In loser Folge stelle ich Ihnen an dieser Stelle Fachanzeigen vor. Sie wissen, die Intention dabei ist weder, mit den zufällig ausgewählten Motiven werbetreibende Kollegen zu lobhudeln, noch diese gar anzuprangern. Nur zu gut weiß ich als Praktiker von den (scheinbar) unabänderlichen Rahmenbedingungen bei der Entwicklung von Kommunikationserzeugnissen. Nein, beabsichtigt ist, anhand von positiven oder zu optimierenden Beispielen Hinweise darauf zu geben, wie B2B-Kommunikation funktioniert – oder eben auch nicht. Basis für die Einordnung sind zahlreiche Werbewirkungs-Studien und die als Konsens erachteten, allgemein gültigen Regeln für effektive Gestaltung.
Stelle ich mir also die Frage nach Effektivität der Kommunikation beim Durchblättern der einschlägigen Fachmagazine am Wochenende. Finde dort gewagte rhetorische Figuren, die Gefahr laufen, sich in sprachlicher Mehrdeutigkeit zu verheddern. Freilich immer unter Prämisse der bekannt kurzen Betrachtungsdauer von Werbeannoncen.
„GENIESS MAL DRÜBER NACH.“ fordert der Werbedichter im Auftrag der Alfred Ritter GmbH & Co. KG die Handelspartner auf. Mit vertraulichem Du und ohne Ausrufezeichen. Kündigt damit eine neue Sorte der „Kakao-Klasse“ vom Schokoladenmacher aus Waldenbuch an. Das entsprechende Erzeugnis finden wir inklusive NEU-Störer großformatig darunter, die Information zum Launch-Zeitpunkt gut erkennbar oben rechts. Das ist so hervorragend gestaltet, dass es mit einer weniger kryptischen Überschrift und ohne den kleingedruckten Fließtext unten die perfekte Launch-Anzeige hätte werden können.
Was schätzt der Kaffeekenner an einem gelungenen Cappuccino besonders? Richtig, die perfekte Konsistenz des Milchschaumes sorgt für Entzücken. Entsteht durch die Mischung von Milch plus Luft, heiße Milch-Luft also. Dieser Art bemilchrauscht, kündigt der Anzeigengestalter die neuen ALPRO Barista-Drinks mit der vollmundigen Zeile „FÜR SCHAUMHAFTE MEHRUMSÄTZE“ an. Da bleiben wir kurz hängen … klar traumhaft- schaumhaft, diese Analogie ist beabsichtigt. Dennoch: Schaum ist durch die Verbindung einer flüssigen Konsistenz mit Luft eine höchst flüchtige Substanz, die nach einiger Zeit in sich zusammenfällt und sich danach in nichts auflöst. Sicher war dieser gedankliche Transfer vom Texter nicht beabsichtigt, er offenbart aber die Tücken der Verwendung von Wortspielen in Werbeanzeigen. Wie es rhetorisch unbedenklich funktioniert, zeigen die Pflanzenmilch-Experten dann im Abbinder: „Pflanzenkraft. Die Werte schafft. Gut gemacht.“ Hoffen wir, dass die Umsatzentwicklung der Alpro-Getränke auf Hafer-, Soya-, Mandel- und Kokosnuss-Basis stabiler ist, als das schaumige Topping der Kaffeespezialitäten.
Keine Panik. Es ist nur ein Saft.“, so lautet die deutsche Übersetzung des englischen Textes in der Anzeige für Hitchcock-Säfte. Stelle ich mir die Adressaten der Kommunikation vor, den gestandenen Marktinhaber, den erfahrenen Handels-Zentralmanager und komme darüber ins Grübeln, warum sie angesichts einer Saftflasche in Panik geraten könnten. Nun, Möglichkeiten dafür sind natürlich vorstellbar, beginnend bei brüchigen Lieferketten über stark limitierte Quantitäten, an die nur schwer heranzukommen ist, bis zu Gerüchten, dass in Hitchcock-Produkten noch andere Substanzen als purer Saft zu finden sein könnten. Kurzum: die Anzeige löst das durch die Headline selbst verursachte Rätsel nicht auf. Die Betrachter des Inserats dürfen also ihre eigenen Spekulationen anstellen, warum sie nicht in Panik geraten sollen.
Fazit:
Das Sprichwort, dass manchmal weniger mehr und die Tatsache, dass der Griff in die Spielekiste des Wortschatzes – auch zum Selbstzweck – verführerisch ist, trifft auf die Fachanzeigen dieser Woche unzweifelhaft zu. In der Tat ist die Versuchung groß, sich als sprachgewandter Texter eine rhetorische Umdrehung mehr zu gönnen. Drastisch in Abwandlung eines Komiker-Zitats formuliert: besser einen Kunden verloren, als eine witzige Headline verschenkt. Dann ist es an uns, an den POS-Marketing Fach- und Führungskräften, entsprechend den Erkenntnissen für gute Gestaltung, gegenzusteuern. Auch für B2B-Zielgruppen gelten bei der Anzeigenentwicklung die Regeln, die grundsätzlich denen für Publikumswerbung gleichen. Wortspiele sollten dann verwendet werden, wenn Sie sofort erklären, um was es geht, ohne den Leser auf eine falsche Fährte zu locken. Und im Zweifel ist der Wortwitz zugunsten einer unmissverständlichen, klaren Formulierung zu opfern.