Umkehrung des Heiligenscheins: Die Gefahr des Teufelshorns

Was haben verschiedene Gewinnspiele bei Tegut und meine Lieblings-Sportschuhe gemeinsam? Wenn Sie spontan auf „abgelaufen“ tippen, liegen Sie richtig. Sammelte ich am Wochenende doch aus berufskrankheitsbedingten Gründen wahllos diverse Teilnahmeflyer ein und stellte später fest, dass die darauf beworbenen Preisausschreiben allesamt ihren Einsendeschluss knapp oder sogar schon seit längerem überschritten haben.

POS-Aktion mit Dispenser an der Truhe
für die Marke „LE GRUYÈRE …
… inklusive Gewinnspiel-Flyer und …
… dem Hinweis dort auf den
Einsendeschluss per Ende Oktober 2021.
Promotion-Aufsteller von
TETE DE MOINE am POS …
… ebenfalls mit Gewinnspielkarte …
… und einem Ende der Aktion
vor genau zwei Monaten.
In eigener Sache platziert Tegut
zum 75-Jährigen …
… inklusive Gewinnspiel-Aufforderung
an die Kunden auf der Fläche.
Ein Fragespiel qualifiziert zur Teilnahme …
… die allerdings am 30.01.
schon nicht mehr möglich war.

Selbstverständlich darf man die Meinung vertreten, einem Supermarktbetreiber stellten sich – speziell in Pandemiezeiten – doch weitaus gewichtigere Herausforderungen als die Einhaltung von Fristen bei Promotions. Immerhin handelt es sich dabei nicht um verderbliche Ware mit längst überfälligem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). Und wahrscheinlich liegt man mit dieser Ansicht völlig richtig.

Einerseits.

Auf der anderen Seite verursachen alle kommunikativen Aktivitäten, ja bereits das bloße SEIN Abstrahleffekte – im positiven Sinn allen Marketingprofis geläufig als „Halo-Effekt“. Das bedeutet, jede Aktivität kommuniziert neben dem puren Inhalt, neben Kernbotschaft auch noch eine Geschichte zwischen den Zeilen. Gibt‘s freilich nicht nur im Guten als Heiligenschein (Halo), kann auch den umgekehrten, den sogenannten „Teufelshorn-Effekt“ haben. Dabei wird eine (negative) Wahrnehmung zu einer verzerrten Gesamteinschätzung verstärkt, ganz so wie ein Konzert-Horn das restliche Ensemble bei falschem Gebrauch übertönen kann.

Was also erzählen die oben beispielhaft angeführten Kampagnen teilnahmewilligen Shoppern? Was schwingt hier mit? Eine Möglichkeit: Sie zeugen davon, dass sich das Marktpersonal nicht kümmert, weil der Markt mit veralteten Angeboten lockt. Verhängnisvoll transportiert aber die Werbung mit beendeten Kampagnen – ebenso wie es die Häufung von Warenangeboten mit überschrittenem MHD täte – auch die Botschaft: „Wir haben unsere Fläche nicht im Griff“. Bleibt es nicht bei einigen wenigen „Ausrutschern“ auf dem glatten Geläuf solcher Säumnisse, besteht das Risiko schwindenden Kundenvertrauens in den Markt und daraus resultierend auch in die Händlermarke. Das Teufelshorn in Form einzelner negativer Erlebnisse könnte also das Zeug dazu haben, alle positiven Erfahrungen zu übertönen.

Wie wichtig ein gutes Timing im Rahmen von Promotions ist, zeigen die Ergebnisse repräsentativer Umfragen unter Handelsentscheidern. Der (richtige) Zeitpunkt ist das wichtigste Kriterium für den Erfolg von Vermarktungs-Maßnahmen auf der Fläche:

Der Zeitpunkt ist eminent wichtig.
Bedeutet auch, dass die Zeitfenster einer
Promotion nicht zu lange geöffnet werden!
(Top-5 von insgesamt 21 abgefragten Kriterien)
Quelle: POS-Marketing-Report 2020
(Händler-Befragung; n = 100)

Der Tipp des Tages lautet heute: Auch auf vermeintliche Kleinigkeiten achten und dafür sensibilisiert sein, welche Folgen sie verursachen können. Für den Handel: Nicht nur die Restanten aus dem Produktsortiment managen, sondern auch die Promotions auf der Fläche im Blick behalten. Für die veranstaltende Industrie gibt es mittels Crowd-Sourcing Möglichkeiten, die eigenen Aktionen im Griff und unter Kontrolle zu haben. Denn der Teufelshorn-Effekt tönt nicht nur in Richtung Handel sondern bläst auch der Absendermarke ins Gesicht!