Der heutige Abschlussbeitrag zu aktuellen Trends, die beim Spitzen-Event des deutschen Handels präsentiert wurden, rekrutiert sich aus Praxisbeispielen von Bruno Banani und Tik Tok, Erkenntnissen einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde zum Thema Digitalisierung und Personalakquisition sowie der Verleihung des ZukunftHandel-Awards an innovative Händler.
Bruno Banani – digitales Nachjustieren bringt Erfolg
Detailreich und strukturiert zeigten Peer Hartog, CD der Agentur GERLACHHARTOG und Jan Jasser, GF bruno banani underwear, auf, wie der Online-Marketingprozess im Unternehmen mit einem konsequenten Auditing optimiert werden kann. Im Rahmen der vorgestellten Kampagne für bruno banani Textilien wendeten die Marketeers vom Chemnitzer Modelabel folgende Digitalwerkzeuge an:
- Anpassung Google Analytics für sauberes Tracking
- Anpassung Google Tag Manager
- Optimierung Google Ads Kampagne
- SEO-Strategie / Maßnahmen
- Mobile Optimierung Newsletter
- Newsletter Layout-Optimierung
- Stetiges E-Mail-Marketing
- Begleitendes Loyalty Programm für Kunden
- Promotions
- Affiliate Marketing
- Amazon Ads
(Quelle: Bruno Banani)
Wie der komplette optimierte Prozess der Kampagne aussah, skizzierte Jasser anhand eines Flow-Charts:
Mehr Geschäft mit TikTok for Business?
Mit der einleitenden Frage „Warum ist Tik Tok so erfolgreich?“ begann Thomas Wlazik, Managing Director Global Business Solutions (DACH) bei TikTok, seinen Vortrag. Antwort: „Weil es die Stimmung hebt!“ Um ganz sicher zu gehen, dass die – z. T. eher seniorige – B2B-Zielgruppe im Kongress-Auditorium überhaupt einordnen konnte, um was es geht, erläuterte er, dass es sich bei der chinesischen Applikation um die führende Plattform für Kurzviedos handele. Das „explodierende Wachstum“ des Bewegtbild-Netzwerks sei u. a. auf die folgenden Faktoren zurückzuführen:
- always full screen
- Sound on
- „Für Dich“-Seite
- Mitmachen
- Trends
Auf einen Nenner gebracht: Tik Tok ermögliche personalisierte Entdeckungen, authentische Interaktion und unterhaltsame Werbemittel. Der letzte Punkt diente der Überleitung zu Einblicken, wie Werbetreibende von Posts bei Tik Tok profitieren können. Beispiel „Pink Drink“. Nachdem eine Nutzerin eher zufälligerweise u. a. den Volvic Hibiskus Tee für ein Mischgetränk (Pink Drink) genutzt hatte, entstand daraus ein viraler Hype auf der Plattform. Die Marke befeuerte diese Entwicklung auf ihrer Website und damit wurde transparent, wie „TikTok made me buy“ in der Praxis funktionieren kann. Ergebnis im konkreten Fall: 150% Umsatzsteigerung für Volvic in der Peakphase mit ausverkauften Regalen in einigen Supermärkten.
Generell sei – so schloss Wlazik seinen Beitrag – der Trend des „Community Commerce“ ein relevanter Faktor für Werbetreibende, um Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Mit dem abschließenden Hinweis darauf, dass Tik Tok dabei die nächste Stufe des Einkaufens einläute, entließ der Jungmanager sein Auditorium, das sicher einige inspirierende Vermarktungsimpulse hinzugewonnen hatte.
Deep Dive Digitalisierung
In der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Digitaler Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft – Chancen, Herausforderungen, Risiken“ debattierten …
-Oliver Klinck, GF Ebay Deutschland
-Claire Midwood, CEO Amorelie
-Lena-Sophie Müller, GF Initiative D21
-Arne Schönbohm, Präsident vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
… inhaltlich geführt von Dunja Hayali.
Die Ergebnisse in Stichpunkten:
– Die Digitalisierung war einer der Haupttreiber fürs Geschäft mit Erotikspielzeug, erläuterte Claire Midwood über die positive Entwicklung des Online-Versenders Amorelie. Wesentlich für den anhaltenden Erfolg der Pro7-Tochter sei das Shopper-Vertrauen in die Marke und das Angebot. Beratung und Service stünden an erster Stelle der Kundenanforderungen. Welche Beratungsleistungen von den Sextoy-Usern abgefordert werden, verriet Midwood allerdings nicht.
