Highway to Hell – Gibt es einen Weg aus der „Hard-Selling-Hölle“?

Der Pakt

Wer kennt sie nicht, die Geschichten, in denen Sinnsuchende oder Verzweifelte ihre Seele als Gegenleistung für die Erfüllung eines Herzenswunschs dem Teufel verkauften. Sei es aus Streben nach Erkenntnis wie in der Sage vom wissensdurstigen und lebenshungrigen Akademiker Dr. Faustus – von Goethe in der gleichnamigen Tragödie literarisch verarbeitet und unsterblich gemacht. Sei es aus Jugendwahn, wie in Oscar Wildes Drama „Das Bildnis des Dorian Gray“, in dem statt des eitlen Protagonisten sein Antlitz auf Leinwand altert. Andere Volkssagen verwenden dieses Motiv in unterschiedlichster Ausschmückung der Handlung, jedoch immer mit dem grundsätzlich gleichen Schluss: die jeweiligen Protagonisten bereuen den Teufelspakt und suchen am Ende nach mehr oder minder kreativen und erfolgreichen Auswegen aus der drohenden ewigen Verdammnis.

Dieses plastische Bild vom Bündnis mit „dem Teil der Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft“, wie sich Mephisto im „Faust“ beschreibt, kommt mir in den Sinn, wenn ich mit Industriemanagern spreche, die mir ihr Leid vom permanenten Preisverhau ihrer Marke(n) im Handel klagen.

Der Teufelskreis der Ver-Aktionierung

Sie als Profi kennen die Problematik natürlich – möglicherweise sogar aus leidvoller Erfahrung des eigenen Erlebens: Eine etablierte Marke in einer für die Shopper sehr relevanten Warengruppe erzielt als Aktionsartikel überproportionale Uplifts. Um Quartals, Halb- oder Fiskaljahresziele zu erreichen wird die Brand also sehr häufig als Promotion-Flaggschiff an die Spitze der Marken-Armada gesetzt und rettet die Absatzzahlen mit der x-ten Preisaktion aus der schweren See des tosenden Wettbewerbs. Nach einigen Jahren haben sich nicht nur der Handel, sondern auch die Shopper an die Aktionspreise gewöhnt. Folge: Die Einen kaufen, wenn die Anderen die Marke im Angebot haben. Und damit gekauft wird, landet der Artikel immer häufiger im Angebotsblatt. Der Anteil des Normalpreisgeschäfts wird zugunsten des Aktionsabsatzes immer mickriger. Die Marke steht kurz davor, ihre Stärke, zu der auch eine stabile und verlässliche Preispolitik gehört, auf dem Altar der Promotion-Angebote zu opfern.

Beispiele gefällig? Der deutsche Marktführer im Schaumweinsegment machte 80 Prozent seines Umsatzes im 4. Quartal 2019 mit Verkäufen zum Aktionspreis. Vier von fünf Flaschen Sekt der Marken Rotkäppchen, Mumm & Co. wurden also unter Normalpreis abgesetzt. Zum Vergleich: Markensekt wurde zum Jahresende in der Aktion für 2,49 Euro angeboten, der Eckpreis für Handelsmarken lag um die 2,79 Euro. Ähnlich die Situation in der Kategorie Filterkaffee mit Promotion-Anteilen zwischen 55 und 60 Prozent (Quelle: Nielsen). Erhellend auch der Blick auf die Ausgabenstatistik für Lebensmittel im Ländervergleich:

In Relation zu den Gesamtausgaben wird von Deutschen vergleichsweise wenig für Food ausgegeben.

Deutschland auf dem vorletzten Platz, weniger ausgabenbereit sind nur die Briten, wenn es um Essen und Trinken geht.

Laut Aussage der Marktforschungsinstituts Nielsen liegt der Promotionanteil über alle FMCG Warengruppen hinweg momentan bei ca. 20 Prozent. Tendenz bei Food: steigend! Kein Wunder also, dass die Händler die Entwicklung ihrer Private Labels im Preiseinstiegs-Segment so mancher Warengruppe bedroht sehen. Die Reaktion – wie im Beitrag vorgestern geschrieben – ein Upgrading mit ihrerseits höherpreisigen Sortimenten auf dem Level der Eckpreise von Markenartikeln. Damit erhöht sich der Wettbewerbsdruck für die Mehrwert-Marken im Handel.

Mögliche Auswege für Markenartikel

Ähnlich wie unsere sehr unterschiedlichen Helden aus den eingangs geschilderten Erzählungen, benötigen Marken auf dem Weg aus der plastisch skizzierten „Hard Selling Hölle“ eine passende Strategie, um dem Untergang in die Bedeutungslosigkeit und den margenvernichtenden Schlachtfeldern der Preiskriege mit Handelsmarken zu entgehen. Diese Strategie kann, muss aber nicht aus kreativen Wendungen der Markenführung bestehen. Mit den Lösungsansätzen von Innovation bis Mehrwert-Aktion beschäftigen wir uns in einem der kommenden Beiträge.