Einige der heißesten Tage des Jahres liegen hinter uns, die Corona-Pandemie hat das öffentliche Leben weiterhin zu großen Teilen im Griff und das neue Schuljahr steht kurz bevor. Mit welchen Themen versuchen die Händler, in diesem Umfeld bei den Shoppern zu punkten?
Real-Politik – spät, aber mit Vehemenz
Im Beitrag zur Umsetzung der Mehrwertsteuer-Senkung wurde darauf hingewiesen, dass Real dieses Thema als einziger der großen LEH-Betreiber nicht besetzt hat. Nun gibt der Großflächenbetreiber in dieser Hinsicht Vollgas. Nicht nur auf der Titelseite des wöchentlichen Handzettels erfahren die Kunden per plakativem Hinweis, dass Sie preislich von der Steuersenkung profitieren; nein, die Düsseldorfer haben diese Information sicherheitshalber komplett auf allen Seiten des Anzeigenblatts abgedruckt. Mit einem Monat „Verspätung“ also das bestimmende Thema beim SB-Warenhausunternehmen, das kurz vor der Zerschlagung steht.
Achtung: Kracher, Knüller und Schnäppchen
Ist von konsequenter Umsetzung des Bio-Gedankens im LEH die Rede, denken wir – genau – sofort an Tegut. Mögen Aldi und Edeka auch darüber streiten, wer beim Bio-Sortiment die Nummer eins im deutschen LEH ist, hat der mittelhessische Supermarktbetreiber dieses Thema doch schon seit Jahrzehnten sehr glaubhaft besetzt und es gibt kaum ein Interview, in dem die Retailer aus Fulda nicht darauf hinweisen. Folgerichtig sind Angebote für Bio-Produkte auch im Wochenblatt üppig gestreut. Besonders bemerkenswert und auffällig ist jedoch dort die Wortwahl bei der Bewerbung des Sortiments. Mit einem marktschreierischen Kommunikationsstil und der inflationären Verwendung von Begrifflichkeiten wie „Wochenknüllern“, „Preiskrachern“, „Tageskrachern“, „Gute-Karte-Rabatte“ und „Schnäppchen“, bedient sich Tegut reichlich aus dem Füllhorn der klassischen „Schweinebauch-Reklame“. Das ist im LEH-Umfeld nun kein Alleinstellungsmerkmal, fällt allerdings gerade im Kontrast zur ansonsten eher sachlichen und inhaltsbezogenen Kommunikation der Migros-Tochter besonders auf:
A propos Bio … welches Kriterium zieht bei den Shoppern noch mehr als das Angebot von Produkten aus ökologischer Landwirtschaft? Richtig, Erzeugnisse aus der Region. Wissen wir aus entsprechenden Marktforschungsstudien; hier ein Beispiel:
Auszug POS-Marketing-Report 2018
Interessant dabei: „Region“ als Begriff ist nicht eindeutig (oder gesetzlich) definiert. Kann also von Anbietern und Kunden unterschiedlich interpretiert werden. Vermuten die Shopper eventuell den Bauern aus der Nachbargemeinde als Lieferanten der als ‚regional‘ beworbenen Möhren, kann das Gemüse durchaus einen Transportweg durch das heimische Bundesland von mehreren hundert Kilometern hinter sich haben.
Sind wir also bei „Rewe Regional“, dem Angebot an „regionalem Obst und Gemüse“ vom Supermarktgiganten aus NRW, beworben mit einer POS-Marketing-Aktion im aktuellen Wochenblatt.
doch woher kommen die Erzeugnisse?
Bemerkenswert: im Kleingedruckten erfahren die Shopper, dass die angebotenen Erzeugnisse „aus Deutschland“ stammen. Sicher, auch Deutschland ist eine Region. Ob das allerdings die Erwartung der Kunden trifft, wenn sie Lebensmittel aus regionaler Erzeugung wünschen, ist fraglich.
Ein weiteres Schmankerl bietet Rewe mit der Schulanfangs-Promotion „Power-Kiste“ in Kooperation mit Danone. Die Mechanik: eine Cause-related-Marketingaktion, in deren Rahmen die Veranstalter pro gekauftem Danone-Produkt je 5 Cent an die Initiative „Power Kiste“ spenden. Überschrieben ist die Promotion mit „Ausgewogenes Frühstück für Kinder“ und der Beschreibungstext erklärt, dass Schüler an ausgewählten Schulen mit einem gesunden Frühstück versorgt würden.
Die Idee, das Frühstück für Schulkinder als thematischen Promotion-Aufhänger zu nutzen, ist stimmig und passt zum Ansatz des sozialen Engagements von Rewe. Weniger stimmig ist jedoch der Kooperationspartner mit stark zuckerhaltigen Produkten, die wenig brauchbare Nährstoffe, dafür aber umso mehr Kalorien enthalten. Das dürfte Wasser auf die Mühlen der Kritiker von zu süßen Kinderprodukten aus Verbänden und Politik sein. Passend dazu die Diskussion zwischen dem Bundesverband der Süßwarenindustrie und den Grünen, zu entnehmen der aktuellen Ausgabe der Lebensmittel Zeitung:
ERNÄHRUNGSPOLITIK Grüne erneuern Kritik an Kinderwerbung
Bonn. Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie hält die jüngst von der Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther geforderten Werbeverbote für ungeeignet, um Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen. „Durch einen Verzicht auf Werbung für Süßwaren wird niemand schlanker“, sagt Hauptgeschäftsführer Carsten Bernoth. Unterdessen erneuerte die Grünen-Sprecherin für Ernährungspolitik, Renate Künast, die Kritik und konkretisierte die Forderung nach einer umfassenden Ernährungsstrategie. Künast verlangt „verbindliche und ambitionierte Reduktionsziele gegen zu viel Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten.“ In Internet- und Fernsehwerbung für unter 14-Jährige „müssen die Produkte den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation für ausgewogene Ernährung entsprechen“. lz 33-20 vom 14.08.