Mitteleuropa, so steht es im Internetlexikon zu lesen, ist „eine Region in Europa zwischen West-, Ost-, Südost-, Süd- und Nordeuropa“. Und weiter: „Geografisch gibt es keine eindeutigen Kriterien, die zur Abgrenzung herangezogen werden könnten“. Dieses Zitat beschreibt schon sehr treffend die Problematik der sauberen Abgrenzung von Lebensmitteln mit regionaler Herkunft. Denn: Der Begriff „regional“ ist keine gesetzlich geschützte bzw. definierte Angabe. Folgen wir dem Eingangszitat, könnten z. B. Äpfel aus Österreich oder Käse aus der Schweiz mit der Angabe „aus der Region“ ohne weiteres in Norddeutschland verkauft werden, kommen sie doch eben aus der Region Mitteleuropa. Da regt sich innerer Widerstand. Dies erscheint uns sofort nicht nur im übertragenen Sinne etwas weit hergeholt. Versuchen wir es anders, holen wir uns eine Anleihe aus dem Sport. Die Fußball-Regionalliga ist die vierthöchste Spielklasse in Deutschland und wird von Nord nach West und Süd unterteilt in 5 Regionen. Lässt sich diese Klassifizierung übertragen auf die Provenienz von Erzeugnissen im LEH? Nun, in der Regionalliga Nordost beispielsweise müssen die Kicker von Union Fürstenwalde immerhin 338 Kilometer bewältigen, um gegen Rot-Weiß Erfurt zu spielen. Würden wir Kartoffeln, die diese Distanz zurückgelegt haben, noch als regionales Erzeugnis durchgehen lassen?
Wir erkennen, die Definition des Begriffs „Region“ ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Auch das Bundesland – immerhin sauber geografisch abgegrenzt – taugt nur bedingt als regionale Herkunftsbezeichnung, liegen doch z. B. zwischen den beiden bayrischen Städten Berchtesgaden und Aschaffenburg schlappe 510 Kilometer. Hat das frische Obst aus Oberbayern im unterfränkischen Supermarkt also mit dem Hinweis regionaler Herkunft ein Glaubwürdigkeitsproblem?
Die Frage ist deshalb so spannend, weil gerade im Moment Lebensmittel aus der näheren Umgebung wichtiger und relevanter für die Shopper werden. Wichtiger werden beim Einkauf im Supermarkt, denn dies ist für die Mehrheit der Verbraucher (knapp die Hälfte) die präferierte Einkaufsstätte für regionale Lebensmittel. Zu lesen in einer aktuellen Umfrage von Rewe mit 2.500 Teilnehmern. Wochenmärkte folgen mit knapp 20 Prozent. Ob an der Befragung ausschließlich Rewe-Kunden teilnahmen, geht aus der Meldung zur Studie leider nicht hervor.
In der Tat findet sich kaum ein Handelsunternehmen, das die Themen Nachverfolgbarkeit von Erzeugnissen und (regionale) Herkunft nicht mit entsprechenden Inhalten besetzt und diese sowohl am POS als auch auf entsprechend gekennzeichneten Websites kommuniziert.
Schauen wir uns die aktuelle Kommunikation der „big five“ (Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Kaufland) zu diesem Thema an:
Einige selbstständige Kaufleute gehen noch einen Schritt weiter und setzen konsequent auf lokale Lebensmittel. Beispiel Edeka Gebauer aus Baden-Württemberg. Das Mehrbesitzunternehmen versteht – gestützt durch eine Umfrage – unter dem Attribut „lokal“ Erzeugnisse, die innerhalb eines Radius von maximal 25 Kilometern um den Markt herum produziert werden. Dafür hat der Händler sogar ein eigenes Label kreiert:
Weniger geeignet, um eine eindeutige Zuordnung vorzunehmen, scheint das seit 8 Jahren existierende „Regionalfenster“ zu sein. Der Verein „Regionalfenster e. V.“ vergab die entsprechende Kennzeichnung bisher an knapp 5.000 Lebensmittel, Blumen und Zierpflanzen in Deutschland. Diese Deklaration hilft den Shoppern zu erkennen, woher die Hauptzutaten eines Produkts stammen und wo diese verarbeitet wurden. Ein bewusster Einkauf regionaler Produkte wird dadurch zwar erleichtert. Eine eindeutige Definition in Sachen „Regionalität“ suchen wir aber auch beim Regionalfenster vergeblich. Auf der Website finden wir den Satz
Die im Regionalfenster angegebene Region wird von jedem Regionalfensternutzer eigenständig definiert.
Das bedeutet in der Praxis: Als Ordnungskriterien können politisch-administrative Grenzen (z. B. Bundesland), Kilometerradien („Produkt aus dem Umkreis von xy km“) oder Naturräume und sonstige Regionen („Bodensee-Äpfel“) dienen. Das Label bietet also einen enormen Handlungs-, Interpretations- und Missbrauchsspielraum. Verständlich, dass Verbraucherschützer hier Handlungsbedarf sehen und von Seiten der Politik klarere Vorgaben verlangen.
Was bedeutet nun all dies für den klassischen Markenartikel, der ja gerade nicht regional, sondern möglichst national bzw. international oder sogar global und in immer genau gleicher Erscheinungsweise verfügbar sein sollte? Wie können insbesondere Food-Anbieter den Shopper-Wunsch nach kurzen Transportwegen erfüllen? Wie können sie dem immer kritischerem Blick der Kunden auf Herkunft und Herstellung standhalten? Suchen wir nach Antworten, landen wir nach einigem Nachdenken bei den Grundlagen – nicht nur – unseres Berufs. Landen wir beim Vertrauen. Beim Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Marke, nachzulesen im „Urfaust fürs Marketing“ (Zitat Amazon-Bewertung). Schauen Sie doch mal wieder rein … es lohnt sich: