Mehr als (R)egal – neue Wege für die Marke!

Die heutige Überschrift lässt es anklingen; der klassische Markenartikel wird für Händler und Kunden auf der Fläche immer unwichtiger. Wissen wir aus Marktstudien, aus Befragungen und sehen wir auch an der zunehmenden Marktanteilsbedeutung der Handelsmarken in zahlreichen Warengruppen. Das gilt natürlich weder für alle Segmente noch für jede Brand gleichermaßen und gerade in Corona-Zeiten vertrauen viele Kunden auf bekannte, etablierte Marken. Die grundsätzliche Tendenz ist allerdings über die vergangenen 5-10 Jahre eindeutig: die Bedeutung der Marken im LEH sinkt stetig, die Differenzierung zwischen klassischem Markenartikel und Handelsmarke verschwimmt aus Sicht der Shopper immer mehr, die Auswahl zwischen Beiden wird beliebiger. Dass sich die Situation im stationären Handel in den kommenden Jahren für Markenartikel zum Positiven wendet und eine Trendumkehr einsetzt, ist unwahrscheinlich. Sind doch gerade die „Fab Four“ (Aldi, Edeka, Rewe und die Schwarz Gruppe) dabei, die Real-Häuser unter sich aufzuteilen und den Lebensmittelhandel ein Stückchen weiter in Richtung Oligopol zu rücken. Die Konzentration auf wenige Anbieter und ihren Handelsmarken nimmt also weiter zu.

Welche Möglichkeiten bieten sich den etablierten Markenartiklern, wenn nicht nur die Händlermarke (also Edeka, Rewe usw.) sondern Handelsmarken immer stärker werden? Wenn ihnen zusätzlich immer mehr und immer neue hochspezialisierte Start Ups zusätzlich Marktanteile streitig machen?

Aktuell setzen die Hersteller – neben der Stärkung ihrer A-Marken mittels produkt- und kommunikationspolitischer Maßnahmen – auf die Strategie, die Brand jenseits des klassischen LEH erleb- und erwerbbar zu machen:

a) Online, per Direktvertrieb
b) Stationär, mit neuen Geschäftsmodellen

Der Versuch, sich ein wenig unabhängiger vom Absatzmittler zu machen, ist populär. Immer mehr Markenartikler vertreiben ihr Sortiment mit einem (eigenen) Online-Shop. Bieten den Kunden per E-Commerce das komplette Sortiment (mehr als in den meisten LEH Outlets) sowie zusätzliche Produkt-Sets und Leistungen an; hier einige Beispiele:

https://www.gillette.de/club/rasierklingen-abo.list

https://www.nivea.de/produkte

https://www.storck.shop/

https://shop.mars.de/

https://www.mymuesli.com/

Seit wenigen Wochen bietet nun auch Danone seine Kindernahrungsprodukte der Marken Milupa und Aptamil per E-Commerce im eigenen Onlineshop an:

https://www.milupa.de/produkte.html

Einige Hersteller gehen nun noch einen Schritt weiter. Derzeit beobachten wir, dass sich Dr. Oetker als Restaurant-Betreiber gleich in mehrerlei Hinsicht versucht. Machten die Bielefelder kürzlich noch mit der Meldung auf sich aufmerksam, dass sie unter der Marke „Pudu Pudu“ ein Pudding-Restaurant als Konzepttest in Kalifornien eröffnen wollen, inseriert der Food-Gigant nun in der aktuellen LZ eine Anzeige für das Bistro-Konzept „Frau Renate“ (angelehnt an die frühere Oetker-Werbefigur).

Angebot an Händler per B2B-Anzeige:
„Frau Renate“ als Gastro-Konzept für den LEH.
Quelle: LZ

In der kulinarischen Versorgungsstation sind Leckereien und Marken aus dem Oetker-LEH-Portfolio erhältlich (Pizza, Pudding usw.).

Zudem will der rührige Lebensmittelhersteller unter dem Gastrokonzept „Gugelhupf“ ein Café-Konzept etablieren. Wo und wie genau geht aus der Website allerdings nicht hervor. Wann dieses Modell in Corona-Zeiten und den Lockdown bedingten Schließungen tatsächlich umsetzbar sein wird, ist momentan anscheinend offen.

Passend zu diesen Unternehmungen ein Zitat vom Deutschland-Chef der Oetkers aus der aktuellen LZ:

„Hersteller wie Dr. Oetker müssen ihre Rolle überdenken, Neues ausprobieren und mehr machen, als einfach nur Produkte für die Regale des Handels zu liefern“

Hans-Wilhelm Beckmann in der LZ, Nr. 44, 30.10.2020

Sicher, im Moment sind dies eher noch Tests in Form von Pilot-Outlets und ein Selbstläufer sind Gastronomiekonzepte keineswegs – völlig unabhängig von den Beschränkungen durch die Corona-Vorgaben der Regierung. Entsprechende Aussagen in mehreren Gesprächen mit Managern aus der Food-Branche zu diesem Thema haben mich überzeugt, dass jenseits der betriebswirtschaftlichen Betrachtung auch viel Glaube an Brand Building und Abstrahleffekte erforderlich ist, um an solchen Modellen zum Markenführung festzuhalten.

Dass es allerdings für viele Marken dringend geboten ist, mehr als die pure Präsenz im Regal der Händler zu bieten, zeigt uns ein Zitat eines Handels-Praktikers und der Auszug aus dem aktuellen POS-Marketing-Report (Handelsbefragung) zum Abschluss des heutigen Beitrags:

„… halte ich es aber heute nicht mehr für ein so großes Problem, wenn Marken zeitweise nicht im Regal auftauchen.“

Kaufmann Reiner Schenke, Gütersloh zum Thema Auslistungen von Marken im Rahmen von Konditionen-Verhandlungen in der LZ; Nr. 44
Ergebnisse der Befragung von 100 Entscheidern aus dem deutschen LEH
Klare Tendenz pro Handelsmarke, mittlerweile auch im Premium-Segment.
Quelle: POS-Marketing-Report 2020
Von Vkf-Maßnahmen bis zu Start-Ups:
Trends im LEH zum POS-Marketing aus Händlersicht.