Kräuter aus dem Gurktal, Pinguine als Wahlhelfer, Vurst oder Wurst und sichtbarer Geschmack – die Anzeigen der Woche

Einzigartigkeit bei Produkten der FMCG Kategorie begegnet uns nicht allzu häufig. Allen kreativen Produktauslobungen zum Trotz handelt es sich bei vielen vermeintlichen Innovationen bei genauerer Betrachtung eher um Sortimentsvariationen oder -differenzierungen (wir erinnern uns an die ersten Marketingvorlesungen in Produktpolitik). Und findet sich doch eine echte technologische Neuheit, dauert es nicht lange, bis sie kopiert, optimiert und breit etabliert wird. Umso deutlicher stach deshalb bei meiner Wochenendlektüre der Marketing- und Branchenfachpresse das folgende Inserat heraus. Stand in seiner Klarheit schön und einsam wie ein seltener Baum auf einer Lichtung inmitten des Blätterwalds der einschlägigen Printerzeugnisse:

Klar wie frische Bergluft:
Anzeige mit und von Gurktaler Alpenkräuter

Die Differenzierung: „Der einzige mit echten Alpenkräutern“ ist prägnant, kurz und sofort verständlich. Dazu eine große Produktabbildung, ein (überflüssiger) getexteter „Inside-out-Gedanke“ („Wir von Gurktaler sind stolz“), den es nicht gebraucht hätte (prima, dass Ihr stolz seid, aber was bringt das den Händlern?) sowie ein wertvoller Hinweis auf signifikantes Absatzwachstum per Grafik.
Fazit: Hervorragendes Motiv mit starker Wirkung – entfaltet auf einer halben Seite in der Lebensmittel Zeitung vom 17.09.

Einen anderen Ansatz als die Gurktaler Kräuterkreativen haben die Anzeigenmacher von „VISIONPLASTICFREE.DE“ gewählt. Der Inhalt des ganzseitigen Motivs greift die bevorstehende Wahl thematisch auf und führt uns damit gedanklich per illustriertem Pinguin aufs werbliche Glatteis. Das Inserat macht den unvoreingenommenen Betrachter einigermaßen ratlos:

  • Worum geht es überhaupt?
  • Wie lautet die Kernbotschaft?
  • Was verbirgt sich hinter der Abstimmung?
  • Wer ist der Absender?
  • Was bringt dem Handel das Ganze?
  • Und was soll uns der Pinguin sagen?

Ein Scan des QR-Codes befördert alle wissbegierigen Retailer, die nicht sofort achselzuckend weiterblättern, in die Welt des Waschmittels Dash. Dort bringen sie in Erfahrung, was die DALLI-WERKE tun, um für die Reinheit der Weltmeere zu sorgen. Zentrales Thema der Landingpage ist die Vermeidung von Plastikmüll, was grundsätzlich sehr zu begrüßen ist. Ein Anzeigenmotiv, das genau das kommuniziert, würde sicher mehr Händler für dieses wichtige Initiative begeistern können.

Wenn Händler eine Vision haben …
… wählen sie den Pinguin?

Wie es mit recht einfachen Mitteln gelingt, ein gesellschaftliches Anliegen präzise und unmissverständlich zu publizieren, zeigen uns die Genossen der dmk Group mit dem folgenden Motiv in der aktuellen LZ. Rund ums emotionsgebende Foto vom Landwirt kommt die Botschaft in wenigen, gut lesbaren Textblöcken rüber:

Klare Werte, klare Gestaltung:
gelungenes Motiv der dmk Group

Die folgenden beiden Fachanzeigen verdeutlichen uns, was passiert, wenn die Gestalter eine erkennbare Kommunikationshierarchie als Leitlinie nutzten, beziehungsweise wie es wirkt, wenn genau diese Ordnungsstruktur fehlt. Beginnen wir mit dem positiven Beispiel anhand einer Annonce vom Premium-Food-Anbieter Mövenpick:

Guten Geschmack sieht man:
starkes Motiv von Mövenpick

Branding, Kernbotschaft und Benefit für die Retailer sind enthalten. Mit diesen Elementen schafft das Motiv – gestalterisch wohl orchestriert – eine überzeugende Einheit. Kleiner Wermutstropfen: Der „Call-to-Acion“ fehlt ebenso wie eine Termininformation, ab wann die neue Gestaltung in den Handel kommen wird. Betrachten wir nun, was dieses Layout erfreulicherweise nicht zu bieten hat:

  • eine Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungselemente, Formen, Farben und Typovarianten
  • mehrere gleich große Informationseinheiten
  • kreative Wortspielereien, die zwar keinen inhaltlichen Mehrwert liefern, dafür aber den Betrachter verwirren

Wie man genau diese Punkte alle auf einer Anzeigenseite unterbringt, erkennen wir in der Annonce von „VANTAST!C FOODS“ für die VEGANE MORE TADELLA in unterschiedlichen Geschmacksvarianten. Hier sorgen die kunterbunten Produktpackungen für farbliche Impulse und dadurch für optische Unruhe auf der 1/1-Seite. Daneben besteht das Motiv zu mehr als zwei Dritteln aus zweifarbigen VERSALIEN und in einem Textblock werden die adressierten Händler angedutzt mit „WEIL ES EBEN NICHT VURST IST, WAS DU ISST!“ Nicht Wurst, sondern sogar sehr positiv ist hier der prägnante Hinweis aufs Launch-Datum im Dezember 2021.

Kreativ aber nicht „vantastic“
Varbenvrohe Verbung

Abschließend eine „Reklame“, die uns ratlos zurücklässt. Auf einer ¼-Anzeigenseite in der Lebensmittel Zeitung erschien dieses Motiv:

Sieht lecker aus, macht aber
keinen Appetit auf Listungen

In diesem inszenierten Food-Stillleben fehlen Struktur und Botschaft, der Absender ist nur für Kenner identifizierbar. Merke: ein gelungenes Instagram Foto macht noch keine professionelle Anzeige.

Abschließend sei der obligatorische Hinweis gestattet, dass die Bewertung von zufällig ausgewählten Anzeigenmotiven alleine dem Ziel dient, Tipps dafür zu geben, wie B2B-Kommunikation funktioniert – oder eben auch nicht. Basis für diese Einordnungen sind zahlreiche Werbewirkungs-Studien und die als Konsens erachteten, allgemein gültigen Regeln für effektive Gestaltung. Nur zu gut weiß ich als Praktiker von den Zwängen und (scheinbar) unabänderlichen Rahmenbedingungen bei der Entwicklung von Kommunikationserzeugnissen.