Kehraus im Porzellanladen nach dem Kampf der Elefanten

Das prägnante Bild vom Dickhäuter zwischen Geschirrstapeln kam mir heute früh in den Sinn. Las ich doch ein Interview mit Professor Stephan Rüschen. Herr Rüschenehemaliger Manager beim Handelskonzern Metro hat jahrzehntelange Handelserfahrung und lehrt nun seit mehreren Jahren an der Dualen Hochschule in Heilbronn (Fach: Lebensmittelhandel). Kennt also sowohl Praxis als auch die Theorieseite unserer Branche. Ist jemand, dem man zuhört, nicht nur, wenn man in seinen Vorlesungen sitzt.

Sagt der Herr Professor also zum Thema „Preiskampf im LEH“, es würde „nicht mehr rational entschieden“. Meint damit das sich gegenseitige Unterbieten der beiden Discount-Kolosse Aldi und Lidl. Wie bereits kürzlich in einem Beitrag geschrieben, haben insbesondere die beiden Rivalen ums günstigste Angebot doch die Mehrwertsteuersenkung dafür genutzt, eine besonders verbissen geführte Runde im Preiskampf einzuläuten. Aldi hat mit einem Warenkorb-Preisvergleich eröffnet, bevor Lidl den entsprechenden Konter setzte. Statt also im Stile eines seriösen Kaufmanns darüber zu informieren, dass die Steuererleichterung vom Bund direkt an die Kunden durchgereicht wird, rabattierte man quer durchs Sortiment nochmals, um das Ziel der Preisführerschaft zu erreichen. Tatsächliche Ursache laut Professor Rüschen: es menschelt eben. Der Sandkastenstreit ums schönste Förmchen also transferiert ins Händler-Büro. Vermeintlicher Lohn der Bemühungen um den tiefsten Preis: die Gunst der Shopper. Ob die das Spiel mitmachen, ist freilich offen, denn die Bereitschaft der Kunden, sich mit Preisen auseinanderzusetzen, ist – so Rüschen – grundsätzlich eher gering. Die Erfordernis hingegen, die Margen trotz gegenseitiger Unterbieterei zu sichern, verschwindet nicht.

Kommen wir also zum Bild der heutigen Überschrift. Das von den beiden kämpfenden Kolossen geschrottete Margen-Material muss – um im Bild zu bleiben – zusammengekehrt bzw. repariert werden. Wer könnte das tun? Richtig, es gibt ja noch die Markenartikelindustrie, die hier selbstlos und großmütig helfen kann. Wird mir also von Kunden (und hinter vorgehaltener Hand auch von Handelsseite) berichtet, dass sich die Marketing- und Vertriebsmanager in den Markenartikelunternehmen momentan wieder überwiegend mit Preisen, Konditionen und Handelsforderungen statt mit der Entwicklung und Weiterführung von Innovationen und Lösungen für die Shopper beschäftigen.

Dies ist gerade jetzt besonders bedauerlich, da – dank Kurzarbeit und einigen von der Krise weniger betroffenen Branchen – die Wirtschafts- und Beschäftigungssituation hierzulande noch recht stabil ist. Die Tendenz zum Preisscharmützel mit harten Bandagen könnte man möglicherweise verstehen, wenn die von Wirtschaftsexperten erwartete Rezession bereits voll durchschlagen würde. Im Moment scheinen sich die Shopper jedoch eher auf Attribute wie Herkunft, Qualität, Nachhaltigkeit zu besinnen. Ist zumindest die Tendenz aus aktuellen Befragungen und die Beobachtung meiner Gesprächspartner aus der Markenartikel-Industrie. Die starke Konzentration auf den Themenkreis Preise, Rabatte, Margen schadet also. Schadet gerade jetzt, in einer Phase der Normalisierung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens, in der wir die Chance hätten, uns auf die Belebung des Geschäfts mit neuen relevanten Angeboten zu konzentrieren. Wäre es doch die perfekte Zeit, den Shoppern am POS mehr zu präsentieren, als „echt billig“, wie das die Retailer Woche für Woche tun. Hier ein aktuelles Beispiel vom „Großflächendiscounter“ Kaufland:

Ist es das was die Shopper nach Corona wollen?
Frische Produkte „ECHT BILLIG“
Quelle: Kaufland Wochenprospekt

Edeka Südwest hat auf die Discount-Preisvergleiche übrigens mit einem offenen Brief an die Kunden reagiert. In diesem Schreiben – veröffentlicht auch in der regionalen Tagespresse – nehmen die Kaufleute der Region Stellung zum Warenkorb-Schlagabtausch um den günstigsten Preis von Aldi und Lidl. Kontern mit den Mehrwerten der Edekaner wie Regionalität, Tierwohl, Frische, Genuss und Qualität. Zudem verweisen sie auf ein vergleichbares Preisniveau wie im Discount, wenn Shopper sich bei der Edeka Eigenmarke „Gut & Günstig“ bedienten und erwähnen ebenso, dass es im Gegensatz zum relativ überschaubaren Sortiment der Billigheimer (1500 Artikel) erheblich mehr Auswahl in ihren Märkten gibt (bis zu 50.000 Artikel). Zudem enthält der Brief dann doch wieder ein Angebot für preisbewusste Shopper, die auf Einkaufseffizienz achten:

„Den Weg zum Discounter können Sie sich sparen!“

Ob Edeka mit dieser Initiative den Nerv der Kunden trifft, wie die Shopper auf die Rangeleien von Aldi und Lidl reagieren und welches Handelsformat am Ende des Jahres die Nase vorn hat, werden wir beobachten. Wünschen dürfen wir uns, dass die wirtschaftliche Vernunft die Oberhand behält und im LEH Mehrwerte geschaffen und weniger Margen vernichtet werden.