In der Rubrik „Anzeigen der Woche“ nehmen wir bemerkenswerte Erzeugnisse der B2B-Werbung unter die Marketing-Lupe. Beschäftigen uns also intensiv mit kreativen Schöpfungen fürs Fachpublikum und nutzen diese Vorlagen, um uns an Best-Practice-Beispielen freudig zu orientieren oder in weniger gelungenen Motiven Optimierungspotenziale zu erkennen.
Lassen Sie uns heute also wieder eine Schneise für bessere Sicht auf klare Kommunikation ins Dickicht des Fachanzeigen-Dschungels schlagen. Zur Orientierung nutzen wir die Leitlinien für professionelle B2B-Kommunikation sowie zahlreiche Copytests und Akzeptanzstudien.
Fündig wurde ich für die nachfolgenden Beispiele ausnahmslos in der „Lebensmittel Zeitung“ (Nr. 50, vom 11.12.2020).
So läuft der Hase – klare Kante von Duracell
Mit einer nahezu perfekten Symbiose aus Wort und Bild erfreut uns Duracell auf einer halben Anzeigenseite. Wann benötigen die eiligen Shopper Batterien? Richtig, wenn es darum geht, nach der Bescherung all die verschenkten elektrischen Spielzeuge, Fernsteuerungen etc. zum Laufen zu bringen. Dieser Bedarf kommt vielen Kunden freilich erst dann in den Sinn, wenn sie die Check-out-Zone längst passiert haben. Clevere Händler wissen das und nutzen die Kassenzone, um das ertragsstarke Batteriegeschäft dort mitzunehmen. Die Erinnerung im Duracell-Motiv, genügend der kleinen Energiespeicher vorrätig zu haben, ist jetzt vor den Feiertagen also genau auf den Punkt getextet. Den bekannten Plüschhasen als Werbeträger und Präsenter der Botschaft zu nutzen, sorgt für die unmittelbare Erkennbarkeit der Absendermarke. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Farbwahl des Hintergrunds im typischen schwarz-/kupferbraunen Farbcode der Brand. Bemerkenswert, die Anzeige wirkt deshalb so vehement, weil sich die Macher dafür entschieden haben, bewusst auf ergänzende Texte wie Produktbeschreibungen, Sortenhinweise, Wirkungsweisen, Packungsgrößen usw. zu verzichten. POS-HOTS-Votum: Klar. Einfach. Souverän. Stark.
Pickepacke voll mit Text – Prosa für Händler von Tetra Pak
Das Gegenbeispiel zur prägnanten Botschaft der Batteriemarke finden wir bei Tetra Pak. Zwar zeigt der schwedisch-schweizerische Anlagen- und Verpackungsgigant mit einem emotionalen Bild und einer gut lesbaren, klaren Überschrift an, um was es im Inserat geht. Danach folgen allerdings eine weitere Überschrift ohne Spannungsaufbau und ein langer Fließtext. Werden die eiligen Leser damit gedanklich ausreichend abgeholt und emotional in den Text hineingezogen? Zweifel sind angebracht. Das wäre schade, hat der Absender doch bemerkenswerte Botschaften zu übermitteln. Zum Beispiel, dass er künftig auf den Einsatz fossiler und begrenzter Rohstoffe komplett verzichten und in nachwachsende Rohstoffe stark investieren wird. Leider ist das Risiko groß, dass es mit dem investierten Anzeigenbudget (ca. 20.000 € für eine 1/1 Anzeige in der LZ) nicht gelingt, die inhaltlichen „PS“ voll auf die Kommunikationsstrecke zu bringen. Immerhin, mit seiner Textanzeige folgt der Kartonverpackungs-Marktführer dem letzte Woche entdeckten aktuellen Trend, den Anzeigen-Adressaten mehr Lesestoff zu bieten.
