Mit der Erscheinungsform textlastiger Inserate beschäftigten wir uns in diesem Blog bereits mehrmals, z. B. hier. Auch in dieser Woche bzw. diesem Monat versuchen wieder einige Anzeigenpoeten der FMCG-Industrie ihr geschäftliches Zielpublikum mit umfangreicher Anzeigenprosa zu unterhalten. Wie unterschiedlich diese Art der B2B-Kommunikation aufgrund ihrer grundlegenden inhaltlichen Konzeption wirken kann, machen wir uns heute an zwei symptomatischen Beispielen klar.
Betrachten wir zunächst dieses Motiv, das seit einiger Zeit in allen relevanten Medien der Fachpresse zu finden ist:
Die Brotbäckerei Mestemacher zelebriert hier ihre langjährige Firmengeschichte auf einer halben Seite Fließtext und nutzt die restlichen 50% des 1/1-Inserats für die plakative Bewerbung eines neuen Pumpernickel-Produkts. Flankiert wird diese Neuheit von einer weiteren Brotdose und einem Foto, das ein antikes Lastenfahrrad des Unternehmens zeigt. Im roten Störerstern erfährt die Zielgruppe der Händler, dass sie den neuen Artikel „ab Januar 2021 bei Ihrem Lebensmittelhändler“ finden – eine etwas befremdliche Ankündigung in Richtung Handel per Ende Februar. Anscheinend wurde einfach ein älterer Textbaustein aus der Verbraucherkommunikation eingebaut. Doch zurück zum relevanten oberen Teil der Anzeige, zurück zum Text. Dieser kleine Abriss der Unternehmensgeschichte wirkt wie direkt aus der Firmenchronik entnommen, passt also inhaltlich zum Feieranlass und ist ein grundsätzlich legitimes Stilmittel im Rahmen eines Jubiläums. Allerdings erzeugt die Schrift wenig Spannung und tut sich deshalb schwer damit, die Leser neugierig auf den Inhalt zu machen und damit in die Geschichte „hineinzuziehen“. Warum ist das so? Denken wir daran, dass die Adressaten Anzeigen immer mit der Frage im Kopf betrachten:
„Was bringt mir das?“.
Was nutzt den Händlern, die auf das Motiv blicken, die Überschrift „Von Gütersloh in die Welt“? Sie ahnen es, hier handelt es sich um „Inside-out-Copy“ in Reinkultur. Der komplette Text ist ein Lob an die eigene Adresse. Bitte nicht falsch verstehen, es ist völlig in Ordnung, auf eine Historie, die bis ins Jahr 1871 zurückreicht, stolz zu sein. Eineinhalb Jahrhunderte auf dem Markt stehen für Kontinuität, Qualität und ökonomischen Verstand. Klasse Job, liebe Mestemachers! Diese frohe Botschaft wirkt durch die reine Ego-Perspektive der Autoren jedoch auf den Leser ähnlich attraktiv wie ein Stück vertrocknetes Kommissbrot auf den Kunden im Backshop. Dieses Beispiel zeigt, warum es nicht einfach ist, wirksame Kommunikation zu texten. Effektives Schreiben kostet Zeit, erfordert tiefes Eindenken in die Materie sowie eine sehr gute Kenntnis der Erwartungen des Zielpublikums und eine konsequente Orientierung daran. Das ist anspruchsvoll und anstrengend. Es besteht hier demnach das begründete Risiko, dass ein nicht geringer Teil des Mestemacher-Mediabudgets für die Anzeigenschaltungen verpufft.
Eine Scheibe abschneiden – das Wortspiel sei gestattet – können sich die Gütersloher Großbäcker vom Anzeigenkonzept des „Irish Food Board“. Die Annonce für „irishbeef.de“ zeigt uns ein Motiv aus dem aktuellen Markant-Magazin, das konsequent vom Zielpublikum her gedacht ist. Was interessiert den lesenden Mitarbeiter aus dem Händlerverbund hinsichtlich Fleisch und Grillen am meisten? Richtig: seinen Shoppern ein „perfektes Grillerlebnis“ zu bescheren und sie zu zufriedenen – und damit treuen – Kunden zu machen. Die Gestalter haben dafür eine edukative Umsetzung gewählt, die den Mitarbeitern im Handel Wissen zu unterschiedlichen Grillfleischqualitäten vermittelt. Garniert werden die Textblöcke mit kleinen Fotos vom appetitlich angerichteten Grillgut.
