Adventszeit – während sich nun täglich Millionen von Adventskalendertürchen öffnen und für freudige Überraschungen sorgen, machen unsere großen Retailer die Schotten dicht, wenn es um Preiserhöhungen seitens ihrer Industriepartner geht. Denn die Forderung, steigende (Rohstoff-)Kosten in Form angepasster UVPs zu kompensieren, stellt der Vertrieb von FMCG-Unternehmen derzeit flächendeckend an die Einkäufer und Einkaufsgremien des Handels.
Massive Preiserhöhungen als einer der Top-Treiber für die Geschäftsentwicklung im FMCG-Bereich, zeichneten sich bereits im ersten Halbjahr 2021 ab. Im Beitrag vom 05. Juli nannte ich eine plausible Begründung für Preiserhöhungen als essenzielle Voraussetzung erfolgreicher Konditionengespräche zwischen FMCG-Industrie und Handel. Mit „plausibel“ meinte ich allerdings nicht, dass Markenartikler einen vollständigen kalkulatorischen Striptease vor ihren LEH-Gesprächspartnern aufführen müssen, die in entspannt-kritischer Haltung abwarten, was ihre Lieferanten an intimem Zahlenmaterial und nackten Fakten auf den Tisch legen. Genau das scheint aber mittlerweile Usus zu sein. Die marktbeherrschenden Retailer verlangen von ihren Industriepartnern unter anderem sogenannte Open-Book-Kalkulationen, die deren Kontrakte mit ihren Zulieferern offenlegen. Fragen wir uns als Praktiker:
Warum auch nicht?
Stehen die die größten vier Handelsunternehmen in Deutschland doch mittlerweile locker für 80% der Marktanteile im Lebensmitteleinzelhandel, tendenziell eher für etwas mehr, nachdem die Real-Standorte nun zu großen Teilen u. a. an Kaufland und Edeka verteilt wurden bzw. werden.
Von einem Gleichgewicht der Kräfte zwischen Industrie und Handel kann also mittlerweile keine Rede mehr sein. Dass die Super(markt)-Platzhirsche Edeka und Rewe die von der Industrie derzeit geforderten Preiserhöhungen rundheraus ablehnen, mag zunächst Verhandlungstaktik sein. Könnte aber auch damit zu tun haben, dass die Genossen befürchten, weniger hohe Renditen zu erwirtschaften, wenn die Abgabepreise steigen. Die in der medialen Berichterstattung genannte Begründung, sich mit höheren EVP aus dem Wettbewerb zu schießen, klingt vorgeschoben, denn die Teuerung – bedingt durch die Corona-Pandemie – betrifft nahezu alle Rohwaren; das dürfte durch die breite mediale Berichterstattung jeder verstanden haben (s. Chart oben). Zudem hätte kein Händler die höheren Abgabepreise exklusiv – alle wären gleichermaßen tangiert, so dass auch das Argument einer Benachteiligung gegenüber den Wettbewerbern wegfällt. Nein, den Retailern geht es darum, in eine vorteilhafte Verhandlungsposition zu kommen und zu testen, wie standhaft ihre Gesprächspartner aus der Industrie ihre Preisforderungen behaupten. Das gehört zum jahrzehntelang etablierten Machtspiel zwischen Händlern und Markenartiklern.
„Der Edeka-Vorstand weist Forderungen aus der Industrie nach Preiserhöhungen hart zurück.“
„Rewe stemmt sich mit Nachdruck gegen die Forderungen der Industrie: Nach LZ-Informationen lehnen die Kölner in den aktuellen Jahresgesprächen nicht nur Preiserhöhungen der Hersteller ab, sondern verlangen ihrerseits sogar bessere Konditionen von Lieferanten.“
LZ von 01.10.2021 und LZ vom 19.11.2021
Spannend dürfte sein, wie vehement der Konflikt in diesem (und nächstem) Jahr ausgetragen wird. Denn trotz drohenden Auslistungen seitens des Handels scheinen die Hersteller keine andere Wahl haben, als – die zum Teil signifikanten – Preisanpassungen durchzuziehen, wollen sie nicht auf benötigte Marge und damit den Spielraum für Investitionen verzichten. Zahlreiche Firmen setzen indes auf die Dialogbereitschaft des Handels und bitten mit kommunikativer Unterstützung um Verständnis für steigende Preise, hier einige Beispiele aus der Fachpresse:
Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Preisdiskussion zwischen den Marktpartnern zum Jahreswechsel und in den ersten Monaten des neuen Jahres entwickelt. Für alle Beteiligten wünschen wir uns ganz vorweihnachtlich gegenseitiges Vertrauen, Verständnis und einen Konsens, um gemeinsam für mehr Wertschöpfung zu sorgen.