Was wünschen sich coronagebeutelte Shopper in Lockdown-Zeiten ganz besonders? Richtig, mal wieder Urlaub machen, etwas anderes sehen als die eigenen vier Wände und endlich rauskommen – reisen, je weiter weg und exotischer, desto besser. In diese Wunschkerbe im dicken Brett der Corona-Beschränkungen schlägt Emmi mit seiner Anzeige für den Caffè Latte in der EL SALVADOR EDITION. Das Motiv vermittelt schon beim flüchtigen Betrachten jenes in der Überschrift herbeiersehnte echte Urlaubsgefühl und die Illustrationen vom Kaffeebecher wurden vom Gestalter ebenso gekonnt zur Emotionalisierung des Inserats genutzt wie die Farben für Fond und Überschrift. Als positive Benchmark (nicht nur) für B2B-Anzeigen eignet sich der sparsame Einsatz von Texten. Zwei Zeilen Headline – trotz Verwendung von Versalien sehr gut lesbar –, eine Unterzeile und einige wenige übersichtliche Störerfelder am Produkt – das war‘s. Einziger Wermutstropfen: das Bestreben, mit dem dezenten „100% Natural“-Hinweis noch eine zweite Botschaft zu platzieren. Das hätten sich die Autoren sparen können. Dennoch, die Kernbotschaft kommt schnell, klar und einfach verständlich rüber; das dürfte den avisierten Zielgruppen Lust auf die Listung der neuen Kaffeespezialität machen.
Dass das geflügelte Wort „Sex sells“ in der Verkaufspraxis nur bedingt stimmt, wissen alle, die sich intensiver mit der Wirkungsweise von Kommunikationserzeugnissen beschäftigen. Was stimmt, ist, dass Werbung mit freizügigen Fotos oder anzüglichen Texten zunächst einmal für erhöhte Aufmerksamkeit bei den Betrachtern sorgt. Die Vermutung, dass die Verwendung von spaßiger Schriftkunst ähnlich intensiv und polarisierend wirkt wie die Abbildung spärlich bekleideter Damen oder Herren, kann getrost bezweifelt werden. Für einen Schmunzler sind intelligente Wortspiele jedoch allemal gut. Dachten sich auch die Copywriter von Arla, Manner und dem Agrarmarkt Austria, die uns mit wortwitzigen Analogien erfreuen und damit textliche Würze in ihre Anzeigenmotive bringen.
Befeuert vom Engagement rühriger Streamingdienste wie Netflix & Co. erlebt das Format der TV-Serie zur Zeit eine Renaissance. Vom Mini-Umfang mit einer Handvoll Folgen bis zum Epos mit mehreren Staffeln werden Krimi-, Historien-, Drama- oder Komödienfans fündig. Mehrteiler sind derzeit auch bei den Anzeigengestaltern ein beliebtes Stilmittel, finden wir doch einige Motive in der Fachpresse, die aus mehreren Einzelelementen zusammengesetzt scheinen. Das kann gut funktionieren, wenn die jeweiligen Teile – ganz so wie gelungene Vorbilder aus dem Bewegtbildbereich – aufeinander aufbauen und in sich harmonisch abgestimmt sind. Für Fragezeichen sorgen solche Ansätze allerdings, wenn die Bindung zwischen den separaten Strängen fehlt und der gestalterische rote Faden zu dünn wird. Schauen wir uns zwei Beispiele an.
BIO FÜR ALLE verspricht Arla im Motiv für das neue Kaergarden-Mischstreichfett mit Weidemilchbutter. Die drei Teile dieser Annonce – Überschrift-Kasten, Produktabbildung und Mehrwertargumentation unten – werden von den Gestaltern durch die Verwendung der Farben und Schriften vom Produkt optisch miteinander verbunden. Damit strukturieren sie die Anzeige ohne die Harmonie zu verlieren. Die Adressaten der Botschaft werden durch die prominente Abbildung des neuen Produkts emotional gepackt und erhalten schnell und übersichtlich die erforderlichen Informationen. Ein gelungenes Beispiel also für ein mehrteiliges Inserat.
Das „neue Sauber“ zu sein beansprucht die Henkel-Tochter Love Nature für ihre Produkte. Mit dieser Haltung, positioniert auf die breiter werdende Masse ökologisch denkender Haushaltsführender, sind die in farbenfrohen Flaschen abgefüllten Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel 2020 in den Markt gestartet. Knapp zwei Millionen Flaschen wurden bisher verkauft, wie uns das Inserat vom Start-up des Düsseldorfer Weltkonzerns im Kleingeschriebenen erklärt. Dass die Texte im unteren Drittel zum Rest der Anzeige gehören, wird unvoreingenommenen Betrachtern allerdings erst nach zweitem oder dritten Hinschauen klar, denn in diesem mehrteiligen Motiv fehlt das inhaltliche Bindegarn, um ein harmonisches Gesamtgefüge zu spinnen. Durch die harten farblichen Kontraste entsteht beim flüchtigen Betrachten der Eindruck voneinander getrennter Botschaften, die sich nicht zu einem großen Ganzen verbinden. Insbesondere die langen kleingedrucken Texte im unteren Drittel laden nicht zum optischen Verweilen ein, weshalb das komplette Motiv an Wirkung verliert. Positiver Aspekt: Die prägnante Abbildung der Produkte als visueller Anker für die Zielgruppe der Handelsentscheider sorgt für eine gute Wiedererkennbarkeit der neuen Marke.