Aktuelle Top-Treiber für die Vermarktung von FMCG – HEUTE: Customer Centricity

In aktuellen Marktstudien und im Rahmen meiner Gespräche mit Experten aus  Medienhäusern, FMCG- und Dienstleistungsunternehmen wurde die Kundenzentrierung immer wieder als erfolgskritische Größe für die Vermarktung von Gütern und Dienstleistungen genannt. Dürfte uns im Prinzip nicht überraschen, ist der Kern unserer Disziplin, ist das Wesen des Marketings doch die Führung von Marken und Unternehmen vom Kunden her. Doch schauen wir uns an, wie die Nummer vier in unserem Kompendium der Top-Treiber fürs Geschäft mit FMCG derzeit definiert und diskutiert wird.

Top-Treiber 4: Customer Centricity

These: Marken werden die Customer Journey nahtlos begleiten

1.
Konsensfähig ist unter Marketing-, Medien- und Vertriebsprofis die Meinung, dass FMCG- und Händlermarken den Kaufprozess analog Shopper-Profilen und Shopping-Missions möglichst nahtlos begleiten sollten und werden („Seamless Customer Journey“). Dabei spielt die Relevanz der einzelnen Kundenkontaktpunkte („Customer Touchpoints“) innerhalb dieser Reise eine entscheidende Rolle. Vor diesem Hintergrund kann über den Medien-Mix und die Inhalte der Markenbotschaften entschieden werden. Dadurch kann es gelingen, das Verhältnis zwischen Online und Offline, zwischen analogen oder digitalen POS-Medien oder zwischen der Auswahl unterschiedlicher Mechaniken fein zu justieren.


2.
Der Handel wird – analog seiner Relevanz in der Customer Journey – die zur jeweiligen Shopping-Mission passenden Sortimente prominent präsentieren. Dieses Angebot variiert in Abhängigkeit von Tages-, Wochen- oder Jahreszeiten. Für eine optimierte Variabilität sorgen flexible Warenträger- und Präsentationssysteme, die den Anforderungen der Shopper-Typen und Customer Journeys ideal entsprechen werden.

In seinem aktuellen HandelsMonitor „Mega-Trends 2030+“ skizziert Professor Dr. Swoboda von der Uni Trier ein Idealszenario erfolgreicher Händler wie folgt:

„Zukünftig werden diejenigen Händler erfolgreich sein, die jede Facette der sogenannten Customer Experience verstehen und Technologien nutzen, um Organisation und Prozesse in der gesamten Value Chain immer wieder anzupassen. Experten haben im Rahmen unserer Delphi-Studie den Trend Individualisierung der Customer Experience eingeschätzt. Sie gehen davon aus, dass 2030 Güter des täglichen Bedarfs automatisch geliefert werden und beim Einkauf dem Streben nach Erlebnis gefolgt wird.“

Artikel- und Gesichtserkennung werden kontinuierlich verfeinert, um individuelle Produktempfehlungen, Promotions, Preise und Produkte zu optimieren. Mit weiteren Initiativen werden bis 2030 solche Händler weltweit reinen Plattformanbietern überlegen sein.

Im Beitrag DAS „CUSTOMER CENTRICITY” PARADOX, erläutert die Beratungsfirma Oliver Wyman die Problematik, den Wald (der Kundenzentrierung) vor lauter (Big Data-) Bäumen nicht mehr zu finden, wenn sich Retailer mit Customer Centricity beschäftigen.

Kundenzentrierung wird von den Beratern dabei definiert wie folgt (Zitat):

  1. Ausgangspunkt von „Customer Centricity“ ist die Erkenntnis, dass einzelne Kunden, Filialen und Märkte unterschiedlich sind.
  2. Zweitens dient „Customer Centricity“ dem Aufbau einer gehaltvollen 1:1-Kommunikation mit Kunden. „Customer Centricity“ steht für die individualisierte, an den persönlichen Bedürfnissen des einzelnen Kunden ausgerichtete Nutzung von Kommunikationskanälen wie Mailings, Kassenbon-Coupons usw
  3. Customer Centricity“ steht auch für die Nutzung von Kundendaten für bessere Entscheidungen im operativen Alltag. Für einige Entscheidungen ist ein konkretes Verständnis des Einkaufsverhaltens einzelner Verbraucher notwendig – selbst wenn die Entscheidung alle Kunden betrifft: Einzelhändler sollten beispielsweise bei Sortimentsentscheidungen wissen, welche ­Artikel welche Kunden binden.
  4. Darüber hinaus steht „Customer Centricity“ auch dafür, Filialleiter und Mitarbeiter im Verkauf in die Lage zu versetzen, sich besser auf ihre Kunden auszurichten. Das Wissen über Kunden sollte nicht in der Zentrale „versauern“, sondern in den Filialen an der Schnittstelle zum Kunden verfügbar sein.

