Lieferengpässe im Handel – wenn der Erfolg seine Saat auffrisst

Industrie 4.0 – bei diesem Begriff fallen uns optimierte Herstellungsprozesse, volldigitalisierte Fertigung, computergesteuerte Produktionslinien und KI-basierte Logistik ein. Wir denken an saubere Fabrikhallen ohne Arbeiter in denen der Mensch nur noch überwacht, kontrolliert und grundlegende Einstellungen vornimmt. Ein auf Effizienz getrimmter Betrieb für die auf Masse ausgelegte industrielle Fertigung von Gebrauchs- und Konsumgütern. Auch von Nahrungsmitteln, die vollautomatisch und wahlweise portionsgerecht gewogen, komponiert, vorgekocht, portioniert, eingefroren, konserviert, verpackt und lieferfähig gemacht werden. Die aktuelle Meldung, dass es bei namhaften Herstellern von Food-Produkten Lieferengpässe bei der Rohware geben soll, wirkt in diesem Szenario befremdlich. Erinnert sie uns doch daran, dass auch die modernste High-Tech-Anlage ohne Nachschub an landwirtschaftlich erzeugten nachwachsenden Rohstoffen still steht. In der Tat scheinen – Corona-bedingte – Nachfragesteigerungen von bis zu 100% in einigen Warengruppen für eine z. T. prekäre Situation bei den Herstellern zu sorgen, wie der aktuellen Fachpresse zu entnehmen ist. Es ist eine für Handel und Hersteller ungewohnte Situation, nicht primär über Preise und Konditionen zu streiten, sondern solch grundlegende Fragen wie die Lieferfähigkeit zu diskutieren. Kommen Händler doch in Erklärungsnot, wenn Maiskonserven von Bonduelle, Tiefkühlspinat von Iglo oder Gurken im Glas von Kühne nicht auf ihren Verkaufsflächen verfügbar sind.

Doch was bedeuten solche Out-of-Stocks für die Kommunikation? Mit welcher Strategie kann es gelingen, die angespannte Situation zu moderieren und ohne nachhaltigen Imageschaden zu überbrücken?

Die Herstellerseite

Für Anbieter, die mit Ernteausfällen, Rohstoffknappheit und damit temporären Lieferengpässen konfrontiert werden, heißt es, rechtzeitig mit den wichtigsten Handelspartnern zu sprechen und eine nach Kundensegmentierung sinnvolle Zuteilung vorzunehmen. Nicht die Händler, die „am lautesten schreien“ und mit den schmerzhaftesten Folterwerkzeugen im Distributionsarsenal drohen (Auslistung, Strafzahlungen usw.) sollten vorrangig beliefert werden. Analog betriebswirtschaftlicher und strategischer Analyse ermittelte Mindestliefermengen sollten für Zentral- und Streckenkunden bereit gestellt werden. Wichtig dabei: informieren, informieren, informieren! Der permanente Dialog mit den Entscheidern im Handel hilft dabei, die jeweils aktuelle Situation verständlich zu moderieren. Je besser die Warengruppenmanager im Einkauf die Situation verstehen und einschätzen können, desto eher werden sie bereit sein, Lieferausfälle zu akzeptieren. Insbesondere dann, wenn sie sehr konkrete Angaben erhalten, wann sie wieder mit einer Belieferung im gewohnten Umfang rechnen können.

Die Händlerseite

Die Retailer stehen im Spannungsfeld zwischen Lieferanten, die zu wenig Ware bereitstellen, um die gestiegene Nachfrage zu befriedigen und Shoppern, die enttäuscht vor Regallücken stehen. Die ihrem Unmut im ungünstigsten Fall beim Händler freien Lauf lassen und das Personal auf der Verkaufsfläche für fehlende Artikel verantwortlich machen. Eine solche Situation schafft Stress, schafft Anspannung und Angst vor schmerzhaften Ertragseinbußen. Diese Furcht wiederum sorgt für Aggressionspotenzial in Richtung Industrie, müssen Händler doch damit rechnen, dass ein (kleiner) Teil ihrer Kunden zum Wettbewerber wechselt, wie Befragungen zeigen. Kurzum, der Handel kann einen Teil seiner ureigenste Aufgabe der Warenversorgung nicht erfüllen.

Jedoch: auch in dieser Situation hilft eine rechtzeitige(!), klare und sehr offene Kommunikation. Gerade jetzt, mitten (oder hoffentlich schon eher am Ende) der Corona-Pandemie dürfen Marktmanager auf Verständnis bei den Kunden hoffen, dass sie Verständnis aufbringen werden, wenn es  zu einzelnen Regallücken kommt. Ideal: sie finden einen Hinweis am Regal, warum der Artikel fehlt und wann (genau) er wieder verfügbar sein wird.

Nicht schön aber zweckmäßig:
Kundeninformation bei Rewe zu Out-of-Stocks.

Helfen kann der Handel seinen Industriepartnern, wenn er ihnen aussagekräftige Absatz(Scanner-)daten zur Verfügung stellt, damit sie rechtzeitig auf einen erhöhten Abverkauf reagieren können.

Eine weitere Möglichkeit ist es, gezielt solche Sortimente mit POS-Marketing-Maßnahmen zu promoten, die weniger stark von Lieferausfällen betroffen sind und als Alternative für stark nachgefragte Kategorien dienen können. Wenn die „Renner-Artikel“ wie Iglo-Spinat oder Bonduelle-Mais knapp werden, kann es eine lohnende Investition sein, gezielt für andere Teile des Gemüse-Sortiments Aktionen zu fahren.

Aktuelle Promotions bei Globus …
… und Famila für Alternativen von Bonduelle und Iglo.
Quelle: ProBar®