– Von Moderatorin Hayali angesprochen auf den Nachholbedarf bei der Digitalisierung relativierte Arne Schönbohm vom BSI, die Deutschen „seien nicht so schlecht, wie sie sich oft halten“. Immerhin habe man hierzulande zuerst den Cloud Computing Standard entwickelt. Im Sicherheitsbereich gebe es indes noch ordentlich Herausforderungen, so Schönbohm. Aus diesem Grund sei CDR (Corporate Digital Responsibility) eminent wichtig. Dabei gebe es hier jede Menge Bedarf – teilweise müssten Händler per Brief(!) darauf hingewiesen werden, dass ihre IT Systeme Sicherheitslücken enthielten.
– Lena Sophie Müller von der Initiative D21 ergänzte, in Deutschland stünde man bei der Digitalkompetenz der Bürger im internationalen Vergleich alles andere als gut da. Bei den kleineren stationären Händlern machte sie primär das Problem aus, deren Angebot digital gut rüber zu bringen – hier sei dringend Hilfe vonnöten, anders könne der innenstädtische kleinere Einzelhändler kaum überleben
– Oliver Klinck, GF vom Online-Marktplatz ebay, hieb in die gleiche Kerbe und nannte die die Intransparenz der Rechtslage im Digitalbereich eine Bremse fürs Onlinegeschäft. Gerade für kleine Händler sei unbedingt Aufklärungsarbeit erforderlich, die Gesetze fürs Online-Business seien für sie nicht einfach genug. Zudem leide seine Branche bereits jetzt unter dem „war-for-talents“. Ebay begegne dieser Situation nicht nur mit adäquaten Entlohnungen, sondern forciere eine internationale Kultur im Unternehmen, so der Country Manager. Im multikulturellen Berlin sprächen nur 50 Prozent der Belegschaft deutsch, so Klinck. Ähnlich sah es Amorelie-Managerin Midwood: Insbesondere im Tech-Bereich und gerade in der Bundeshauptstadt sei es sehr schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Anreize kämen beim Versender über Unternehmenswerte und -kultur, Entwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven zur Weiterentwicklung. Geld sei eher ein Basisfaktor.
Vorläufiger Abschluss und für die Beteiligten der Höhepunkt dieses zweiten Kongresstags war die Verleihung der ZukunftHandel-Awards.
Hier die Preisträger in den einzelnen Kategorien:
Kategorie „Kundenversteher“:
MyEnso (tante enso) / veganer Supermarkt für 24/7-Nahversorgung
Kategorie „Umweltretter“:
ECF (Systeme für nachhaltige Lebensmittelproduktion in der Stadt – Mischung aus Gemüseanbau und Fischzucht / Aquaponik) für einen geschlossenen Wasserkreislauf (umgesetzt in neuen Rewe-Märkten)
Kategorie „Innovationsstrategen“:
utryMe (online Probiersupermarkt für Produktneuheiten, in dem der Kunde entscheidet, welches Produkt ins Regal kommt). Mit Analyse innerhalb von 48 Stunden, welche Prioritäten die Kunden haben.
Kategorie „Omnichannel-Talent“
Modehaus Ebbers für u. a. Warentracking im Outlet und Omnichannel-Prototypen
Sonderkategorie „Innenstadt“:
Stadt Langenfeld / Gmvteam Brückenschlag zum Kunden durch Digitalisierung der Stadt. Digitale Verknüpfung von Angeboten in der Stadt und digitale Lösungen für die gesamte Stadt mit realen Services für den Kunden (z. B. Parken via „Stadtschlüssel“ = Händler geben Bonus und Kunden parken kostenlos, der von ca. 20 Prozent der Kunden genutzt wird).
Neue Kategorie:
„Digitalisierung kleine Händler„:
1. Fräulein Mode und Wohnen-Geschäfte, die eigenen Content für mit Social Media, den Online-Shop und für Live Shopping produzieren
2. Nicolaische Buchhandlung Bietet online Order für u. a. nicht vorhandene Bücher, Hörbücher oder Filme an.
Eine ausführlichere Berichterstattung zum Award gibt es hier, auf der Website des Handelsverbands.