Allerdings stellt sich nach Erfahrung des Beratungsunternehmens die konsequente Umsetzung von Customer Centricity-Programmen in der Praxis sehr häufig als (zu) komplex dar. Anschaulich macht das die folgende Grafik:

Die Crux: Wie zahlen die Erkenntnisse der Mafo
in konkrete unternehmerische Entscheidungen ein?
Quelle: Oliver Wyman

Die Lösung im Oliver-Wyman-Beitrag besteht in der Umkehr der Kausalität. Statt mit der Kundenzentrierung zu beginnen und darauf basierend die operativen Prozesse anzupassen, sei es sinnvoller, so die Consultants, zuerst die erfolgskritischen Entscheidungen zu treffen. Danach erst sollten optimierte Consumer Insights dafür sorgen, diese Entscheidungen zu optimieren. Schließlich müsse das Kundenverständnis so in die Entscheidungsprozesse eingebettet werden, dass die Beschlüsse ohne Mehraufwand vs. Start getroffen werden können. Das klingt beratertypisch theoretisch und sollte von jedem Händler analog seiner individuellen Rahmenbedingungen in der Praxis bewertet werden.

3.
Die bessere Kenntnis der Customer Touchpoints entlang der Käuferreise versetzt Marken und Händler künftig in die Lage, zielgerichtetere und individuellere Inhalte für Kundenbindungsprogramme zu entwickeln. Gerade jüngere Shopper sind bereit, als Gegenleistung für personalisierte Angebote einen Teil ihrer persönlichen Daten preis zu geben. Diese Daten werden für Retailer und FMCG-Industrie immer wertvoller, denn die Kapazitäten zur Datenanalyse und -nutzung steigen stetig an und die KI-Systeme werden dadurch smarter und effektiver.

Dazu bietet das IFH Köln mit einer neuen Studie  „Customer Centricity – Kunden im Mittelpunkt des Handel(n)s“ Antworten auf Fragen wie u. a.
„Was bedeutet Customer Centricity wirklich? oder „Mit welchen Services agieren Händler tatsächlich kundenorientiert?“.
Was die Studie im Wesentlichen bietet, erläutert ein Zitat auf der Website des IFH:


 Mit der Digitalisierung sind die Möglichkeiten schier unendlich geworden – die Herausforderung ist, den individuell richtigen Weg zu finden. Einen Kompass im Dschungel der Optionen gibt die neue IFH-Studie „Customer Centricity – Kunden im Mittelpunkt des Handel(n)s“ an die Hand. Die Studie zeigt, worauf es wirklich ankommt und gibt Händlern Impulse für die Praxis.
„Warum sollten Konsumenten bei mir und bei keinem anderen Händler kaufen?“ Eine nachhaltige Antwort auf diese Frage ist der erste Schritt zur kundenzentrierten Profilbildung. Konzepte, die Konsumenten das Leben so einfach wie möglich machen sowie Commitment der Mitarbeiter auf allen Ebenen bilden die Basis für die drei Stellschrauben: Händler können Konsumenten durch Beratung/Information, Services sowie Inspirationen an sich binden. Hierüber kann die Abgrenzung zum Wettbewerb gelingen. Wichtig ist hierbei, den Kunden ein klares Leistungsversprechen zu machen, dieses in allen Konsequenzen auch zu halten und es transparent zu kommunizieren. 

Insbesondere der letzte Satz katapultiert uns wieder zum Einstieg in den heutigen Beitrag. Konsequente Kundenorientierung und -zentrierung ist per se die Aufgabe des Marketings. Die derzeit schon verfügbaren (digitalen) Anwendungen zur Kundenanalyse, -segmentierung und individueller Aussteuerung der Angebote ermöglichen eine zielgerichtetere Aussteuerung der Botschaften. Die Herausforderungen beim Datenmanagement und der harmonischen Orchestrierung der Vermarktungs-Initiativen steigen aber ebenso. Sie erfordern ein nahtloses Miteinander der unterschiedlichen Spezialisten bei FMCG-Unternehmen und Händlern, damit die „Seamless Customer Journey“ für die Shopper tatsächlich realisierbar wird.