retailer-Brand mehr ohne eigene TV-Image-Kampagne. Selbst über Dekaden hartnäckige Kommunikationsverweigerer wie Aldi umgarnen die Shopper nun mit emotionalen Werbefilmen, bunten Promotion-Aktionen und ständiger Aktivität in den sozialen Netzwerken, um ihre Händlermarke in den Köpfen der Kunden zu verankern. Gleichfalls erfahren die Handelsmarken eine stetige Aufwertung, werden ähnlich professionell gemanaged wie klassische Markenartikel und – nicht selten sehr offensiv – als Hauptwettbewerber gegen jene positioniert.

Die wichtigste Stellschraube für die Händler im Rahmen des „Trading-up“ ist jedoch das Kundenerlebnis auf der Verkaufsfläche. Dort erfahren die Shopper täglich die Retailer-Brand „live“ und unmittelbar. Folgerichtig entstehen bei allen LEH-Betreibern permanent neue Filialkonzepte, die durch den gekonnten Einsatz von Architektur, Materialen, Formen, Farben, Licht und Warenpräsentationskonzepten die Einkaufsatmosphäre angenehmer und die Einkaufstour bequemer und anregender machen sollen. Ein entsprechendes Beispiel behandelte der Beitrag vom 17. Juni 2020.

Handlungsmöglichkeiten für Markenartikler

Kommen nun die Markenartikel, kommen wir Vermarkter ins Spiel. Wie können sich Marken in Outlets profilieren, die immer durchgestylter und konzeptionell klarer und stringenter werden und damit immer weniger reine Warenpräsentationsflächen sind? Wie können wir Vermarktungsimpulse in Richtung Shopper senden, wenn der Händler immer stärkere Restriktionen für die „saubere“ Warenpräsentation auf seinen Flächen vorgibt?

Beispiel Drogeriemärkte. Dort finden wir eine – insbesondere im Vergleich zu den Großflächen des LEH – besonders prekäre Situation für die Markenhersteller vor. Das Setting: verhältnismäßig geringe Fläche, ein überbordendes Warenangebot in Verbindung mit einer sehr klaren Unternehmensphilosophie, die, insbesondere bei den führenden Unternehmen dm und Rossmann, in den Outlets eine stringente Umsetzung erfährt. Heißt: immer weniger an Vermarktungsmaßnahmen ist möglich, immer geringer die Chance, außerhalb der handelseigenen Marken und Angebote auf individuell gestalteten Displays Aktionen zu präsentieren. Die Händler haben die Anspruchshaltung an die Industrie, dass jene im Rahmen von Vermarktungskampagnen die Inhalte der Retailer-Brand konzeptionell berücksichtigt, mitnimmt oder sich gänzlich an ihr ausrichtet. Sprich, über Jahrzehnte funktionierende Vermarktungsmechanismen greifen nicht mehr wie gewohnt. Die absatzstarke Bundle-Promotion, das aktivierende Multibuy-Angebot oder die effektive Zugabe-Promotion sind im Dialog mit den Händlern immer schwieriger durch- und umsetzbar. Sind also nun wir gefragt, andere Ansätze zu finden, um sowohl die Händlerseite als auch im Folgeschritt die Shopper zu überzeugen.

Ein Lösungsansatz: gemeinsame Vermarktungsprogramme entwickeln

Ein ganz aktuelles Beispiel dafür, wie es funktionieren kann, liefert der Baby- und Kinderkostanbieter Milupa. Für die Kategorie Babykost ist der Drogeriemarkt ein überproportional wichtiger Vertriebskanal. Die oben geschilderte Situation führte dazu, dass ein neuer, ein partnerschaftlicher Ansatz gefunden werden musste, um die Brand auf den Verkaufsflächen von – in diesem Beispiel – Rossmann sicht- und über weitere Kundenkontakt-Punkte erlebbar zu machen. Das Ergebnis ist ein komplettes „Marken-Entdecker-Programm“, das exklusiv für den Handelspartner aus Burgwedel entwickelt und umgesetzt wurde. Ziel: die Marke nicht nur visuell präsent machen, sondern mit einem spielerisch-edukativen Ansatz Wissen vermitteln und überzeugen! In diesem Rahmen kommen dann auch „klassische“ POS-Marketing-Werkzeuge – wie z. B. Gewinnspiele – zum Einsatz. Hier einige Screenshots als Impression:

Als Landingpage innerhalb der Rossmann-Website:
die Milupa-Entdeckerreise!
Unter dem thematischen Dach werden Vermarktungskampagnen umgesetzt
und Influencer-Content eingebaut.
Weitere Inhalte: Produktangebote und Probieraktionen.
Umfragen und Beratungsangebote runden das Themenkaleidoskop ab.

Fazit:
Die Anforderungen an Markenartikler, den Weg des „Trading-up“ im Handel mitzugehen, sind hoch und werden weiter steigen. Mit lange bewährten Mechanismen der veränderten Situation zu begegnen, ist nicht Erfolg versprechend. Neue Ideen und Konzepte sind gefragt, um Händler und Kunden analog der vorgegebenen Rahmenbedingungen inhaltlich abzuholen. Wenn Sie dazu in den Dialog einsteigen möchte, schreiben Sie mir!

gernot@ugw.de