Futter fürs Haar – Pulver für die Augen von L‘Oreal
Über ökologisch nachhaltiges Verpackungsmaterial werden Händler in dieser Woche auch von L‘Oreal informiert. Ganz im Gegensatz zur textlastigen Tetra Pak Annonce nutzt der französische Kosmetikriese für die Bewerbung von Fructis Hair Food viele bunte Gestaltungselemente und wenig Text, der jedoch ausschließlich aus ENG ANEINANDER GESCHRIEBENEN VERSALIEN besteht. Die Vielzahl der Farb- und Gestaltungselemente macht die Anzeige unübersichtlich, sie wirkt unruhig auf den Betrachter. Zudem fehlt die klare Kommunikationshierarchie; mehrere unterschiedliche Botschaften werden mit vergleichbarer Priorität neben- bzw. untereinander gesendet. Im Einzelnen finden wir:
- Fructis Hair Food wird von Millennials gekauft (plus Sternchenhinweis)
- Neu: der Flaschenkörper besteht aus 100% recyceltem Plastik
- Es folgt ein Marktforschungsergebnis: 74,5% der deutschen Shopper wünschen sich Verpackungen aus recyceltem Material (nächster Sternchenhinweis)
- Produktabbildungen (die jeweils auch aus vielen Gestaltungselementen bestehen) vor jeweiligen bunten Mood-Fonds
- Hinweis auf neue Produkte
- Hinweis auf neue Verpackungsgröße (400 ml)
- Hinweis auf Media-Support in 2021
- Hinweis auf vegane Rezeptur
- Siegel mit VERSAL IM KREIS GESCHRIEBENEN TEXT, der auf 96% Inhaltsstoffe aus natürlichem Ursprung hinweist
… die letzten drei Punkte alle mit weiteren Asterisken (Hinweissternchen) versehen.
Das ist – vorsichtig formuliert – anspruchsvoll für die Zielgruppe der Handelsentscheider, die nach der Lektüre von mehr als 40 Seiten LZ eine Botschaft mitnehmen sollen. Hier könnte unter dem Aspekt „weniger ist mehr“ stark optimiert werden.
Qualität bei Produkt und Anzeige von Henkel
Wie es gelingen kann, Botschaften mit gekonntem Einsatz von Texten wirkungsvoll zu platzieren, zeigt uns in dieser Woche Henkel mit dem Inserat für das Hand Desinfektionsgel von Pril. Am Motiv fürs – perfekt zur aktuellen Corona-Situation passende – Hygieneprodukt erkennen wir einmal mehr, dass Fachkommunikation nicht unbedingt besonders kreativ oder originell sein muss, um zu funktionieren. Der Aufbau ist klar und strukturiert:
- Eine Überschrift, die sofort erklärt um was es in der Anzeige geht
- Ein gut erkennbarer „NEU“-Hinweis oben links
- Große Packung, präsentiert auf dem Anwendungsbereich „Hand“ vor einem ruhigen blau/weißen Hintergrund
- Zusätzliche, kurze und gut lesbare Textblöcke erläutern die Benefits, Piktogramme sorgen für visuell schnelle Erkennbarkeit
- Abschließend liefern noch zwei harte Fakten weitere Argumente für die Listung
Die Bewertung fällt kurz und bündig aus … so funktioniert gelungene Fachkommunikation – Kompliment.
Abschließend der obligatorische Hinweis darauf, dass die Bewertung von zufällig ausgewählten Anzeigenmotiven alleine dem Ziel dient, Tipps dafür zu geben, wie B2B-Kommunikation funktioniert – oder eben auch nicht. Basis für diese Einordnungen sind zahlreiche Werbewirkungs-Studien und die als Konsens erachteten, allgemein gültigen Regeln für effektive Gestaltung. Nur zu gut weiß ich als Praktiker von den Zwängen und (scheinbar) unabänderlichen Rahmenbedingungen bei der Entwicklung von Kommunikationserzeugnissen.