Besinnung auf die starke Marke

Die Überschrift heute könnte auch lauten: Rückbesinnung auf die etablierten Marken. In der Zeit vor Corona konnte man den Eindruck gewinnen, dass die bewährten Marken mehr und mehr zurückgedrängt werden. Durch steigende Marktanteile der private Labels, durch den Hype um Start-ups – auch im Lebensmittelbereich – und nicht zuletzt durch schlampiges Markenmanagement. In der Tat, Handelsmarken haben in vielen Warengruppen signifikante Absatzanteile erobert. Allerdings: mit den Methoden der Markentechnik! Wie an anderer Stelle bereits erwähnt: die Mitte- und Premiummarken der Händler werden mittlerweile mit ähnlicher Professionalität geführt wie Brands in einem Markenartikelunternehmen. Start-up-Companies zeichnen sich neben der üblichen (und notwendigen) Portion Idealismus und Unbeschwertheit oft durch eine Hyperspezialisierung in einem eng abgegrenzten Segment aus. Mischen dort die, nicht selten etwas schläfrigen, Marken-Platzhirsche auf und sorgen durch Disruption für Resonanz bei Händlern, Kunden und Medien. Beispiele: MyMüsli (individuelle Müslimischungen), Marmetube (Konfitüre aus der Tube ohne Zusatzstoffe), Swarm Protein (Insektenriegel), Little Lunch (Bio-Suppen), Bergtau (Smoothies zum Selbermixen) usw. Nicht zuletzt sind zahlreiche Markenartikler und Händler auf den Start-up-Zug aufgesprungen, um neue Produkte unter frischem Markennamen in den Handel zu bringen.

Kommt nun also die Corona-Krise und verändert die Situation. Sorgt dafür, dass die Bedarfsdeckung der Haushalte, die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs an erster Stelle steht und die Relevanz neuer Angebote in den Hintergrund rückt. Gilt für Innovationen etablierter FMCG-Anbieter genau so wie für Neuprodukte von Start-up Firmen. Um es plastisch zu machen: wenn die Shopper um die letzte Packung Toilettenpapier kämpfen, die einzige Mehlpackung im Regal ergattern möchten oder die übrig gebliebene Pasta-Packung aus dem Regal räumen, sinkt die Aufnahmebereitschaft für Kampagnen zu neuen Angeboten und Marken. Gerade während der Krise sei es besonders wichtig und richtig, dass Marken „unaufgeregt ihren Mehrwert kommunizieren“, wie es die Marktforscher von Yougov beschreiben. Und in diesem Zusammenhang natürlich nicht die Kommunikation zurückfahren, sondern verlässlich, stabil und erkennbar präsent bleiben.

Passend dazu die Meldung aus der Lebensmittel Zeitung von Anfang Juni:

Mit Henkel hat nun der erste Konsumgüterkonzern die Entwicklung neuer Marken wieder eingestellt. „Aktuell gibt es eine Rückbesinnung auf die etablierten großen Konzernmarken“; sagt Katharina Herzog, die Deutschland-Chefin der Kosmetiksparte.

Ob das ein Signal auch für weitere FMCG‘ler ist, ihre Engagements in die Entwicklung neuer Marken und Sub-Marken zu überdenken und das finanzielle Engagement in Start-up Firmen zu hinterfragen, sei dahin gestellt. Sicher ist jedoch, dass im Moment kein schlechter Zeitpunkt dafür sein dürfte, mit großer Ehrlichkeit zu sich selbst zu prüfen, ob sich die Investitionen in neue Unternehmungen tatsächlich rechnen. Ob neue Brands und Angebote tatsächlich das Zeug dazu haben, starke Marken zu werden. Denn jene sind auch für die Händler und deren Vermarktungskampagnen am POS von größter Wichtigkeit, wie wir wissen:

Auszug POS-Marketing-Report 2020:
Starke Marken wichtiger als Aktionspreise!

Natürlich ist dies kein Plädoyer dafür, sich alleine auf die Stärke der etablierten Marken zu verlassen und die Entwicklung neuer Angebote zu vernachlässigen. Sehr schnell werden die Shopper wieder offen für neue Impulse auf der Fläche sein. Diese können, ja müssen, gerade von etablierten Brands kommen. Neue Problemlösungen, innovative Ideen unter dem Dach der starken Marke anbieten, das gehört zum Handwerkszeug des professionellen Markentechnikers. Und ganz sicher werden wir auch künftig starke Ideen von Start-ups sehen, die sich sukzessive und mit langem Atem zur starken Marke entwickeln werden.