Real schlägt digital?

Nein, vom nun gerade frisch verkauften Großflächenbetreiber ist hier nicht die Rede. Es geht ums reale analoge Erlebnis gegenüber der virtuellen digitalen Welt. Die Headline steht als Referenz zu einigen aktuellen Meldungen die aufhorchen lassen. Lassen wir doch Zitate und Meldungen der letzten Wochen sprechen:

„Die Sehnsucht nach realen Erlebnissen wächst – gerade in Kulturen (…), wo junge Leute das Handy quasi nie aus der Hand legen“
Dr. phil. Christian Mikunda, Vortragsredener und Buchautor „Hypnoästhetik“

Youtuberin und Food-Bloggerin „Sally“ eröffnet mit Sally‘s Welt einen Flagship-Store in Mannheim. So bahnt sich erstmals ein Youtube-Star (1,6 Mio. Follower) mit eigener Marke den Weg in den stationären Einzelhandel.
Lebensmittel Zeitung, Ausgabe 05/2020

Man hält sich Kunden vom Leib, indem man alle Funktionen automatisiert. Solche Firmen verlieren ihre Seele und zerstören sich selbst.
Nach dem Digitalen kommt Bio. Bio ist das Neue Analog.
Matthias Horx: Auszug aus: „Das postdigitale Zeitalter: Neun Thesen zur Digitalen Krise – und wie wir in Richtung auf eine Humane Digitalisierung vorankommen“

Über 80 Prozent der Marktmanager im deutschen LEH stimmen der Aussage zu:
„Onlineshopping-Angebote für LEH Sortimente haben bisher keine Auswirkungen auf unser Flächengeschäft“
POS-Marketing-Report 2020

Für alle POS-Professionals also Hinweise darauf, dass gerade im Moment eine (Rück-)Besinnung auf die „echten“ Erlebnisse am POS stattfinden könnte. Dass trotz aller unbestrittenen Erfordernis, sich mit digitalen Möglichkeiten und Entwicklungen zur Optimierung von u. a. Logistik-Prozessen, Datenanalysen und Kommunikation zu beschäftigen, die Live-Erfahrung mit Angeboten in der realen Welt wieder wichtiger wird.

Natürlich heißt das nicht, digitale Trends und Entwicklungen links liegen zu lassen, die für Shopper nützlich und fürs Geschäft relevant sind. Natürlich sollte man sich nicht auf das stationäre Angebot alleine verlassen. Selbstverständlich sollte man dort anbieten und präsent sein, wo die Shopper sich orientieren, unterwegs und kaufbereit sind. Und genau hier schlägt die Stunde für intelligentes POS-Marketing, das Angebote so inszeniert, dass die analoge oder digitale Shooper-Journey begleitet wird. So begleitet wird, dass der – online oder stationär – suchende potenzielle Kunde bei Bedarf schnell findet. Dass der für Inspiration empfängliche Kunde einen emotionalen Impuls erhält, auf der Website oder im Outlet. Und dass dem grundsätzlich kaufbereiten Kunden mit einem relevanten und aktivierenden „Call-to-Action“ über die letzte Kaufbarriere geholfen wird.

Passend dazu ein Zitat aus der Studie, die im Beitrag vom 28. Januar vorgestellt wurde:

Fast 60 Prozent aller Befragten möchte das gesamte Sortiment durchsuchen, nicht nur eine Vorauswahl. Smarte „Digital and Bricks“ Brands, die ihre   Online-Präsenz nutzen, um das gesamte Sortiment zu präsentieren und in ihren physischen Geschäften Besucher überraschen und begeistern, könnten   zu den Top-Performern von morgen werden. Immer mehr Verbraucher wünschen sich von ihren geliebten Online-Marken eine „Bricks & Mortar“-Strategie – besonders von den Streaming-Diensten Netflix, Spotify sowie Tinder.

Um das einzuordnen: 6 von 10 Kunden wünschen sich eine Auswahl von Produkten (oder Dienstleistungen), die das selektive Sortiment im stationären Handel bei weitem übersteigt. Klar, kein Händler kann auf seiner Fläche eine KOMPLETTE Sortimentsbreite anbieten. Auf der anderen Seite mögen die Shopper das physische Erleben von Waren im Geschäft. Was wäre also der Königsweg für diese Anforderung?

Es liegt auf der Hand: die virtuelle Auswahl, durchaus auch auf der Verkaufsfläche in Kombination mit einem Zustellservice wäre die ideale Lösung, um dem oben geschilderten Kundenbedarf zu entsprechen. Beispiel: die schöne Jacke, die schicke Hose, oder die Wunsch-Sneakers sind jeweils entweder nicht in der passenden Größe oder gewünschten Farbe im Outlet verfügbar. Statt den Shopper nun unverrichteter Dinge ziehen zu lassen, sollten die Shop-Betreiber die Möglichkeit eröffnen, den auf der Fläche ausgewählten Artikel per Zustellung in der optimalen Farbe oder richtigen Größe zu erhalten. Für dieses Modell hat sich der Begriff „Endless Aisle“ etabliert. Laut einer aktuellen EHI Studie bieten allerdings weniger als 10% der Händler diesen Service an, ein ausbaufähiges Modell also. Zur Zeit am populärsten bei den Händlern, die eine Multichannel-Strategie fahren, ist übrigens das Angebot „Click & Collect“ mit der Variante der online Bezahlung (nach dem „Click“) und vor der Abholung im Geschäft („Collect“). Der Weg, die abgeholten Artikel im Outlet erst zu bezahlen, wird jedoch nur von relativ wenigen Händlern eröffnet. Dies zeigt, dass die Services zwischen Online-Bestellung und Abholung im Geschäft noch nicht nahtlos funktionieren. Insbesondere in (großen) Unternehmen, in denen es das berühmte „Silodenken“ in Abteilungen und strikt getrennte Prozess-Verantwortlichkeiten gibt. Die vom Shopper gewünschte „seamless Customer Journey“ ist damit nicht erreichbar.