Willkommen im MoPro-Dschungel – Ausflug ins Dickicht der pflanzlichen Alternativen.

Neulich im Lockdown, die Familie spielt „Outburst“ – zu deutsch: „Ausbruch“ oder „Eruption“. Bei diesem unterhaltsamen Gesellschaftsspiel geht es darum, in 45 Sekunden 10 passende Wörter zu einem vorgegebenen Oberbegriff zu finden, die auf Fragekarten abgedruckt sind. Die Mitglieder des ratenden Teams rufen der fragenden Gegenpartei möglichst viele Begriffe zu und hoffen, dass diese Antworten zu den 10 gesuchten Wörtern auf der Karte passen. Das ist vergleichsweise einfach, wenn die Vorgabe z. B. „Hängt am Weihnachtsbaum“ lautet, schwerer tun sich viele beim Finden korrekter Antworten zu „Austragungsorte der Winterolympiade seit 1960“.

Die gesellige Runde kam mir beim Gang durch die Kühlregale mit Molkereiprodukten im Vollsortimenter meines Vertrauens in den Sinn. Innerhalb einer dreiviertel Minute alle möglichen Antworten auf den Oberbegriff „Steht im MoPro-Kühlregal“ zu finden, wäre eine „Mission Impossible“. Von Voll-, Butter-, Dick- und Magermilch über Joghurt, Kefir, saurer und süßer Sahne bis zu Butter, Quark und den unzähligen Käsevarianten reicht die Vielfalt der Gesamtkategorie. Die wichtigste Trennlinie teilt das MoPro-Sortiment in die beiden Hauptgruppen der „gelben“ (Käse, Butter …) und „weißen“ (Milch, Rahm, Joghurt …) Sortimente auf. Innerhalb dieser beiden Linien gibt es jeweils eine stattliche Anzahl an Unter-, Neben- und Sonderkategorien. Den Überblick zu behalten fällt selbst erfahrenen Warengruppenmanagern im Handel nicht leicht und nun steigen die Herausforderungen für Händler und Shopper gleichermaßen, tummeln sich doch mit den pflanzlichen Alternativen zum tierischen Molkereiprodukt unzählige neue Angebote im Markt.

Die wichtigsten Kategorien sind aktuell pflanzliche Drinks, vegetarische Joghurts und Desserts sowie Käse auf Pflanzenbasis. Am populärsten sind bei den Konsumenten Milchalternativen aus Mandel-, Soja-, Hafer- und Kokosmilch.

Das Wachstum im neuen Segment kann sich sehen lassen. Hier die Entwicklung von 2019 zu 2020 pro Kategorie nach Absatzmenge lt. IRI:

Pflanzliche Drinks  + 43%

Pflanzlicher Joghurt  +46%

Pflanzliche Desserts  +17%

Gelbe Linie auf Pflanzenbasis  +103%

Die absolute Basis ist im Vergleich zu den tierischen Originalen freilich noch sehr gering. Immerhin wurden im deutschen Handel jedoch vergangenes Jahr bereits ca. 600 Millionen Euro mit Milchersatzprodukten umgesetzt.

Ähnlich wie bei vegetarischen Fleischersatzprodukten stehen die Händler nun vor der Herausforderung, eine geeignete Platzierung für das immer umfangreichere Portfolio an vegetarischen Ersatzprodukten zum MoPro-Pendant zu finden. Das Dilemma für die Retailer: Shopper suchen die MoPro-Alternativen intuitiv im Umfeld der gekühlten Originale, allerdings könnten zahlreiche Varianten von Milch, Joghurt & Co. auf Pflanzenbasis ohne weiteres auch außerhalb der kostspieligen Kühlmöbel angeboten werden. Besonders prekär: Die Kühlung ist der kostspieligste Spot im Markt, das ahnt jeder, der den Energiebedarf seines heimischen Kühlschranks kennt.

Welche Argumente sprechen für eine Side-by-Side-Platzierung in der Kühlung, welche dagegen?

PRO:
– Direkter Vergleich zum tierischen Wettbewerbsprodukt (PRICING!) unmittelbar möglich
– Shopper finden Alternativprodukte schneller
– Kühlung vermittelt den für Shopper sehr kaufrelevanten Wert „Frische“

CONTRA:
– Begrenzter Raum in der Kühlung (und viele Alternativprodukte müssen nicht gekühlt werden) … sollten MoPro-Artikel dafür ausgelistet werden?
– Kühlung ist sehr teuer … lohnt sich die Investition in eine Erweiterung?
– Übersichtlichkeit im ohnehin schon vollen MoPro-Regal nimmt ab

Die distributionsstrategische Frage für die Flächenverantwortlichen im Handel lautet also: Platzierung der pflanzlichen Alternativprodukte direkt neben den tierischen Wettbewerbern oder in einem separaten Bereich (ggfs. in MoPro-Nähe)?

Seitens der Anbieter gibt es – zumindest in der aktuellen Fachpresse – keine hilfreichen Aussagen dazu, abgesehen von einem recht allgemein gehaltenen Hinweis der Molkerei Ehrmann:

Starke TV-Präsenz wird angekündigt, doch wo sind die
„Grünkraft“-Produkte im Markt präsent?
Anzeige von Bauer in „Milch Marketing“ (#2/2021)
Wo findet die „pflanzliche Revolution“ von Alpro statt? Im Kühlregal …
… oder auf alternativen Flächen, so wie hier?
He, du Händler … „Egal wie du dich ernährst, tu dir … beim Dessert etwas Gutes!“
Ist die Annonce von Dr. Oetker tatsächlich für B2B-Zielgruppen getextet
oder wurde eine Endverbraucher-Anzeige zweitverwertet?
Angezeigt in „Milch Marketing“ #2/2021
Soll den Umsatz „bei den Milch-Alternativen“ toppen.
Doch wo stehen die genau?
Anzeige von Ehrmann in der RUNDSCHAU (#2/2021)

Und auch bei den Fleischalternativen stellt sich die Frage: Wo genau hat der Kunde die Wahl“?

Wenn den Shoppern nicht alles Wurst ist:
Angebot aus dem Rügenwalder Mühle-Sortiment
Quelle: RUNDSCHAU #2/2021

Gestatten wir uns vor diesem Hintergrund den Blick in eine andere Kategorie. Schauen wir uns an, wo die Shopper in der Warengruppe „Salzige Snacks“ gesunde Alternativen zum herkömmlichen Sortiment im Markt finden wollen:

„Gesunde“ Snacks sollten im normalen Snackregal
neben den herkömmlichen Produkten stehen.
Quelle: Studie „Gesunde Snacks“, UGW, 2019
(Trendstudie mit 464 Interviews)

Händler, die pflanzliche Milchalternativen also in der Kühlung neben den etablierten MoPro-Originalen platzieren, scheinen grundsätzlich nicht falsch zu liegen. Dort wo das Flächenkonzept es erlaubt, könnte das jeweilige vegetarische Pendant gegebenenfalls in einem ungekühlten Regal gegenüber dem entsprechenden gekühlten Artikel platziert werden. Sicher sind noch einige CRM-Analysen auf Marktbasis erforderlich, um das perfekte Platzierungskonzept unter Berücksichtigung der relevanten Variablen wie u. a. Energieeffizienz, Anbieterwunsch, Shopper-Erfordernissen und Händlerstrategie zu entwickeln.