Neu am POS: Fette Tüten, Bruder!

Kennen Sie Vladislav Balovatsky? Sollten Sie. Ist als Musiker erfolgreicher in Deutschland als die Beatles – gemessen an der Anzahl der Nummer-eins-Hits. Dreizehn innerhalb eines Jahres und das mit noch nicht einmal 26 Jahren. Freilich besser bekannt unter dem Künstler-Pseudonym „Capital Bra“, kurz CAPI. Was das mit POS-Marketing zu tun hat, fragen Sie? Werfen wir also einen Blick in die Tiefkühltruhen des Handels und entdecken folgendes:

Eine neue Pizzamarke namens „Gangstarella“ also. Diese transportiert nicht nur mit Salami oder Grillgemüse belegten Pizzateig in die Gefrierfächer des Landes, sondern auch die Werte des eingangs beschriebenen Deutsch-Rappers in die Haushalte.

Lesen wir doch mal, was die Lebensmittel Zeitung zum Produktlaunch schreibt:

Die sonst zurückhaltende Südzucker-Tochter (Freiberger, Berlin) schlägt mit einer Kooperation derzeit ungewohnte Töne an: Für das Musik-Label Universal Music produziert Freiberger die Pizza-Marke „Gangstarella“. Vermarktet wird sie mit dem Konterfei des Rappers Capital Bra, der vor allem unter Jugendlichen Millionen Fans hat. Binnen kürzester Zeit habe man mit „Gangstarella“ im Netz fast 200 Millionen Kontakte erzeugt, berichtet Jan Voss von Universal Music. Von der bei Edeka, Rewe und Kaufland gelisteten Pizza seien so binnen einer Woche 500 000 Stück verkauft worden. Und das bei einem für Tiefkühlpizza hohen Preis von 3,99 Euro. Bis Ende Mai will Freiberger insgesamt eine Million Pizzen an den Handel ausliefern.

LZ, 22.05.2020

Zwar wäre es an dieser Stelle sicher auch interessant, darüber nachzusinnen, was es über unsere Gesellschaft aussagt, dass ein selbsternannter „Gangster-Rapper“ die Charts anführt (um eine – im Vergleich noch relativ harmlose Liedzeile zu zitieren: „Meine Bitch sieht aus wie Sylvie van der Vaart, van der Vaart/Chill mit ihr im Hotel und sie ballert grad, ballert grad Kokain“ … aus dem Stück „Van der Vaart“, 2019) und mit welchem Mind-Set eine bislang eher „zurückhaltende Südzucker-Tochter“ in diese Kooperation geht. Wir jedoch widmen uns ausschließlich der Frage, wie diese Initiative unter POS-Marketing-Aspekten zu bewerten ist.

Privat-Label-Primus als Markenmacher

Vom milliardenschweren Handelsmarkenhersteller Freiberger wird das Produkt aktuell mit Vehemenz in die Outlets von Rewe, Edeka und Kaufland hinein verkauft. Dies sicher nicht zuletzt als Reaktion auf den enger werdenden Handelsmarken-Markt, der zunehmend auch mit Erzeugnissen aus der klassischen FMCG-Industrie (Oetker, Nestlé) bedient wird und durch sehr hohe Promotionanteile der Markenartikel (bis zu über 50%) unter Druck gerät.

Was geschieht nach dem ersten Ansturm?

Wie ist diese Initiative unter Vermarktungsaspekten zu bewerten? Kein Zweifel, der Kooperations-Coup der Berliner Pizzabäcker wird für Furore sorgen. Wird sich über die sozialen Netzwerke viral noch schneller verbreiten als Corona-Viren im Karneval – insbesondere bei der jugendlichen Zielgruppe der Pop-Rap-Fans. Ähnlich wie bei Vermarktungsinitiativen von angesagten Bloggern, dürfte zunächst ein Run auf die tiefgekühlten Merchandising-Artikel vom deutsch-ukrainisch-sibirischen Textakrobaten einsetzen. Wir erinnern uns an die leergekauften dm-Regale, als die Youtuberin Bibi Heinicke vor ca. viereinhalb Jahren ihre Produktlinie dort lancierte.

Nach dem ersten Run auf die Tiefkühltruhen im Handel wird sich zeigen, ob die Pizza leistungsmäßig mit den Wettbewerbern auf vergleichbarem Level mithalten kann (also u. a. Gustavo Gusto, Ernst Wagner Original). Bestätigt das Produkt qualitativ die Preispositionierung am oberen Ende des Segments, kann es ganz sicher für eine längere Zeit Marktanteilsgewinne verbuchen. Voraussetzung dafür ist eine bleibende Popularität des Konterfei gebenden Künstlers und eine starke physische Präsenz der Marke in der Breite des Verkaufsflächen-Universums. Zudem muss der Handelsmarken-Spezialist Freiberger schnell mit den Vermarktungsmechanismen an der Truhe zurechtkommen. Denn: sobald die Pull-Wirkung der nun noch neuen Pizza-Idee nachlässt, schlägt die Stunde des POS-Marketings. Hier sollte Team Capi auf der Fläche ähnlich treffsicher sein wie zwei der Protagonisten aus Capital Bras Hits auf dem Spielfeld: Neymar und Benzema. Um abschließend eine weitere Song-Zeile zu zitieren: „… ich packe fette Tüten, Bra“ – wir sind gespannt, ob und wie lange die „Gangstarella“ fette Beute macht.