Apropos Grillen, jetzt im März startet die Zeit der Vorbereitung auf dieses für Händler immer wichtigere saisonale Vermarktungsthema. Im beginnenden Frühjahr finden wir zahlreiche B2B-Annoncen für BBQ-Artikel. Fast durchgängig lassen es sich die dafür verantwortlichen Anzeigenpoeten nicht nehmen, die rezipierenden Händler mit Wortspielen zu unterhalten. Besonders gern genommen: „Feuer und Flamme für Produkt xy“, „Heiß auf Mehrumsatz“ oder „Wir heizen am POS ein“. Zwei vergleichsweise unverbrauchte Wortspiele kredenzen uns diese Woche die Meggle GmbH & Co. KG und die Just Spices GmbH.
Die Butterprofis von Meggle lassen ihre Anzeigenwerber doppelsinnig formulieren: „Diese Taler sind die Kohle wert“. Frage ich mich, was es mit diesen Grilltalern auf sich haben könnte. Sind es Käsescheiben, sind‘s Butterplättchen? Das geht aus dem Inserat leider nicht hervor. Der Blick auf die Presse-Webseite vom Unternehmen aus Wasserburg schafft Klarheit, die Taler bestehen aus Käseersatz. Die Anzeige dafür ist klar strukturiert. Gut lesbare Überschrift (warum auch immer in unterschiedlicher Typo), darunter eine großformatige Abbildung der neuen Produkte und abschließend folgt die Vorteilsargumentation für den Handel. Aus sparsam aufgelisteten Argumenten und erklärenden Piktogrammen erfahren die Retailer hier schnell das Wesentliche zum Vermarktungskonzept. Alle wichtigen Daten wie Launch-Datum etc. sind enthalten – prima!
Mit der originellen Überschrift „Umsatz statt Umluft – jetzt wird gegrillt“ schickt Just Spices die Shopper ab KW 12 in Richtung Outdoor-Küche. Jenseits der kreativen Line taugt das Motiv jedoch nicht als positives Anschauungsmaterial. Es bemüht sich um einen strukturierten Aufbau, konterkariert dieses löbliche Vorhaben allerdings mittels inflationärer Verwendung von Textkästen und Störerfeldern in unterschiedlichen Farben und Formen. Das groß abgebildete kunterbunte Produktdisplay auf der linken Anzeigenseite steht im visuellen Wettbewerb zum emotionalen Moodbild mit Grillteller rechts oben. Darüber, davor und darunter haben die Gestalter die erwähnten Textbausteine über die 1/1 Seite verteilt – das wirkt ein wenig wie mit den abgebildeten Grillgewürzdöschen drübergestreut und kann ins Auge gehen.
Zum Abschluss der heutigen Anzeigenparade ist es mir ein Anliegen, die unterschiedliche Wirkungsweise von Eigenschaftswörtern in Anzeigentexten zu erläutern. Auch dazu zwei Beispiele.
Eine klar gestaltete Annonce, gut lesbarer Text und deutlich erkennbare Produktabbildungen. Das ist sehr gut. Doch was finden wir hier? Super, sagenhaft und einmalig, eine ganze Parade also von beliebigen, modischen Schablonenwörtern. Texten wir das mal ohne diese leere Füllung:
„Unser Erfolgsrezept: Dünn. Knusprig. Würzig.“
Und schon gewinnt die Anzeige an Kraft. Genau in diesem Stil haben die B2B-Werber von Diageo getextet, s. hier:
Abschließend der obligatorische Verweis darauf, dass die Bewertung von zufällig ausgewählten Anzeigenmotiven alleine dem Ziel dient, Hinweise darauf zu geben, wie B2B-Kommunikation funktioniert – oder eben auch nicht. Basis für diese Einordnungen sind zahlreiche Werbewirkungs-Studien und die als Konsens erachteten, allgemein gültigen Regeln für effektive Gestaltung. Nur zu gut weiß ich als Praktiker von den Zwängen und (scheinbar) unabänderlichen Rahmenbedingungen bei der Entwicklung von Kommunikationserzeugnissen, die einem optimalen Ergebnis nicht selten im Wege stehen.