Mehr Durchblick beim Shoppen – POS-Marketing als Instrument zur Aufklärung?

Tue Gutes und rede darüber“ … diese simple Formel für das, was Marketing ausmacht, kennen Sie. Allen bekannt, die sich professionell mit unserem Metier beschäftigen. Fragen wir uns heute einmal in demütiger Selbstreflexion: Was ist es denn, das Gute?

Ein möglicher Vorschlag könnte sein, damit ein Produkt, ein Erzeugnis zu meinen, das sein Leistungsversprechen hält. Das qualitativ in Ordnung ist und zwar immer und überall. Wesentliches Merkmal eine Markenartikels, wie wir wissen.

Bringt mich zur Überlegung des heutigen Morgens. Bringt uns ins Jenseits. Keine Angst, es wird im heutigen Beitrag weder morbide noch esoterisch, sondern fleischlos. Beyond Meat nennt sich ein Startup aus den USA und ist weltweit führend bei der Herstellung von Fleischersatzprodukten, die unter dem Markendach der Unternehmensbrand angeboten werden.

Die Mission: „Essen für eine bessere Zukunft“
Quelle: Unternehmenswebsite

Positioniert also als „Das Gute“, das sich logisch abgeleitet im Vergleich begreift mit dem Schlechten, dem Original, dem Fleisch tierischen Ursprungs. Lesen wir ganz flott rein in die Veröffentlichung der Bundeszentrale für Ernährung (BZFE) zum Thema Fleischersatz:

Das Umweltbundesamt (UBA) hat in seiner Studie „Fleisch der Zukunft“ untersucht, welche Auswirkungen die Fleischalternativen auf die Umwelt haben. Dabei nahmen sie sowohl pflanzliche Fleischalternativen als auch essbare Insekten und In-vitro-Fleisch unter die Lupe. Aus Umweltsicht schneiden hier pflanzliche Fleischalternativen am besten ab. Dennoch bleiben sie hochverarbeitete Produkte und tragen nicht dazu bei, eine zukunftssichere Landwirtschaft zu fördern. Von ihnen profitieren vor allem die verarbeitende Industrie und der Handel mit hohen Gewinnspannen. Die Landwirtschaft wird in dem Bemühen um faire Einkommen und Preise nicht unterstützt

Quelle: https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/orientierung-beim-einkauf/fleischersatzprodukte/

Diesen Zusammenhängen sollten sich die 41 Prozent derer, die Fleischalternativen aus Klimaschutzgründen kaufen, also bewusst sein: hochverarbeitet und nicht zukunftsträchtig. Doch weiter, schließlich steht bei mehr als einem Drittel der Käufer die pflanzliche Alternative aus Gesundheitsgründen auf dem Einkaufs- und Speisezettel:

Zitat BZFE: Ein hoher Verarbeitungsgrad und Zusatzstoffe in den Lebensmitteln sind kritisch zu bewerten.

Kommen wir zurück zu unserem illustrativen Praxisbeispiel Beyond Meat und nehmen stellvertretend die Inhaltsstoffe des Produkts „Beyond Meatballs“ in Augenschein.

Dieser Artikel, positioniert gegen herkömmliches Hackfleisch, besteht aus folgenden Ingredienzien:

Wasser, Erbsenprotein* (14%), Canolaöl, Kokosöl, Aroma, Reisprotein, Trockenhefe, Stabilisator (Methylcellulose), Kartoffelstärke, Salz, Kaliumsalz, Gewürze, Kräuter in variablem Anteil 0,5% (Petersilie, Rosmarin, Salbei, Basilikum & Oregano), Apfelextrakt, Knoblauchpulver, Maisessig, Zitronensaftkonzentrat, Zwiebelpulver, Granatapfelextrakt, Emulgator (Sonnenblumenlecithin), Farbstoff (Rote Bete), Maltodextrin, Karottenpulver.

Da finden wir unter anderem Methylcellulose. Ist lt. Internetlexikon „der Hauptbestandteil vieler Tapetenkleister und wird unter einer Vielzahl von Handelsnamen verkauft. Sie dient zudem als Verdickungsmittel und Emulgator in verschiedenen Nahrungsmittel- und Kosmetikprodukten sowie als Bestandteil von Arzneimitteln.“ Weiter lesen wir von reichlich Salzen, zugesetztem Aroma, Extrakten und Zucker (Maltodextrin). Alles zudem nicht in Bio-Qualität und bewertet mit einem „D“ im Nutri-Score (wie z. B. Crunchips Kartoffelchips).

Ist das wirklich gesund? Sorgt das für eine „bessere Zukunft“ und falls ja, für wen?

Vergleichen wir mit den „Meatballs“ eine identische Menge von Bio-Rinderhack und haben dort:

  • Selbstverständlich keinerlei Zusatzstoffe
  • Mehr Eiweiß
  • Weniger Fett
  • Sehr viel weniger Kohlenhydrate (0,5 g vs. 7,2 g)
  • Weniger Kalorien

Keine Frage, es gibt Gründe, weniger Fleisch zu essen. Es gibt ebenfalls Gründe, auf Fleisch weitestgehend zu verzichten (Tierwohl, Umweltaspekte). Es gibt aber anscheinend ebenfalls eine Reihe von Gründen, hochverarbeitete Fleischersatzprodukte zu meiden – s. oben.

Fragen wir uns als wozu? Wozu dienen Produkte wie die „Meatballs“ von Beyond Meat? Warum helfen wir Shoppern nicht, sich zwischen zwei gesunden Alternativen zu entscheiden, ohne bedenkliche Kompromisse einzugehen? Warum nicht besser die pure Erbse als Ersatz für Protein aus Fleisch promoten statt einigermaßen komplex zusammengesetzte Produkte mit Erbsenprotein? Warum sollte man Fleischbällchen ohne Fleisch essen wollen? Warum muss es ein „Hamburger“ ohne Fleisch sein, warum die „Bratwurst“?

Die ganz starke Vermutung liegt auf der Hand: Einfach deshalb, weil der stärkste Treiber für den Kauf von Fleischalternativen auch der ist, der unser Business grundsätzlich am Laufen hält. Der dafür sorgt, dass immer wieder neue Produkte, Produktvarianten und -weiterentwicklungen am POS reüssieren. Der Shopper dazu bringt, bei neuen Warenpräsentationen zuzugreifen und neue Kategorien entstehen zu lassen. Der letztlich die Triebfeder für den Schwung des Weiterkommens ist:

Neugier

Die Frage an uns als Marketing-Profis lautet also: Wie können wir die Neugier der Shopper entfachen ohne „das Gute“ aus den Augen zu verlieren? Der stärkste Treiber laut „Trendreport Ernährung 2022“ ist für die Deutschen die klimafreundliche und nachhaltige Ernährung, gefolgt von pflanzenbasierter Ernährung. Der komplette Report ist hier zu finden inklusive der 10 Top-Ernährungstrends.

Nutzen wir diese Trends und machen etwas Gutes daraus!